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Was Kunden insgeheim über Kaugummi und Tiefkühl-Pommes denken (und wie das Ihr Leben verändern wird)

Weil sich Kaugummi nicht mehr so gut wie früher verkauft, hat der Hersteller Wrigley mit der „größten Impulsivitätsstudie seiner Firmengeschichte“ in die Köpfe seiner Kunden reingeguckt und festgestellt, dass dort alles Mögliche drin ist. Nur kein Kaugummi. „Kaugummi steht als Impulsprodukt nicht auf der Einkaufsliste des Shoppers“, hat das Unternehmen festgestellt. (Potzblitz!) Und sich einen Trick ausgedacht, wie sich das ändern ließe. Wenn der Kunde nicht zum Kaugummi kommt, muss der Kaugummi halt dort warten, wo ihm der Kunde nicht ausweichen kann.Image may be NSFW.
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Deshalb sollen Supermärkte demnächst, wenn’s nach den Wrigley-Spezialisten geht, nicht nur an der Kasse, sondern auch an anderen Stellen im Markt Hindernisse mit Kaugummi-Inhalt aufstellen, damit die Leute drüber stolpern und dabei aus Versehen ein paar Packungen Orbit, Airwaves oder 5Gum in den Einkaufswagen reißen.

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Wobei die Hindernisse natürlich nicht „Hindernisse“ heißen, sondern „Service-Modul (…), das neben der Platzierung von Kaugummi mit integrierter Korbstation einen bequemen Mehreinkauf über die Kategorie Kaugummi hinaus ermöglicht“.

Übersetzt für alle, die nicht Pressesprecherisch beherrschen, heißt das: Wrigley schenkt Supermärkten Gestelle, in denen unten Einkaufskörbe gestapelt werden können und oben das Wrigley-Kaugummisortiment drinhängt, und die bestenfalls mitten im Laden stehen, falls dort noch jemand einen Korb braucht, weil er ein bisschen mehr einkaufen will.

Also ungefähr so wie die Dinger, die bei Rewe schon rumstehen, bloß ohne lästige Kaugummi-Werbung:

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Weitere Erkenntnisse sind:

1. Ab der Mitte des Einkaufs wünschten sich Kunden „Inspiration“, deshalb hat Wrigley Behäl… – Pardon: „Service-Module“ entwickelt, in die Kochrezepte gelegt werden können, zum Beispiel an der Fleischtheke. Mit integrierter Kaugummi-Auslage, versteht sich, weil: nichts wünscht sich der Kun… – Pardon: „Shopper“, sehnlicher, als beim Rindsrouladenvorbestellen schon an den frischen Atem danach zu denken.

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2. Weil Wrigley zufolge in Kühlabteilungen selten Kühltaschen angeboten würden (sondern immer erst an der Kasse), gibt’s außerdem ein, Sie ahnen’s, „Service-Modul mit Kühltaschenstation und integrierter Kaugummi-Platzierung“ (ohne Abb.). Die Kaugummi-Platzierung in der Kühlabteilung findet Wrigley: „optimal“.

Und weil wir gerade schon beim Frösteln sind: Der Tiefkühl-„Markt- und Innovationsführer“ McCain hat ebenfalls eine große „Shopper-Studie“ in Auftrag gegeben, speziell um zu erfahren, was Sie und ich über „TK-Kartoffelprodukte“ denken. Die Ergebnisse werden Sie umhauen:

Kunden kaufen am ehesten „TK-Kartoffelprodukte“, „wenn die Truhen bzw. Schränke übersichtlich und stets gut sortiert sind“. Im Schnitt benötigen Kunden 28 Sekunden für den Kauf eines „TK-Kartoffelprodukts“. Die Leute mögen’s, wenn an den Truhen dransteht, was die Produkte kosten. Die Leute mögen’s nicht, wenn Produkte, die an der Truhe dranstehen, nicht drinliegen. Und Pommes frites platziert man als Supermarkt am besten an den Anfang einer Truhenreihe, weil die am wichtigsten sind. „Darauf folgen optimaler Weise Kartoffelspalten, Bratkartoffeln, besondere Kartoffel-Formen, Kroketten, Rösti, Kartoffeltaschen, Kartoffelpuffer und Kartoffelklöße“.

(Hätten Sie auch nicht gedacht, dass Kroketten bei der Wichtigkeit so abschmieren, oder?)

Womöglich wissen das die Supermärkte aber auch schon selbst:

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(Argh, Kroketten an Platz 2!)

Jedenfalls: Wrigley hat für seine Untersuchung zwölf Wochen das Einkaufsverhalten von Kunden in 50 Märkten untersucht, und dort seine „Service-Module“, die laut „Lebensmittel Zeitung“ mehrere Millionen Euro kosten sollen, an 13 verschiedene Stellen geschoben. McCain hat über 1000 Kunden befragt und per Video analysieren lassen, um Offensichtlichkeiten rauszukriegen.

Aber keines der beiden Unternehmen scheint drauf gekommen zu sein, dass es sich lohnen könnte, stattdessen einfach Produkte zu entwickeln, die die Kunden auch tatsächlich kaufen wollen, und nicht bloß weil sie in einer bestimmten Reihenfolge liegen oder sie ihnen permanent aufgedrängt werden.

Dass es für Markenhersteller schwierig ist, dagegenzuhalten, wenn Supermärkte und Discounter ihre Eigenmarken stetig verbessern und schöner verpacken, ist klar. Aber wie gigantisch die Ratlosigkeit bei manchen Unternehmen tatsächlich ist, liegt jetzt erstmals in Studienform vor.

Und Sie wollen bestimmt noch wissen, wie das jetzt Ihr Leben verändert. Ganz einfach: gar nicht.

Fotos: Wrigley, Supermarktblog

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