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So argumentiert Edeka für die Fusion mit Kaiser’s Tengelmann

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Was bisher geschah:

  • Edeka will Kaiser’s Tengelmann kaufen, um den deutschen Lebensmittelhandel – vor allem in Berlin, München und Nordrhein – noch mehr zu dominieren.
  • Das Kartellamt hat die Fusion verboten, weil es negative Auswirkungen auf die Marktmacht befürchtet.
  • Die Monopolkommission, ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung, hat sich ebenfalls gegen die Fusion ausgesprochen.
  • Zahlreiche Konkurrenten (Rewe, Tegut,Coop/Sky) haben Interesse an einer Übernahme von Kaiser’s-Tengelmann-Filialen angemeldet.
  • Edeka hat eine Sondergenehmigung beim Wirtschaftminister beantragt. Eines der Hauptargumente ist, dass zahlreiche Arbeitsplätze verloren gehen könnten, wenn Edeka die Übernahme verwehrt wird.

* * *

Das ist neu:

In den vergangenen Wochen haben sich einzelne Bundesländer für eine Fusion ausgesprochen – gegen die Bedenken der Experten.

Die Bayerische Staatsregierung erklärt (pdf): „Der Zusammenschluss der Firmen KT und Edeka ist unter den möglichen Alternativen die Lösung, die den Gemeinwohlinteressen am besten gerecht wird.“ Edeka sei „in besonderer Weise geeignet, die Nahversorgung aufrecht zu erhalten“. (Bayern ist einer der drei Standorte von Kaiser’s Tengelmann.)

Im SPD-geführten Hamburg heißt es: „Nach Auffassung der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation bietet die geplante Übernahme der Tengelmann-Filialen durch Edeka eine realistische Chance für den Erhalt von möglichst vielen Arbeitsplätzen an den einzelnen Standorten.“ (In Hamburg sitzt Edeka mit seiner Zentrale; Kaiser’s-Tengelmann-Filialen gibt es dort keine.)

Und in NRW haben SPD und Grüne erklärt, „es sei zu prüfen, die Ministererlaubnis unter Bedingungen und Auflagen zu erteilen“ (pdf). Davon hatte die Monopolkommission zuvor bereits abgeraten. (NRW ist ebenfalls einer der Standorte von Kaiser’s Tengelmann.)

Die Statements sind auch ein beeindruckender Beleg dafür, welchen Einfluss eine Supermarktkette wie Edeka mit entsprechendem Lobbyismus auszuüben vermag – wenn es gelingt, größtmögliche Angst vor einem Verlust von Arbeitsplätzen zu schüren.

* * *

So argumentiert Edeka:

Dabei sind die Argumente, die Edeka selbst für die Notwendigkeit der Fusion anführt, zum Teil kurios. Ausführlich dokumentiert sind sie im „Sondergutachten der Monopolkommission“ (pdf). Einige Auszüge:

Discounter sind für Edeka starke Konkurrenten – aber ein ganz schlechter Edeka-Ersatz

Das Kartellamt unterscheidet zwischen Discountern mit begrenztem Sortiment und Supermärkten mit umfassendem Sortiment und sieht darin unterschiedliche Märkte. Das lässt die Dominanz Edekas im Supermarkt-Bereich besonders groß erscheinen. Edeka hält das für falsch, die Sichtweise vernachlässige „die aktuelle und absehbare Entwicklung des ‚Uptrading‘ von Discountern hin zu ‚Sortiment-Discountern‘, deren Angebot sich künftig verstärkt durch Qualität und Frische sowie durch Herstellermarken auszeichnen werde.“ Ein wichtiger Punkt.

Gleichzeitig erklärt Edeka aber die Notwendigkeit einer Komplettübername von Kaiser’s Tengelmann aus, um „das qualitätsorientierte Angebot“ in der Nahversorgung zu erhalten.

„Die Übernahme von vielen [Kaiser’s Tengelmann] Filialen durch Discounter würde die Versorgungsstruktur […] verschlechtern.“

Um die eigene Marktmacht zu relativieren, kommt Edeka die Supermarkt-Entwicklung der Discounter also gerade recht. Als Alternative zu bestehenden Kaiser’s-Supermärkten sollen sie aber nicht funktionieren können.

(Interessant ist die Position auch, weil Edeka selbst erklärt hat, 84 Kaiser’s-Tengelmann-Märkte in NRW in Filialen seines Discounters Netto [ohne Hund] umzuwandeln; weil die „aufgrund ihrer Größe, Lage oder ihres Ertragspotenzials nicht für das Vollsortiment geeignet seien“, steht im Sondergutachten.)

Edeka findet, Wichte muss man übernehmen können, nachdem man sie zu Wichten gemacht hat

„Auf den Absatzmärkten stelle KT seit über einem Jahrzehnt weder gegenüber Rewe noch gegenüber Edeka eine relevante wettbewerbliche Kraft dar“,

referiert die Monopolkommission die Position von Edeka zur Marktbedeutung von Kaiser’s Tengelmann. Die Kette sei immer bloß Edeka und Rewe nachgelaufen, „habe jede Preiserhöhung dieser Wettbewerber sofort nachvollzogen und sei nicht einmal Preisfolger gewesen. Es habe die genannten Wettbewerber auch nicht im Service oder bei Sonderangeboten herausfordern können. KT sei demnach kein ‚Maverick‘ und noch nicht einmal ein ’normaler Wettbewerber‘.“

Woher kommt das?

