Fast 500 Jahre ist es her, dass die Europäer sich nicht darüber einig waren, wie diese neue Frucht aus Südamerika heißen sollte, die lange nur als Zierpflanze diente, weil man ihr Giftigkeit unterstellte. Heute wissen wir, dass das bei all den Pizzen, die die Europäer in ihrem Leben durchschnittlich verschlingen, nicht sein kann; und dass das Gewächs “Tomate” heißt, was “wahrscheinlich auf den mexikanischen Namen tumatle” zurückgeht.
Die meisten Menschen haben sich mit dieser Bezeichnung arrangiert. Bloß Edeka findet sie doof. Deshalb heißen Tomaten im Laden seit einigen Monaten:
“Naschperlen”,
“Mini Leckerbissen” und
“Trio Mio”.
Das kommt so: Ende des vergangenen Jahres hat die Supermarktkette ihre Obst-und-Gemüse-Eigenmarken “Rio Grande” und “Gärtners Beste” abgeschafft, um im selbst gezüchteten Eigenmarkendickicht ein bisschen Durchblick zu schaffen. Seitdem steht auf Verpackungen und Herkunftsaufklebern nur noch der Absender: “Edeka”. Das muss den selbst ernannten Lebensmittelliebhabern jedoch etwas langweilig vorgekommen sein, deshalb hat sich die Marketing-Abteilung einfach ein paar neue Namen fürs Obst und Gemüse ausgedacht.
Orangen heißen auf der Packung jetzt “Sonnentropfen”, Zwiebeln sind “Erdperlen”, Kartoffeln kommen als “Ackergold” ins Netz, jede Mango ist ein “Tropentraum” und Zitronen sind “Muntermacher”.
Dass Edeka unschuldige Grundnahrungsmittel ihrer wahren Identität beraubt, um sie durch grundschulhafte Obstpoesie zu ersetzen, erklärt Edeka so: Dank ihres “emotionalen Namens” suggerierten die Früchte gleich, “dass sie etwas ganz Besonderes sind”.
Die neuen Verpackungen haben Edeka zufolge noch einen weiteren Vorteil:
“Im Tomatensortiment sehen die Verbraucher beispielsweise, welche Sorten sich am besten zum Kochen, Naschen oder für Salate eignen – im Fruchtregal, welche Mangos, Avocados oder Kiwis genussreif sind.”
Die Emotionsgemüse-Inititaive mit dem angeblichen Zusatznutzen auf der Packung verrät viel darüber, wie Edeka seine Kunden sieht: als Konsumdummchen, denen beim Anblick einer saftigen Tomate erst das Wasser im Munde zusammenläuft, wenn die vorher verbal bezuckert wurde; und die gesagt kriegen müssen, welche Früchte sie zwischendurch einfach so essen dürfen bzw. welche sie in den Kochtopf zu schnibbeln haben.
Der “genussreif”- Hinweis mag auf den ersten Blick nützlich scheinen, bedeutet aber noch lange nicht, dass sich die eingekaufte Avocado auch daran hält – oder sich im Zweifel nicht doch für die Sofortverschimmelung entscheidet bis sie nach dem Einkauf daheim auf dem Küchentisch liegt.
Es mag ja sein, dass die Anstregungen aus Sicht der Supermarktkette tatsächlich passieren, um einen “Mehrwert für Verbraucher” zu bieten. Dass das, wie schon bei der Frankensteinwurst aus dem Lebensmittellabor, aber auch künstlich und abschreckend wirken könnte, scheint bei Edeka niemandem in den Sinn gekommen zu sein.
Keine anderen Lebensmittel sind so toll und bunt verpackt wie Obst und Gemüse, die Verpackung wächst sogar einfach mit dran! Der Handel kann dafür sorgen, dass die Früchte möglichst frisch in den Laden kommen, möglichst natürlich angebaut sind und fair gehandelt werden, um uns damit zu beeindrucken. Wenn er aber anfängt, sich stattdessen Kitschnamen auszudenken, ist an der schönen Marketing-Strategie was faul.
Zu Ende gedacht ist sie auch nicht. Sonst hieße der Romanasalat längst “Wuschelknacker”, auf der Packung mit Chilis stünde “Rote Reizer” und Knoblauch läge als “Blutsaugerstopp” daneben. Ist womöglich noch in Arbeit.
Fotos: Supermarktblog