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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Im Lebensmittel-Loop: Edekas Rewe-City-Killer in Rostock

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Rostock muss sehr stolz auf sein Wappentier sein. Schließlich schmückt der Greif – eine mythische Fabeltierkreuzung – nicht nur historische Baumwerke und Fahnen.

Greif am Kröpeliner Tor in Rostock

Die Rostocker kleben ihn sich auch aufs Auto. Und seit ein paar Wochen schmückt der Greif die neue Edeka-Filiale in der Rostocker Fußgängerzone. Auf dem marmorig glänzenden Eingangsbogen steht in goldener Schrift:

“Qualität – Frische – Service – Vielfalt”.

Klingt nach einem großen Versprechen. Wer sich den Mitte Juli eröffneten Laden daraufhin von innen ansieht, stellt ziemlich schnell fest, dass er nicht in einem normalen Supermarkt gelandet ist. Weil der Laden anders funktioniert als üblich – und seine Kunden nicht linksrum-rechtsrum vom Eingang zur Kasse schickt.

Sondern in den Lebensmittel-Loop.

Hinterausgang mit Marmorbogen: Der Edeka Breite Straße verabschiedet seine Kunden stilvoll

Lange, gerade Regalreihen gibt es nur beim Weg durch die Obst- und Gemüse-Abteilung und bei den gekühlten Lebensmitteln. Aber wohl nur, weil sich Kühltheken so schwer abrunden lassen. Im Zentrum besteht der Laden nämlich komplett aus Regalen, die sich in Ringen ineinander fügen und so einen kleinen Lebensmittel- und Drogerie-Irrgarten formen.

Bei jedem Einkaufsforscher würde diese Konstruktion augenblicklich das Herzinfarktrisiko steigen lassen. Weil sicher in hundert Studien herausgefunden worden ist, dass die Leute es hassen, wenn sie in Gänge reinlaufen, bei denen sie nicht sehen können, was am anderen Ende im Regal steht.

Der Regalirrgarten, in dem man sich gerne verläuft: Startpunkt Schokoladentresen

In Rostock funktioniert es trotzdem: Weil die Rundregale gut zum edlen schwarzen Design passen und der Loop neugierige Kunden förmlich ansaugt. (Einige Anwohner sind weniger begeistert wegen der befürchteten Lautstärke bei der Warenanlieferung, wie Das-ist-rostock.de berichtet, während die lokale “Ostsee Zeitung” zur Eröffnung bloß PR-Sprüche runterzubeten wusste.)

Immer schön im Kreis: Lebensmittel-Regale im Edeka Rostock

Dabei ist das Design ist nicht die einzige Besonderheit. Edeka-Kaufmann Ingolf Schubert hat darauf geachtet, das Angebot seines Markts auf dessen Lage abzustimmen: Statt der üblichen wuchtigen Kassen sind gleich acht schmale Bezahltische vor den offen gestalteten Ausgang gebaut worden, Kunden stellen sich in einer Schlange an und werden jeweils zu dem Kassierer gerufen, der gerade frei ist. (Supermarktblog-Leser kennen das Prinzip z.B. vom Innenstadt-Aldi in London.)

Und an der ziemlich langen Bedientheke sind nicht nur Fisch, Fleisch und Käse zu kaufen, Kunden kriegen auch ein warmes Essen zum Mitnehmen vor ihren Augen zubereitet: Pizza, Eintopf, Suppe oder Gemüse aus dem Wok. “Ganz nach Ihrem Geschmack”, steht auf den Zetteln zum Ankreuzen des “Edeka-Woks”: Mit Tofu oder Rindfleisch? Bambussprossen, Sellerie, Paprika, Brokkoli oder Ananas dazu? Nudeln oder Reis? Und dann die Soße, Erdnuss, Chili, Curry, Kokos-Ingwer, süß-sauer?

Baguettes, Wraps, Wok-Gerichte: Die Supermarkt-Gastro in der Breiten Straße ist auf Mitnehm-Essen eingestellt

Günstig ist das alles nicht. Aber genau so gemacht wie man sich das wünscht, wenn man ein schnelles, frisches Essen mitnehmen will. (Sitzplätze gibt es in dem Laden keine.)

Vor allem haben die Rostocker nun einen Innenstadt-Supermarkt, der auch gut in die Fußgängerzonen anderer (mittelgroßer) Städte passen und sich perfekt als Rewe-City-Killer eignen würde. Der Kölner-Konkurrent hat schon vor Jahren den Trend zum Nah-Einkauf erkannt und eröffnet seitdem kleine Märkte in guten Lagen, die mit deutlich weniger Platz auskommen als die Standard-Rewes, Kunden aber trotzdem das Gefühl geben, einen kompletten Einkauf erledigen zu können. Ein Nachteil ist, dass man wegen des langweilig durchstandardisierten Designs als Kunde wirklich keine Sekunde daran denkt, dort länger zu bleiben als nötig.

Der Edeka Breite Straße versucht genau das Gegenteil: Die Leute sollen sich im Laden inspirieren lassen, bedient und beraten werden und natürlich: mehr einkaufen als geplant. Wenige Tage danach der Eröffnung im Juli wurden an den Eingängen immer noch Obst- und Käse-Kostproben verteilt und Sekt ausgeschenkt. An der Bedientheke gibt’s zum eingekauften Fleischs automatisch die Zubereitungsempfehlung dazu. (Hier gibt es weitere Bilder zu sehen.)

Für Schnelleinkäufer ist das nix. Muss es aber auch gar nicht sein. Der Loop-Markt nutzt genau die Lücke, die Rewe mit seinen City-Filialen lässt. Und wenn sich Edeka schlau anstellt, empfiehlt die Regionalgesellschaft Nord (in deren Gebiet die Filiale aufgemacht hat) den Kollegen anderswo im Land, sich schleunigst den Rostocker Markt anzusehen – und zu überlegen, ob sie sich sowas auch in ihrer Stadt vorstellen könnten.

Der Zeitpunkt wäre ideal: Die “Lebensmittelzeitung” meldete kürzlich, Edeka wolle in den Großstädten aufholen und neue Läden etablieren. Das muss gar nicht unbedingt mit riesigen Centern passieren. Gut gelegene Märkte, in die Kunden gerne zum Einkaufen kommen, weil sie etwas Besonderes sind, wären die weitaus clevere Lösung, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Noch dazu, weil Edeka damit eine deutlich elegantere Kombination aus Supermarkt und Gastronomie testen kann als Rewe mit seinem misslungenen “Made by Rewe”-Konzept.

Freilich gibt es dabei auch einen Haken, nämlich die Höhe der notwendigen Investitionen: Besonders günstig war’s nämlich vermutlich nicht, den früheren Klamottenladen in der Breiten Straße zum Edel-Edeka umzubauen.

Wer hat sonst schon eine Obst- und Gemüseabteilung mit Greifwache auf dem Eiswürfel-Obsttresen?

Falls sich doch ein Händler traut, dem Beispiel zu folgen, leihen die Rostocker ihm vielleicht auch ihr schmuckvolles Wappentier, das im Originalladen außerdem als goldene Miniatur auf der viereckigen Eistheke mit dem geschnittenen Obst thront und dort schweigend den Eiswürfelnachschub überwacht, der unter ihm zu Frischhaltezwecken dauerproduziert wird. Einen Namen für die Edeka-City-Filialen hätten wir damit ja auch schon:

“Greif zu.”

Fotos: Supermarktblog


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