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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Sieht so der Supermarkt der Zukunft aus: unsichtbar?

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Der unsichtbare Supermarkt: Abholstation auf dem Parkplatz der U-Bahn Highgate in London

Weil vielerorts gar nicht genügend Industriegebiete zur Verfügung stehen, die sich zusätzlich verschandeln lassen, indem man einen grässlichen Hypermarkt mit Betonparkplatz hineinbaut, ist die britische Supermarktkette Asda (die zu Walmart gehört) vor anderthalb Jahren kreativ geworden.

Und lässt seitdem einfach vielerorts die Supermärkte vor den Betonparkplätzen weg, wenn sie ihre Lebensmittel verkauft.

So wie oben auf dem Bild, das die Asda-Filiale im Norden Londons Norden am Rande von Hampstead Heath zeigt, wo die Leute teuer und verhältnismäßig umgrünt wohnen, aber gerne trotzdem günstig einkaufen wollen (Asda verspricht: “Saving you money every day”). Von der U-Bahn-Station Highgate führt eine lange Treppe hinunter zum Parkplatz, der mit allerlei grünen Hinweistafeln und Plakaten zugetextet ist – um Pendlern, die dort ihr Auto geparkt haben, zu signalisieren, dass sie an Ort und Stelle ihre im Netz bestellten Einkäufe abholen können.

Hier entlang zu Ihrem Online-Einkauf: U-Bahn-Station Highgate in London

Am Ende der Treppe wartet täglich der Asda-Laster auf Kundschaft

"Ready for you to collect"- Rumpelatmo auf dem Abhol-Parkplatz

Nämlich an dem kleinen Transporter, den Asda nachmittags dort auf der grünen Fläche mit den Online-Einkäufen seiner Kunden parkt. (Bei der Entstehung der Fotos hatte der Laster leider gerade Osterferien.)

Der grüne Betonfleck ist eine von sechs “Click & Collect”-Stationen, die Asda im November 2013 an U-Bahn-Stationen im Großraum London eingerichtet hat. Dafür kooperiert die Walmart-Tochter mit der Verkehrsgesellschaft Transport for London (TfL). Im vergangenen Jahr sind sechs weitere Stationen dazu gekommen – wieder auf Parkplätzen an U-Bahn-Stationen. Asda erklärt:

“We believe customers will value the convenience of collecting shopping at their home tube station rather than carrying the products bought in premium convenience stores on their commute home.”

Das heißt: Pendler sollen das, was sie die Woche über brauchen, nicht erst auf dem Nachhauseweg einkaufen, sondern bei Asda bestellen und abends bloß noch dort abholen, wo sie sowieso vorbeikommen. Bislang klappt das mit Bestellungen, die bis 12 Uhr eingegangen sind (und dann ab 16 Uhr am selben Tag im Asda-Laster bereitstehen). Die Abholgebühr beträgt 1,50 Pfund, was im Vergleich zur Zeitersparnis kein schlechter Deal ist. Und für Asda derzeit kaum rentabel sein kann.

Allerdings gewinnt Asda damit möglicherweise Kunden, die sonst niemals in einen der Hypermärkte kämen, z.B. weil die viel zu weit weg sind.

"Collect your shopping from here": Asda wirbt für Click & Collect

Durch besondere Gemütlichkeit zeichnet sich diese Art des Lebensmitteleinkaufs zwar nicht aus. Jedenfalls war bei Asda offensichtlich niemand in Sorge, dass Kunden von der Rumpel-Atmosphäre auf dem Abhol-Parkplatz, der zwischen überlaufende Mülleimer und alte Bretterzäune eingequetscht ist, abgeschreckt werden könnten.

Aber das Einkaufen bei Asda ist ja auch sonst eher kein, ähm, ästhethisches Vergnügen. Sondern was für Kunden, die sich nicht an der Mischung aus grau-beiger Ladeneinrichtung und neonfarbenen Sonderangebots-Schildern stören. Hauptsache, es kostet nicht so viel.

Günstig, aber nicht schön: Asda-Hypermarkt in London

Mit seinen unsichtbaren Parkplatz-Supermärkten richtet sich Asda also auch an Leute, die beim Einkaufen zuallererst auf den Preis schauen – anders als in Deutschland, wo die Online-Bestellung von Lebensmitteln bei Rewe oder Bringmeister im Moment eher als Service für Leute gesehen wird, die nicht so sehr darauf achten (müssen), was ihr Einkauf kostet.

Vor allem zielt “Click & Collect” aber auf Kunden, die für die Nahrungsbeschaffung weder irgendwelche überfüllten Läden aufsuchen wollen, noch die Zeit haben, sich daheim hinzusetzen, um darauf zu warten, dass die Lebensmittel vorbeigefahren kommen.

Alle großen britischen Supermarktketten bieten entsprechende Services an, Tesco, Waitrose und Ocado kooperieren für U-Bahn-Abholstationen ebenfalls mit TfL. Bislang ist der Service meist noch mit einer Abholung im Laden verbunden, so wie hier in einer Asda-Filiale im Londoner Südwesten.

Draußen gibt’s sogar eigene Abhol-Parkplätze für “Click & Collect”-Kunden.

"Drive to"-Station bei Asda in London

Und zwar direkt neben der Auslieferung der Online-Bestellungen, die Asda mit den Lastern, die nicht auf Parkplätzen herumstehen, nachhause bringt (“From our store to your door”).

Asda-Lieferwagen für Online-Bestellungen: "From our store to your door"

Laut “Retail Week” nutzen Asda-Kunden, die ihre Einkäufe an der U-Bahn abholen, den Service aber doppelt so oft wie Kunden, die dafür in den Laden kommen müssen. Außerdem bestellen die U-Bahn-Abholer mehr (im Schnitt 16 Prozent, sagt Asda).

In Deutschland haben sich die Abholservices bislang nicht durchgesetzt (siehe Supermarktblog: “Abholservices fehlt der Drive”).

Rewe konzentriert sich darauf, seinen Bringdienst in weiteren Städten zu etablieren. Und die SB-Warenhaus-Kette Globus hat im vergangenen Jahr in Gensingen einen von gerade einmal zwei Drive-Teststationen wieder dichtgemacht. Vielleicht haben die deutschen Kunden kein Interesse am Abholen. Oder die Supermärkte haben den Service bislang einfach an den falschen Stellen angeboten.

Durch die “Lebensmittelzeitung” geistert immer mal wieder die Ankündigung von Real, in diesem Jahr zwei neue “Drive”-Stationen eröffnen zu wollen – unabhängig von bestehenden Märkten. (Derzeit gibt es “Real Drive” lediglich bei zwei Filialen in Isernhagen und Berlin.) Einen Versuch wäre das allemal wert. Insbesondere, weil Real damit dieselbe Schwäche wie Asda in Großbritannien ausgleichen könnte: beide Ketten haben kaum Märkte in zentralen Lagen und könn(t)en mit einem gut funktionierenden “Click & Collect” völlig neue Kunden für sich gewinnen.

Notfalls scheint dafür ja auch ein schäbiger U-Bahn-Parkplatz am Stadtrand zu reichen.

Fotos: Supermarktblog


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