„Es ist schmerzlich, aber wir haben es nicht mehr geschafft, die Supermärkte im harten Wettbewerb wirtschaftlich betreiben zu können“, hat Tengelmann-Chef der „Lebensmittel Zeitung“ vor einem Jahr nach Ankündigung des Verkaufs gesagt. Und einige Monate davor, als von der Fusion noch nicht die Rede war:

„Kaiser’s Tengelmann hatte in den vergangenen Jahren immer mit dem Thema Größe zu kämpfen. (…) Wir sind mit einem Umsatzvolumen von 2 Milliarden Euro sehr klein und damit im Systemwettbewerb mit den Großen der Branche benachteiligt.“

Kaiser’s Tengelmann hatte es also schwer, sich im deutschen Lebensmittelhandel zu behaupten, weil der schon auf wenige sehr große Unternehmen konzentriert ist – wie Edeka (mit einem Umsatz von über 40 Milliarden Euro).

Nachdem Edeka mit dafür gesorgt, dass sich das Geschäft für kleinere Ketten kaum noch lohnt, argumentiert der Konzern jetzt damit, dass kleinere Ketten eh nix mehr zu melden hätten, weswegen man sie auch getrost übernehmen könnte (wodurch sich die Situation für die übrig bleibenden kleineren Ketten weiter verschlechtert).

Es gibt doch genug Konkurrenz, meint Edeka (aber nicht genügend, um die Komplettübernahme zu untersagen)

„Die vom Bundeskartellamt geforderte dritte wettbewerbliche Kraft zwischen Edeka und Rewe gebe es derzeit nicht und werde es auf der Ebene des Vollsortiments auch künftig nicht geben“, argumentiert Edeka laut Monopolkommission – und sagt damit im Grunde: Hey, der Markt ist schon so hochkonzentriert, dass sich da eh nix mehr verschieben wird.

Zugleich widerspricht Edeka der Annahme des Bundeskartellamts, dass sich im deutschen Lebensmittelhandel in nächster Zeit eh nicht mehr viel verschieben wird, weil es in Städten immer schwerer werde, Genehmigungen für neue Märkte zu bekommen – und hat auch gute Beispiele parat: „die positive Entwicklung der Biomärkte in den Metropolregionen sowie den geplanten Eintritt von Kaufland in den Münchener Markt“. Die Supermärkte in den Innenstädten würden von neuen Fachmarktkonzepten und vom Online-Handel „erheblich herausgefordert“.

Das widerspricht allerdings dem Argument, Kaiser’s Tengelmann unbedingt komplett übernehmen zu müssen, weil sonst die Nahversorgung kollabiert.

Eine Zerschlagung sei schlecht für Kaiser’s Tengelmann, aber ein bisschen Zerschlagung wäre auch für Edeka okay

„Der Marktaustritt von KT sei unvermeidbar und werde mit der Gesamtübernahme am effektivsten vollzogen“, argumentiert Edeka laut Sondergutachten. Würde die Gesamtübernahme nicht genehmigt, verschwinde Kaiser’s Tengelmann trotzdem, und zwar „verlustreich“. Die komplette Übernahme werde einen „Wachstumsschub“ auslösen. Ein möglicher Verkauf einzelner Filialen an mehrere Konkurrenten hingegen sei nicht ratsam, sondern „belastend“.

Also: außer Edeka verkauft einzelne Filialen selbst. Das hat der Konzern in seinem erweiterten Zusagenangebot vom 19. März 2015 dem Kartellamt dargelegt, um die Fusion doch noch genehmigt zu bekommen. (Das Angebot lautete, 90 von 450 Filialen an andere Ketten zu verkaufen.) Der Vorschlag wurde abgelehnt.

Die Hersteller merken doch gar nix, wenn Edeka noch ein bisschen größer wird, glaubt Edeka

Kartellamt und Monopolkommission sind beide der Ansicht, dass sich die Position vieler Lieferanten verschlechtert, wenn ein Wettbewerber wie Kaiser’s Tengelmann wegfällt (auch wenn’s nur ein kleiner ist). Edeka findet das nicht: „KT stelle […] keine wichtige Absatzalternative für Hersteller dar.“ Die Ausweichoptionen der Hersteller verschlechterten sich „allenfalls marginal“. Also: außer dass sich Hersteller dann künftig besser warm anziehen, wenn sie ihre Produkte noch in Berlin und München verkaufen wollen, wo sie an Edeka kaum mehr vorbei kämen.

Edeka meint, der beste Konkurrent von Edeka ist: Edeka

Funktioniert doch, der Wettbewerb! Findet Edeka, und argumentiert, dass sich „die Wettbewerbsstruktur sogar verbessert“, wenn Edeka einen Wettbewerber vom Markt kauft. Weil Edeka sich selbst am allerbesten Konkurrenz macht:

„Wettbewerbsfördernd wirke sich auch die vorgesehene Übergabe der übernommenen Filialen an selbstständige Edeka-Lebensmittelhändler, die untereinander lebhaft konkurrierten, aus.“

Aus Sicht von Edeka bestünde der perfekte Wettbewerb für Edeka also aus: Edeka.

* * *

Sigmar Gabriel darf jetzt entscheiden, ob er das alles plausibel findet– oder wie z.B. die Landesregierungen von Bayern, Hamburg und NRW meint, es sei doch egal, wenn bloß keine Arbeitsplätze verloren gehen. Völlig unrealistisch scheint eine Genehmigung, anders als zuletzt angenommen, jedenfalls nicht mehr zu sein.

Foto: Supermarktblog


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