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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Supermarkt-Umbauten: Bleibt das so oder kommt das wieder weg?

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Passt, wackelt, hat Luft: In Berlin hat Rewe einen provisorischen Markt in einer Stahlhalle eröffnet

Wenn ISS-Astronaut Alexander Gerst von seinem derzeitigen Arbeitsplatz Richtung Erde sieht, bevor er in ein paar Tagen wieder runter muss, kann er seinen Kollegen zeigen, wo die Menschen in der Hauptstadt seiner Heimat so einkaufen. Zumindest wenn sie im lustigen Zwischenland der Berliner Bezirke Friedrichshain und Prenzlauer Berg wohnen. Die sehr, sehr, sehr großen Buchstaben, mit denen sich Rewe dort auf einer grauen Halle verewigt hat, müssten jedenfalls problemlos aus dem All zu erkennen sein.

Im Gegensatz zu vielen anderen Neubauten hat der Supermarkt, der dort in den vergangenen Monaten neben ein trauriges Volleyballfeld und eine verlassene “Beach Bar” auf eine Wiese gebaut wurde, nämlich keine Fenster, dafür aber haufenweise Wände.

Das liegt daran, dass er in zwei Jahren wieder wegkommt.

Nicht zu übersehen: Rewe hat sich auf seinem Markt-Provisorium in Riesenbuchstaben verewigt

Nun hat Rewe keineswegs den Einwegsupermarkt erfunden, der sich nach einer gewissen Zeit einfach selbst kompostiert – obwohl das sicher ein interessantes Patent wäre.

Die graue Halle ist bloß ein vorübergehender Ersatz für den Laden, der bislang in dem angrenzenden Wohngebiet stand – und schließen musste, weil dort, wie überall in Berlin, gerade ein neues Mehrfamilienhaus gebaut wird. Sobald das fertig ist, darf Rewe unten wieder einziehen. Da das aber eine Weile dauern wird, hat die Supermarktkette den Standort nicht einfach aufgeben wollen, vom Bezirk besagte Wiese angemietet und einen provisorischen Markt draufgestellt, bei dem sich so mancher schrabbelige Innenstadt-Discounter mit festem Mauerwerk noch was abschauen könnte.

Die Fläche ist dieselbe geblieben wie im alten Laden. Wer einmal im Markt drinsteht, merkt auch fast gar nicht, dass hier nichts für die Ewigkeit gemacht ist. Schließlich muss das Stahlgerüstkonstrukt ja mindestens zwei Berliner Winter überdauern ohne der Kundschaft auf den Kopf zu krachen. (Die Prenzlauer Berg Nachrichten haben noch mehr Details dazu aufgeschrieben.)

Nur die etwas wackeligen, für Rewes sonstigen Hochglanzladenbau immer viel zu schmutzigen Bodenplatten weisen darauf hin, dass hier was anders ist als in den übrigen Filialen.

Nein, da rechts kommen keine Hochglanzfliesen mehr vor die Kühltheke

Den Übergangsladen wird sich Rewe einiges kosten lassen, und das ist vermutlich nicht nur ein Zeichen dafür, dass das Geschäft an diesem Standort ganz gut läuft, sondern auch dafür, dass Rewe bei seiner sorgfältigen Hauptstadtausbreitung vermeiden möchte, dass sich Kunden an die Konkurrenz gewöhnen, während ein eigener Laden neu gebaut wird. (Wenn Edeka wirklich Kaiser’s übernehmen sollte und damit plötzlich zahlreiche Berliner Filialen mehr hat, ist das auch mehr als plausibel.)

Um ihr Revier zu markieren, scheuen die Ketten vor hohen Investitionen nicht zurück – manchmal auch: gezwungenermaßen.

In Kiel hat die Supermarktkette Bartels Langness ihr Famila-SB-Warenhaus im Stadtteil Mettenhof aufwändig umgebaut, um sich gegen den neu eröffneten Kaufland in der direkten Nachbarschaft zu wappnen. (Für Krautreporter hab ich gerade ausführlich darüber geschrieben.) Was seine Grundfläche angeht, hat der Markt ganz schön zugelegt, nämlich 2300 Quadratemeter – und sich bei dieser Gelegenheit nicht nur eine Aldi-Nord-Filiale und einen dm-Drogeriemarkt unters eigene Dach geholt, sondern auch einen Burger King. Bäckerei, Apotehke, Änderungsschneiderei, Blumenladen, Friseur und Schlüsseldienst waren schon vor dem Umbau vorhanden.

Aus dem SB-Warenhaus ist ein kleines Einkaufszentrum geworden.

Um sich gegen Kaufland zu wappnen, hat Famila Aldi und dm zu sich geholt

Darin belegt Famila alleine 3000 Quadratmeter – und freute sich zur Wiedereröffnung über “breite Gänge, niedrige Regale und ein klares Kundenleitsystem” (Pressemitteilung als pdf).

“Klar” ist das aber nur für Kunden, die wie Astronaut Gerst gerade aus dem All kommen und schon länger nicht mehr selbst einkaufen waren. Für alle anderen sieht der für 4,5 Millionen Euro erweiterte Markt aus wie ein Sabotageversuch traditionleller Kundengewohnheiten. Die Obst- und Gemüse-Abteilung am Eingang geht fast ein bisschen unter gegen das monströse Angebot an Nichtessen (“Non-Food” werden Supermarkt-Artikel genannt, die keine Lebensmittel sind), das außenrum gestopft ist. Wer Tomaten, Porree, Äpfel und Kiwi in den Einkaufswagen gelegt hat, wird von Famila über die Regalanordnung indirekt gefragt, ob nicht auch eine neue Pfanne braucht. Was aus der “Putzen”-Abteilung? Einen Klapp-Wäscheständer? Was zum Schmökern? “Autozubehör”? Druckerpatronen? Ein neues Lego-Set für die Kleinen?

Wenn Sie ganz genau hinsehen, erkennen Sie am Ende des Gangs eine Obst- und Gemüse-Abteilung. Ich sag ja: ganz genau hinsehen!

Die tollen “breiten Gänge” waren im Sommer schon wieder mit Gittertischen vollgestellt, in die eine Ladung “…billiger”-Deo vor die Parfüm-Vitrine gekippt war, kurz vor der Kurve mit dem “modisch einkleiden”-Sortiment. Erst danach werden die Kunden in den (vermutlich alten) Ladenteil gelassen, in dem dann auch wieder Lebensmittel im Regal stehen.

Mit dem Anbau hat sich Famila in Kiel einen Burggraben voller Schnickschnack vor seine Hauptkompetenz gebaut, und wer erstmal die Einkäufe fürs Abendessen oder das Wochenende erledigen will, bevor er sich entscheidet, einen neuen Badvorleger oder ein Thermoskannenset zu erwerben, hat verloren.

Oder muss kurz vor den Kassen scharf links abbiegen, um noch mal durch die Hälfte des Markts zu laufen.

Originell ist das allemal, erst recht, wenn die zuständige Marktleiterin meint: “Nichts ist mehr so, wie es war.” Zur erfolgreichen Reviermarkierung wär’s aber sicher hilfreich, dem beauftragten Ladenbauer das nächste Mal die Augenbinde abzunehmen, bevor er mit der Arbeit anfängt.

Gibt’s bei Ihnen in der Stadt auch provisorische Supermärkte oder unglückliche Umbauten?

Fotos: Supermarktblog


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