Es ist Dienstagnachmittag, 17 Uhr, Sie hören die “News” von “Penny live”:
“Penny auf Erfolgskurs: Der beliebte Discounter konnte im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 1,5 Prozent erzielen. Das hat das Unternehmen heute bekannt gegeben. Dafür mitverantwortlich: neue Eigenmarken wie Penny to Go, Bäckerkrönung und Naturgut. Auch der Umbau der Filialen auf das neue Penny-Konzept ist weitgehend abgeschlossen.”
Weitere Nachrichten “aus Deutschland und der Welt”: Mit Whatsapp lässt sich jetzt telefonieren. Und Glückwunsch, Bettina Zimmermann! Die zweifache “Maxim”-Frau des Jahres (bekannt u.a. aus “Cobra 11″) wird 40! Das Wetter: stellenweise starke Windböen. “Tut mir leid”, entschuldigt sich der Moderator.
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Am Dienstag hat Penny sein erstes Discount-Radio gestartet, das Kunden im Laden künftig von 7 bis 20 Uhr auf die Nerven gehen begleiten will, Mitarbeiter auch schon früher mit der “Mitarbeiter-Morningshow”. “Penny live” (hier auch ohne Anstehen anhören) ist “Ihr exklusives Radio beim Einkaufen”, sagt der Moderator. Im hingeheulten (“uohohoho”) Jingle singt jemand: “Mein Einkauf. Mein Radio. Penny live!” Und bevor Tina Turner zu “Simply the Best” ansetzt, Robbie Williams mit “Angels” loslegt oder die Lighthouse Family singt, wie “blue” der “sky” ist, den drinnen im Laden gar keiner sehen kann, verspricht die Stimme aus den Marktlautsprechern:
“Wir versorgen Sie mit unseren Tipps und Angeboten, während Sie mit Ihrem Einkaufswagen an unseren frischen Tomaten und der Tiefkühlpizza vorbeifahren.”
Wenn es nach der Rewe-Gruppe geht, ist das “ein Novum im deutschen Lebensmitteleinzelhandel”, wohl darauf bezogen, dass die Moderatoren des Wiener Radio Max tatsächlich live am Mikrofon sitzen, um die “Angebote der Woche”-Texte im “Navi für die Fahrt durch den Angebotsdschungel” vorzulesen:
“Darf es bei Ihnen Pasta mit Trüffeln sein? 15 verschiedene Kekssorten in der Dose? Sie haben Ihr Ziel erreicht!”
Tatsächlich ist “Penny live” auch nicht weniger penetrant oder belanglos als das, was sonst so in Deutschland über Ultrakurzwelle gefunkt wird. Folgerichtig bedienen sich die Macher aus einem schier unerschöpflichen Fundus bekannter Furchtbarkeiten: die größten Hits der 80er, 90er und von vorgestern; schrecklichen Gewinnspielen (von 7. bis 17. April läuft “Das geheime Geräusch”, das erkannt und per SMS übermittelt werden muss, um ein “stylishes Smartphone” zu gewinnen”); und lustig gemeintes Moderatorengefrotzel:
“Was ist denn mit dem Interview mit dem Osterhasen, das du mir versprochen hast?”
“Ich weiß, ich hab’s versprochen, aber es tut mir leid. Er lässt sich entschuldigen. Er meint, er hätte im Moment einen recht vollen Terminplan, wünscht uns aber eine tolle Sendung.”
Überhaupt: Ostern!
“Ostern steht vor der Tür. Für viele das Fest der Feste!” Weil bei “Penny live” auch “Mitarbeiter und Experten (…) ganz authentisch Hintergründe zu Ernährungsthemen oder Produkten erklären” sollen (so steht’s zumindest im Penny-Kundenmagazin “mittendrin” über “Penny live”), hat sich “unser Eigenmarkenmanager Manuel W. was Tolles ausgedacht zu Ostern”:
“Dieses Jahr hab ich mir was ganz Besonderes einfallen lassen: Ich möchte eine Oster-Schnitzeljagd durchführen und lad dazu meine ganzen Freunde und meine Familie ein und würd dann so ‘ne Art Schnitzeljagd organisieren, natürlich nur mit unseren Produkten von Douceur.”
