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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Elefantenhochzeit mit Edeka: Tengelmann verkauft seine Supermärkte

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Adie, kleine Teekanne? Edeka will sämtliche Kaiser's- und Tengelmann-Märkte übernehmen

Ende September hat das Bundeskartellamt die Ergebnisse seiner “Sektoruntersuchung” des Lebensmittelhandels in Deutschland veröffentlicht. Gleich unter Punkt 1 in dem dazugehörigen Papier “Ergebnisse und Schlussfolgerungen” (pdf)* steht:

“Der Lebensmitteleinzelhandel ist hochkonzentriert. Die Marktstruktur droht sich noch weiter zu verschlechtern.”

Keine zwei Wochen später ist es soweit: Tengelmann will sein Supermarktgeschäft bis Mitte 2015 an Edeka verkaufen. Das ist ein ziemlicher Hammer. Weil das Unternehmen, nachdem 2008 bereits sämtliche Plus-Filialen an den Marktführer abgegeben wurden, damit komplett aus dem stationären Lebensmittelhandel aussteigt. Geschäftsführer Karl-Erivan Haub lässt sich ziemlich eindeutig zitieren:

“Wir sehen leider keine Perspektive mehr, unsere Supermärkte aus eigener Kraft zu einem profitablen Unternehmen zu machen. Mit einem Marktanteil von nur 0,6 Prozent sind wir mit unseren Supermärkten zu klein, um weiterhin im Markt eine Chance zu haben.”

Für Edeka wäre der Zukauf in vielerlei Hinsicht ein riesiger Gewinn:

  • Mit den Kaiser’s-Supermärkten ist Tengelmann in Metropolen wie Berlin stark, wo Edeka bisher massiv unterrepräsentiert ist und die Nummer zwei im Markt, Rewe, in den vergangenen Monaten kontinuierlich aufgeholt hat. Dieser Nachteil wäre quasi über Nacht ausgebügelt.
  • Zugleich bekäme Edeka mit Bringmeister.de einen eigenen Lebensmittel-Lieferdienst ins Haus und hätte damit die Chance, auf ein funktionierendes System im gründlich verpennten Online-Geschäft zurückgreifen zu können.
  • Im Online-Handel bekäme Edeka gleich noch einen Schub: Die Online-Tochter Tengelmann E-Stores (Plus.de) gibt’s nämlich obendrauf.

Für alle anderen außer Edeka ist der Deal eine schlechte Nachricht: Rewe kann sich damit vorerst abschminken, am Marktführer vorbeizuziehen, weil der seinen Umsatz und seine Filialzahl mal eben deutlich aufstockt. Lieferanten und Produzenten haben es künftig mit einer Supermarktkette zu tun, die sich zwar gerne kuschelig als Zusammenschluss selbstständiger Kaufleute darstellt, aber jetzt über eine noch größere Marktmacht verfügt und diese bei Verhandlungen auch einzusetzen weiß. Für die Kunden besteht der Nachteil darin, dass es künftig eine Supermarktkette weniger gibt, die sich gegen die großen Filialisten stemmen kann.

Fakt ist aber auch, dass Tengelmann das mit seinem Supermarkt-Geschäft schon seit längerer Zeit nicht mehr so recht gelungen ist.

In den Stammregionen werden zwar beständig neue Märkte eröffnet; auch war offensichtlich die Bereitschaft da, sich durch Kooperationen von den großen Ketten abzuheben. Mit seinen gerade einmal 451 Filialen hinkte Kaiser’s Tengelmann aber schon länger hinterher. Mit der Vielfalt an Eigenmarken, die Edeka und Rewe in die Läden drücken, konnte das Unternehmen nicht mithalten, genauso wenig wie mit dem hohen Expansionstempo. Aus dem Rhein-Main-Gebiet zog sich das Unternehmen bereits vor vier Jahren zurück, um sich auf die Regionen Berlin, München und Nordrhein zu konzentrieren.

Dort wird Edeka von heute auf morgen eine neue Macht – wenn der Deal zustande kommt. Schon bei der Plus-Übernahme machte das Kartellamt Auflagen, einen Teil der Filialen an Konkurrenten abgeben zu müssen, um Konzentrationen vorzubeugen. (Geholfen hat das wenig.) Gut möglich, dass auch ein Teil der Kaiser’s- und Tengelmann-Märkte künftig an andere Besitzer ginge. Es ist halt bis auf wenige, vor allem regional agierende Ketten fast keiner mehr übrig.

Kaiser’s Tengelmann wäre innerhalb von zwei Jahren die zweite mittelgroße Supermarktkette, die einen neuen Eigentümer bekommt, weil sie sich aus eigener Kraft nicht gegen die Marktführer durchsetzen kann. Zuletzt hatte die Schweizer Migros die Fuldaer Fast-Biomarktkette Tegut übernommen.

Jetzt muss das Kartellamt erst einmal entscheiden, ob die Marktverschlechterung, die vor zwei Wochen noch Prognose war, tatsächlich Realität wird.

* * *

*Zu Edeka führt das Kartellamt in seiner Sektoruntersuchung aus:

“Edeka weist im Verhältnis zu ihren jeweiligen nächsten Wettbewerbern eine etwa doppelt so hohe Gesamtverkaufsfläche sowie eine doppelt so hohe Standortdichte auf und ist gemessen an Umsatz, Beschaffungsanteilen bei Herstellermarken, der Verkaufsfläche und der Standort- zahl der bei weitem führende Anbieter in Deutschland.”

Fotos: Supermarktblog


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