Anfang des Jahres hat Rewe-Chef Alain Caparros dem “Handelsblatt” gesagt:
“Uns gibt das Internet die Chance, Marktführer zu werden: Wir können mit Hilfe der Technik von der Nummer zwei im Lebensmittelhandel zur Nummer eins werden. Deshalb müssen und werden wir im Onlinegeschäft mit Lebensmitteln der Pionier sein.”
Das war ganz offensichtlich nicht nur so dahin geredet. Während die zahlreichen Investitionen in andere Bestellshops (u.a. Home24.de für Möbel und Zooroyal.de für Haustierzeugs) vor allem den Eindruck machen, dass Rewe große Angst hat, irgendeinen Trend im Netz zu verpennen, arbeiten die Kölner ziemlich konsequent am Ausbau des eigenen Lebensmittel-Lieferdiensts.
Anfang Juli hat die Nummer zwei der deutschen Supermarktketten ihre Website relauncht, die jetzt um einiges moderner aussieht, und in diesem Zuge den Lieferdienst integriert, der bisher separat unter rewe-online.de zu finden war. Direkt unter dem roten Rewe-Logo steht jetzt auf der Startseite:
“Bestellen”
Die Botschaft könnte eindeutiger nicht sein: Der Lieferservice wird nicht mehr als Anhängsel betrachtet, den die Leute, die unbedingt wollen, im Netz separat finden müssen. Stattdessen wird das “Bestellen” künftig ganz selbstverständlich als zentraler Bestandteil von Rewe gesehen.
Statt roter fahren künftig offensichtlich weiße Lieferwägen durch die Städte. Hier in Berlin ist bisher noch die rote Flotte unterwegs (Foto). In Frankfurt haben die Kollegen von der LZ bereits welche gesichtet.
Und in dieser Woche hat Rewe noch mal an der Bedienfreundlichkeit der Website gearbeitet: Nutzer können jetzt (wieder) personalisierte Einkaufslisten erstellen, bei bereits abgeschickten Bestellungen noch Änderungen vornehmen und sich – besonders praktisch: – freie Liefertermine nicht mehr nur am Ende des Bestellvorgangs anzeigen lassen, sondern schon davor. Das ist hilfreich, wenn der Einkauf dringend noch rechtzeitig vor der Party am Wochenende eintrudeln soll.
All das mag auf den ersten Blick aussehen wie kleine, zum Teil nur kosmetische Änderungen – aber im Vergleich zu vor zwei Jahren hat Rewe seinen Lieferdienst deutlich professionalisiert. Und zwar gar nicht mal die eigentliche Zustellung, sondern vor allem den Weg dorthin. Das heißt: Caparros meint es mit seiner Nummer-eins-Absicht wirklich ernst, während Rivale Edeka bislang keine Notwendigkeit sieht, Online zur Priorität zu machen. Unterschiedlicher als Deutschlands beide größten Supermarktketten könnte man kaum auf den Wandel der Einkaufsgewohnheiten reagieren. Das wird spannend in den nächsten Jahren.
Die Kosten für Händler, die jetzt investieren, dürften enorm sein. Das gilt vor allem für die wichtigste Neuerung, die Rewe nun in seinem Online-Shop umgesetzt hat: Die Gebühren für die Zustellung der Einkäufe im Netz wurden für deutlich gesenkt.
Gerade mal 3 Euro müssen Kunden derzeit bezahlen, völlig gleich, ob am Abend oder zur Hauptbestellzeit am Abend. Wer länger Zeit hat als zwei Stunden und sowieso den ganzen Mittag zuhause ist, der zahlt 2 Euro. Bislang galt das nur für Bestellungen ab 150 Euro. Andernfalls waren zu Hauptlieferzeiten bis zu 6 Euro fällig.
Kaiser’s Tengelmann, das als Bringmeister.de verkleidet in Berlin und München ausliefert, stellt Kunden seines Online-Supermarkts die originellen Beträge von 4,44 Euro bzw. 5,55 Euro in Rechnung – zumindest für Lieferungen bis 18 Uhr. Danach sinken die Zustellkosten noch einmal deutlich: bis 20 Uhr auf 3,33 Euro, und danach noch einmal auf 2,22 Euro. Im Online-Shop verspricht Bringmeister.de zudem:
“Jetzt noch längere Lieferzeiten! +++ Wir liefern ab sofort von 7-23 Uhr! +++ Auch am Samstag!”
Das heißt: zwei Stunden länger als der Hauptkonkurrent Rewe.
MyTime.de, der Lieferdienst der norddeutschen Supermarktkette Bünting, wirbt auf seiner Startseite ebenfalls groß für die Feierabendzustellung. Bestellungen kommen wie bei Allyouneed.com mit DHL-Abendkurier. Die regulären Lieferkosten liegen bei 4,99 Euro, ab 25 Euro bei 2,99, ab 65 Euro Warenwert ist die Lieferung komplett kostenlos.
Im Moment versuchen offensichtlich alle Beteiligten, so viele Neukunden wie möglich zu gewinnen, auch auf die Gefahr hin, erstmal hohe Verluste zu machen. Eine Lieferung für 2 Euro, wie Rewe sie anbietet, kann niemals kostendeckend sein. Aber sie kann Leute dazu bringen, ihre Vorbehalte gegen den Online-Einkauf von Lebensmitteln zu überdenken und durch mehr Bestellungen die Liefer-Touren besser auszulasten. (In Großbritannien hat Tesco kürzlich die Gebühren von 3 auf 1 Pfund gesenkt.)
Kurz gesagt: Der deutsche Markt für online bestellte Lebensmittel ist derzeit spannend wie nie. Auch ohne dass Amazon mitmischt.