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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Neue Design-Filiale in Berlin: Rossmann schafft Platz

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In voller Breite ließ sich die neue Rossmann-Filiale in Charlottenburg weihnachtsbudenbedingt leider nicht erfassen

Bei der Drogeriekette Rossmann ist das Ladendesign aus seinem mehrjährigen Sabbatical zurückgekommen und wäre fast in Ohnmacht gefallen, als es gesehen hat, was die anderen unternommen haben, um die Läden in seiner Abwesenheit halbwegs modern zu halten: nämlich nichts.

Da ist es ausgeflippt, das Ladendesign, und hat aus Trotz in der vergangenen Woche eine neue Filiale eröffnet, um seinen trutschigen Kumpels mal zu zeigen, wie es sich die Drogerie-Zukunft vorstellt: heller, großzügiger und viel weniger rot als bisher.

Viele der ganz alten Rossmann-Filialen unterscheiden sich wohlfühltechnisch gar nicht so sehr von denen des untergegangenen Schlecker-Imperiums: sie sind klein, die Flure eng, die Waren in hohe Regale gestopft. Bei Neueröffnungen achtet Rossmann zwar schon seit längerem darauf, deutlich mehr Platz zu haben – aber nur, um den dann augenblicklich mit Spiel- und anderem Zeug zuzustellen, weil sich damit mehr Geld verdienen lässt als mit Eigenmarkenflüssigseife. Drogerie-Marktführer wird man damit aber offensichtlich nicht.

Drogeriereich unterm roten Bogen: Rossmann in der Wilmersdorfer Straße

In Berlin-Charlottenburg versucht’s Rossmann deshalb noch mal anders: Das bisherige Ladendesign ist komplett auf den Kopf gestellt worden. Statt der billig aussehenden roten Grundfarbe sind Schilder und Hinweise nun – je nach Sortiment – in weiß (Reinigungsmittel), schwarz (Kosmetik) und Erdtönen gehalten (Körperpflege), das Regal mit Bio-Lebensmitteln ist in Holz eingerahmt. Vor allem aber ist der Laden so groß wie kein anderer in Deutschland.

Die 1300 Quadratmeter (deutlich mehr als Aldi oder Lidl derzeit im Schnitt belegen) werden aber offensichtlich nicht genutzt, um noch mehr Produkte reinzustopfen – sondern, um den Kunden beim Einkaufen Platz zu lassen. Erstaunlich viel Platz.

Breite Gänge, und das hässliche Rot ist weg: Rossmann setzt auf Design

Dafür breitet sich der Charlottenburger Neu-Rossmann auf zwei Etagen aus, so wie es Konkurrent Müller schon seit längerem macht. Die Rossmann-Lösung ist allerdings deutlich aufgeräumter und moderner. Noch dazu fördert die ungewohnte Zweigeschossigkeit die Kommunikation mit den Kunden, die unten ständig das suchen, was oben steht und sich dann wundern, wenn sie Rolltreppe fahren sollen. Rossmann-Eigenmarken werden auf mannshohen Leuchttafeln hervorgehoben. Und vor den Fahrstühlen ist ein riesiger beleuchteter Zentaur (aus dem Firmenlogo) in die Wand eingelassen.

Für sein neues Designkonzept braucht Rossmann zwei Etagen mit Aufzug

Wer sich derweil beim Rolltreppefahren verausgabt hat, kann auf einer sandfarbenen Couch neue Energie schöpfen. Der lange Weg hin zur neuen Foto-Theke will ja auch noch bewältigt werden.

Einkaufen kann so anstrengend sein: Sitzgelegenheit im Obergeschoss

Im vorderen Ladenbereich (zur Einkaufstraßenseite hin) ist sogar so viel Nichts, dass es sich dort jederzeit prima campen ließe, wenn man nach Ladenschluss aus Versehen eingeschlossen wurde, nachdem man sich in der Baby-Abteilung verlaufen hat.

Beschweren Sie sich hinterher aber nicht, wenn Rossmann motzt, weil Sie mit den Heringen den Fußboden ruiniert haben

In jedem normalen Rossmann stünde an dieser Stelle die Spielwaren-Abteilung

In der vergangenen Woche war das mit dem Platz noch etwas problematisch, weil die Leute wie bescheuert Schlange standen, um den 10-Prozent-Eröffnungsrabatt abzugreifen, als gäbe es kein Morgen (oder in diesem Morgen keine dekorative Kosmetik und Deostifte mehr). Aber das gehört in der Branche ja inzwischen zum Standard.

Wichtiger ist: Der neue Rossmann ist in fast jeder Hinsicht das Gegenteil des alten. Und das ist auch höchste Zeit gewesen.

Ebenso wie dm eröffnet Rossmann zwar stetig neue Filialen. Derzeit sind es in Deutschland über 1800. Aber das Wettrennen wird sich in absehbarer Zeit nicht nur dadurch gewinnen lassen, dass man überall dort ist, wo der Konkurrent sich auch schon breit gemacht hat. In Charlottenburg war Rossmann bisher mit einem alten Laden, der selbst mit zugeklebten Fenstern noch schäbig aussieht, von drei (!) dm-Märkten in einem 250-Meter-Radius umzingelt.

"Wir sind umgezogen", und zwar keinen Moment zu spät: alte Rossmann-Filiale nebenan

Rossmann muss auch der bei dm hervorragend funktionierenden Selbstinszenierung als Gutmenschen-Drogerist etwas entgegen setzen. Die Strategie zu kopieren, kommt nicht in Frage – sehr wohl aber die Taktik, sich einladender und schicker zu positionieren als der Mitbewerber.

Der große Nachteil ist, dass das in Berlin demonstrierte Ladendesign kaum geeignet ist, auf viele alte Filialen übertragen zu werden. Ganz schön doof eigentlich: Wenn die Design-Filiale in Berlin funktioniert, weiß Rossmann zwar, dass damit ein Konzept für die Zukunft gefunden sein könnte. Leider hat das dann aber nichts mit den Realitäten in den übrigen Märkten zu tun, weil dort schlicht der Platz dafür fehlt.

Warum strengt sich Rossmann dann überhaupt an, was zu ändern? Ganz einfach: Unternehmensgründer Dirk Roßmann will auf keinen Fall denselben Fehler wie sein früherer Mitbewerber Anton Schlecker begehen, der erst an Modernisierung dachte, als es schon zu spät war (siehe Supermarktblog). Eben weil Konkurrenten wie Rossmann und dm auf größere, angenehmere Geschäfte setzten und die Kunden sich umgewöhnt hatten.

Das Spiel ist immer noch dasselbe. Nur, dass diejenigen, die jetzt ganz vorne stehen, ziemlich genau über die Regeln Bescheid wissen. Die Zeit der engen Drogerie-Flure könnte sich in wenigen Jahren ein für alle Mal erledigt haben.

Fotos: Supermarktblog


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