Danach nicht elegant zum Schnitzelangebot überzuleiten, sondern sich in Likör-Weinsoße mit Kirschstückchen von “Mein Fest”, “aromatisierten Teigwaren in der 500 Gramm Packung für 1,49″ und 25 Gramm Trüffel im Glas für 4,99 Euro zu verlieren, ist natürlich unglücklich. Aber das kann sich ja noch ändern bei “Penny live”, wo außer “den schärfsten Prominews” und “taufrischen Nachrichten” auch “herzhafte Rezepttipps” laufen, z.B. von Sternekoch Philipp Vogel, der sagt, was zu Ostern schnell gekocht werden kann, wenn es “herzhaft schmecken muss”. Schinkenbraten!
“Schinken in Brotteig einpacken und im Ofen garen.”
Fertig.
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So albern das auch klingt: Im Marktradio kriegt Penny genau das hin, was im Laden immer seltener gelingt, nämlich sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. So wie man das von einem Discounter erwartet. In den “Penny live News” erklärte Geschäftsführer Jan Kunath diese Woche:
“Was im Discount nicht üblich ist, machen wir am liebsten.”
Macht die Konkurrenz halt inzwischen auch:
- Das Penny-Kundenmagazin “mittendrin” hat Konkurrent Aldi mit “Aldi inspiriert” gekontert.
- Bonus- und Sammelaktionen, wie Penny sie frühzeitig ausprobiert hat, sind in ähnlicher Form bei Lidl und Aldi angekommen.
- Und Penny mag der erste Discounter mit Brötchenknast gewesen sein – aber die Teigwarenhaftanstalt von Lidl ist doppelt so groß.
Richtig kompliziert wird es dadurch, dass Penny seit dem Neustart alle paar Monate seine Eigenmarken-Stratgie ändert. Alte Markennamen werden erst abgeschafft, dann wieder zurückgeholt und mit neuem Design ins Regal gestellt. Sieht schick aus, verwirrt aber. Nonfood-Artikel (alles, was sich nicht aufessen lässt) werden einerseits unter der Allzweckmarke Vivess verkauft, die auch Rewe nutzt. Andererseits ist gerade ein ganzer Schwung Zusatzmarken erfunden worden, mit denen alles “einfacher, übersichtlicher und attraktiver” werden soll.
“Home Ideas” ist “Die Marke für Wohlfühlen” (Haushaltswaren), “True Style” die “für den eigenen Stil” (Klamotten), “Pure Work” ist “für Selbermacher” (Werkzeug) und “For Sport” für Sportler (Klamotten und Ausrüstung), “Tec Star” ist “Die Marke für gute Unterhaltung” (Elektronik) und “Free Limit” für “alles, was Spaß macht” (Autozubehör, Büromaterial, Bastelbedarf). Der Wiedererkennungswert der neuen Logos tendiert gegen null.
Und das ist “einfacher, übersichtlicher und attraktiver”?
Kann ja sein, dass Discount doch nicht so funktioniert, wie Penny sich das ursprünglich einmal für den Neustart ausgedacht hat. Vielleicht braucht es ein Marken-Sammelsurium, weil die Kunden das vom Discount gewöhnt sind. Alles, was darüber hinausgeht, sorgt aber vor allem für Verwirrung.
In den Wochenangeboten bewirbt Penny derzeit z.B. Cola-Sechserpacks zum Sparpreis und verspricht, gratis eine von zehn Designflaschen dazu zu geben. Das konkrete Angebot ist derart mit Fußnoten, Grundpreiserläuterungen und Rabattankündigungen zugetextet, dass es gestern an der Kasse zu längeren Interpretationsdiskussionen führte:
Das ist kein Discount. Das ist bloß dämlich. Weil es gute Gründe dafür gibt, wenn etwas im Discount bislang “nicht üblich” ist – immer dann nämlich, wenn es unnötig für Komplikationen sorgt.
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Dabei geht’s doch auch einfacher! Sogar bei Penny. Es ist Mittwochmorgen, 10 Uhr, Sie hören die “News” von “Penny live”, die fast dieselben sind wie am Tag zuvor:
“Penny auf Erfolgskurs: Der beliebte Discounter konnte im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 1,5 Prozent erzielen. Das hat das Unternehmen gestern bekannt gegeben. (…)”
Weitere Nachrichten “aus Deutschland und der Welt”: Batman soll es bald als Computer-Animationsfilm geben. Und Glückwunsch, Jürgen Drews! Der “Ein Bett im Kornfeld”-Sänger wird 70. Schöne Ostern!
Fotos: Penny, Supermarktblog