Vielen SB-Warenhäusern auf der Grünen Wiese laufen die Kunden davon, weil die keine Lust mehr darauf haben, ihre Wochenenden in neonbeleuchteten Einkaufshallen zu verbringen, für die man mit dem Auto auch noch ins Industriegebiet fahren muss. Woher das kommt (und warum das mal anders war), hab ich gerade für Krautreporter aufgeschrieben. Aber auch, wie sich das wieder ändern könnte. Zum Beispiel, wenn die niederländische Supermarktkette Jumbo in Amsterdam Erfolg mit ihrem “Foodmarkt” hat, der dort Ende November im ehemaligen Schiffsindustriegebiet eröffnet wurde.
Es ist der zweite seiner Laden seiner Art (der erste steht in Breda), und während deutsche Supermarktketten noch davon reden, die Märkte nicht mehr nur als Kühlschrankauffüllstation zu sehen, sondern als eine Art Gastro-Treffpunkt, hat Jumbo schon die Konsequenzen daraus gezogen. (Mehr dazu steht im Haupttext.)
Die grundlegende Überlegung war: Wenn die Leute ihre Freizeit freiwillig im Supermarkt verbringen sollen, darf der auf keinen Fall so aussehen wie die Läden, in denen der Lebensmitteleinkauf sonst lästige Pflicht ist. Auf dem “Plattegrond” (dem Plan, der am Eingang ausliegt) sieht Jumbos Foodmarkt deshalb so aus, als hätte ein Kind seine Bauklötze fein säuberlich über zwei Drittel des Markts verteilt. Nur dass es sich bei den Klötzen um Theken und Stände handelt – eine Mischung aus Frischetheken, Bistros und Bäckerei, aufgeteilt nach Sortimenten und unterschiedlichen Koch-Themenwelten.
Das funktioniert auch deshalb, weil sich Jumbo bei diesem Teil der Einrichtung komplett von der langweiligen Zweckmäßigkeit verabschiedet hat, die wir beim Einkaufen gewöhnt sind.
Im Foodmarkt hat jede Station ihr eigenes Design. Die Pizza-Theke ist mit Holz verkleidet und in Erdfarben gestaltet. Daneben strahlt der “Asia Wok” mit roter Leuchtreklame auf schwarzem Hintergrund und asiatischen Papierlampen. Im Grill hängen geräucherte Schinken von der Decke. Brot und Brötchen sind, ähnlich wie bei Tescos “Bakery Project”, nicht in hässliche Brötchenknasts gestopft. Nichts ist gedrängt oder gestopft, alles wird – präsentiert.
Die Preise für die Mahlzeiten sind (vor allem für Amsterdamer Verhältnisse) sehr moderat. Normal belegte Pizzen kosten 5 Euro, dazu gibt es zwei teurere Varianten mit mehr Belag (7,50 Euro) und kleinere für Kinder (2,50 Euro). Das Café ist abgetrennt, aber direkt vom Laden erreichbar. Wer vor dem Essen schon ein paar Artikel eingekauft hat, kann die dort am Eingang schnell bezahlen und sich dann hinsetzen. Sämtliche Kaffee- und Tee-Varianten kosten 1 Euro.
Damit outet Jumbo den Gastroteil seines Foodmarkt zwar als Lockmittel für neue Kundschaft. Aber vielleicht ist das genau die richtige Strategie, um uns davon zu überzeugen, dass der Lebensmitteleinkauf tatsächlich zur Freizeitbeschäftigung taugt. Wenn man ihn zeitgemäßer definiert.
Dazu überlässt Jumbo vielfach den Kunden die Wahl, anstatt Artikel vorzupacken. Es gibt Abfüllstationen für Müsli, Orangensaft und in der Obst- und Gemüseabteilung kann man den Leuten dabei zusehen, wie sie die Plastikbecher mit unterschiedlichen Sorten Cocktailtomaten bis unter den Deckel randvoll stopfen. (Soll sich ja rentieren.)
Die Niederländer gehen damit einen grundlegend anderen Weg als die großen Ketten in Großbritannien und Deutschland: Die gastronomischen Angebote seiner neu designten Extra-Stores versteht Tesco nach wie vor eher als Ergänzung; und Rewe setzt in seinen umgestalteten Centern weiterhin massiv auf allerlei Artikel aus dem klassischen SB-Warenhausgeschäft. Jumbo hingegen konzentriert sich komplett auf Lebensmittel und verlegt das gastronomische Angebot nicht an den Rand, sondern macht es zum zentralen Bestandteil des Konzepts. Und kommt damit schon ziemlich nah ran an einen entspannteren, unhetzigen, neugierig und zufrieden machende Einkaufserfahrung.
Das liegt auch am zweiten Teil des Markts, der auf der rechten Ladenseite abgetrennt von Gastrotheken und Marktständen ist. Hier ist alles klar gegliedert, leicht zu finden, es gibt keine Hindernisse, keine Stopper, keinen Ramsch.
Angebotsartikel sind an den Regalenden auf gelb hervorgehobenen Sonderflächen gestapelt.
Und an den Kassen erinnert zum Abschied schon wieder alles an den gemütlichen Teil des Markts. Statt Zigaretten und Süßkram liegen in Holzkisten Orangen, Äpfel und Bananen, falls sich die Kunden noch auf einen gesunden Nachtisch besinnen.
Jumbo hat angekündigt, weitere Läden nach dem Foodmarkt-Vorbild eröffnen zu wollen. Es wird höchste Zeit, dass die deutschen Ketten sich davon ein Scheibchen Experimentierfreude abschneiden.
Fotos: Supermarktblog