Quantcast
Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001

Das Märchen von den Billigmarken, die im Supermarkt immer ganz unten im Regal stehen

$
0
0

Es war einmal das Fernsehen, und das Fernsehen liebte es, seinen Zuschauern in schöner Regelmäßigkeit zu versprechen, die angeblich fiesesten Tricks der Supermärkte zu entlarven. Tun Sie mir einen Gefallen? Sobald Ihnen das nächste Mal einer das Märchen von den Billigprodukten erzählen will, die im Supermarkt immer ganz unten im Regal stehen, protestieren Sie bitte mit Verweis auf diesen Text.

Die Supermärkte haben inzwischen nämlich völlig unterschiedliche Strategien, wie sie ihre Discountmarken zur Abwehr von Aldi und Lidl einsetzen.

Carrefour vs. Edeka

Im vergangenen Jahr hat Carrefour seiner Billigmarke “Carrefour Discount” den Namen gestrichen. Die Konservenbohnen, die Nüsse und die Schokokekse mussten nach der Markenscheidung kurzerhand wieder ihren Mädchennamen annehmen – und heißen jetzt wie das, was in der Packung drin ist: Bohnen, Nüsse, Schokokekse. Es gibt keinen einheitlichen Markennamen mehr, auf der Carrefour-Website werden die Artikel unter dem Überbegriff “produits blancs” (“weiße Produkte”) geführt.

produitsblanc01

Was war der Grund für die Änderung? Der französische Blogger Olivier Dauvers hat festgestellt, dass Carrefour viel mehr Billigprodukte verkaufte als der Marktschnitt. Das war aber gar nicht im Interesse des französischen Marktführers. Weil sich mit Discountprodukten viel weniger verdienen lässt als mit anderen Eigenmarken oder Markenprodukten. Sie dienen bloß als Köder für Kunden, die sonst zum Discounter gingen.

Das Billigsortiment wurde daraufhin reduziert, das Carrefour-Logo gestrichen und die Verpackung noch etwas schlichter. Am Weiß ist aber weiter zu erkennen, dass die Produkte zusammengehören.

Anders als bei Edeka, der deutschen Nummer 1 im Lebensmittelhandel. Die Discountmarke “Gut & günstig” hat ihr Logo – die rote Ecke mit der bauchigen Schrift – behalten. Zusätzlich steht auf vielen Produkten schon länger Edeka als Absender (so wie bei Rewe und ja!). Der größte Unterschied ist aber, dass es keine einheitliche Gestaltung (mehr) gibt. Die Schrift ist bei jedem Produkt eine andere; viele Artikel sind genauso bunt und verspielt verpackt wie die der Mittelmarke Edeka.

gutguenstig01

Zwar sind die Preisschilder der Billigprodukte am Regal in einigen Läden rot eingefärbt, um Kunden zumindest einen kleinen Hinweis zu geben – das gilt aber zum Teil auch für Mittelmarken, die zum “Dauerniedrigpreis” angeboten werden.

gutguenstig02a

Und für den klassischen Eigenmarken-Dreisprung (Discountmarke – Mittelmarke – Luxusmarke) scheint sich Edeka auch nicht mehr zu interessieren. Geriebenen Mozzarella gibt’s als “Gut & günstig” im Kühlregal, geriebenen Gouda direkt daneben aber von der Mittelmarke Mibell (bzw. Mibell/Edeka, um die Verwirrung komplett zu machen). Edeka scheint sich keine großen Sorgen mehr zu machen, durch die fehlende Einheitlichkeit Kunden an die Discounter zu verlieren. Zur Übersichtlichkeit beim Einkaufen trägt das Design-Sammelsurium freilich nicht bei. Aber vielleicht ist das genau so gewünscht.

Kaiser’s vs. Tegut vs. Jumbo

Kürzlich war Billigmarken-Vollversammlung bei Kaiser’s Tengelmann. Zumindest wartete im Eingangsbereich des von mir besuchten Markts ein ganz beachtliches Grüppchen A&P-Produkte darauf, der Kundschaft zu demonstrieren, dass sie auch noch da sind.

aundp01

Moment mal, fragen Sie sich jetzt mit Recht: Ist Kaiser’s nicht leichtsinnig, seinen Billigmarken so eine Sonderplatzierung einzuräumen? Hinterher werden die noch gekauft – und Kaiser’s verdient kaum was dran! Nicht unbedingt. Kaiser’s wird gemeinhin eher als teuer wahrgenommen. Die A&P-Lawine dient quasi als Wink mit dem Zaunpfahl, um die eigene Preiskompetenz zu korrigieren.

Tegut geht’s ganz ähnlich. Um Kunden zu versichern, dass sie in den Läden nicht teurer einkaufen als bei der Konkurrenz, hat die hessisch-schweizerische Supermarktkette in ihren neu designten Filialen Regalenden komplett für Produkte mit dem “kleinsten Preis” reserviert.

tegutklpreis01a

Die niederländische Supermarktkette Jumbo ist in ihrem Amsterdamer Foodmarkt (den Supermarktblog-Leser schon kennen) noch einen Schritt weiter gegangen und hat endgültig vom Prinzip Abschied genommen, Billigmarken möglichst gut vor den Kunden zu verstecken. Stattdessen hat Jumbo gelbe Rahmen in die regulären Regale eingebaut, in denen Produkte mit “de laagste prijs” (dem niedrigsten Preis) stehen.

jumbo15

Es ist eine Wette darauf, dass Kunden, die sich in bestimmten Kategorien daran gewöhnt haben, die Billigmarke zu kaufen, so oder so danach greifen. Und dass es womöglich hilft, ihnen die Suche dann nicht so schwer wie möglich zu gestalten – sondern so einfach wie es geht. Damit sie beim Einkaufen Zeit gewinnen, die bleibt, um sich im ladeneigenen Bistro oder an der Feinschmeckertheke noch was zu gönnen, das womöglich ein bisschen mehr kostet.

Natürlich gibt es immer noch genügend Supermärkte, bei denen Billig weiter da einsortiert wird, wo kein Licht hinfällt. Aber nur so lange, bis den Marktleitern endlich ein Licht aufgeht.

Fotos: Carrefour [M], Supermarktblog (2-6)


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001