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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Eigenartig eigenmarkig: Pennys Aufwärmmarke „heat & eat“ und Lidls erster Verpackungsroman

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Ofen, 190°: 25-30 Min.; Microwelle, 700 W: 2 Min.; Microwelle: 600 W: 50 Sek.

So lauten die Warmmachanleitungen der neuen Penny-Eigenmarke „penny heat & eat“, die vorne auf der Verpackung in einem hellblauen Kasten mit weißer Schrift stehen und dem hungrigen Kochverweigerer von minimaler Aufenthaltsdauer in der heimischen Küche künden. Anderthalb Jahre ist es her, dass sich Penny neue Fantasienamen ins Kühlregal geholt hat, obwohl kurz zuvor noch ein ganzer Schwung entsorgt worden war. Die Eigenmarkenmauser sei „ein fortlaufender Prozess“, erklärte das Unternehmen damals (siehe Supermarktblog).

Jetzt hat der Rewe-Discounter schon wieder eine Neue! Sie heißt „penny heat & eat“, mag’s gerne kühl im Regal und ähnelt, nicht nur weil sie klein geschrieben wird, der großen Schwester „penny to go“.

Dabei hat der Rewe-Discounter nicht urplötzlich eine neue Leidenschaft für Fertigessen entdeckt: Die meisten Produkte gab’s auch vorher schon. Bloß unter anderen Namen. Neu sind (mal wieder) das Design und der auffällige Hinweis vorne auf der Packung, an welches Gerät der Inhalt zum Aufwärmen delegiert werden muss. Das ist an sich keine blöde Idee. Blöd ist nur, dass Penny damit weiter zur Kundenverwirrung beiträgt.

Die Älteren unter Ihnen werden sich erinnern: Als rechtzeitig zum (Design-)Neustart die „Bunte Basics“-Eigenmarke eingeführt wurde, hieß z.B. die „Orto Mio“-Lasagne Bolognese im Kühlregal bloß noch „Penny“-Lasagne, allerdings nur bis zum Start der neuen Italien-Eigenmarke im September 2014, die sie zur „San Fabio“-Lasagne verwandelte, allerdings nur bis zum Start der neuen Aufwärmmarke jetzt, wegen der die verdammte Lasagne nun „penny heat & eat“ heißt.

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(Genau genommen ist es nicht exakt dasselbe Produkt: die neue Lasagne hat anders als bisher einen „extra Käsebeutel“; nein, ich möchte das nicht näher ausführen.)

Wer genau hinsieht, entdeckt auf der Packung außerdem den Hinweis, dass besagte Delikatesse exakt von der Fantasiemarke empfohlen wird, deren Namen sie bei der Eigenmarken-Neuverheiratung gerade erst abgelegt hat („San Fabio empfiehlt“).

Dasselbe gilt für den frisch vermählten Fertigpizzateig:

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Hot Dogs und Burger hingegen werden nicht empfohlen, sondern sind „powered by Mike Mitchell’s“, der Penny-Fantasiemarke, unter der sie bisher zu haben waren.

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Dass die kecken Fotos auf der Packung mit dem Inhalt soviel gemein haben wie ein Discounter mit einem Delikatessladen, ist nicht weiter tragisch: Für Produktabbildungen wird Penny ohnehin keinen Platz mehr haben, wenn in wenigen Monaten die nächste neue Eigenmarke ins Kühlregal einzieht und eine ganze Liste von Altnamen auf die Packung kommen: „powered by penny heat & eat von San Fabio empfiehlt“, oder so.


Bis zur Buchmesse ist’s noch ein Weilchen hin, aber Lidl hat gerade seinen ersten Roman veröffentlicht. Auf der Verpackung seines Bio-Apfelsafts.

Seit einem Jahr lässt Lidl bekanntlich die bisherige Bio-Eigenmarke „Biotrend“ aus den Regalen verschwinden und die Produkte anschließend von den bekannteren Eigenmarken der konventionellen Pendants adoptieren (z.B. „Milbona“ für Milchprodukte; achten Sie mal drauf: viele Lidl-Eigenmarken heißen wie Charaktere aus einer abgesetzten brasilianischen Telenovela).

Nach und nach bekommen die Artikel auch ein neues Design, das die von Lidl beauftragte Agentur bei einem Alkoholexzess auf einer 80er-Jahre-Party entwickelt haben muss, weswegen Saft und H-Milch im Tetrapak jetzt mit dunklem Kartonimitat bedruckt sind, um total ökologisch auszusehen. Der eigentliche Schocker ist aber nicht der Verpackungsklischee-Hintergrund – sondern das, was drauf steht: ein Roman eben.

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  • Acht Zeilen,
  • fünf Schriften,
  • zwei Logos,
  • zwei Siegel,
  • eine Produktabbildung
  • und ein Grafikelement

haben die Designer in erdig-grüner Farbgebung auf den schmalen Karton gepresst, damit auch ja kein Kunde auf einen Blick erkennen kann, was er da kauft (außer vielleicht: ein gutes Gefühl).

Aus dem „Bio“-Schriftzug wächst ein kleines Bäumchen als i-Punkt, obendrüber franst der Hintergrund bis zum „Solevita“-Eigemarkenlogo (mit größerem Bäumchen) in Schraffur aus, untendrunter steht noch, was Bio auf Englisch heißt („Organic“) – in Schreibschrift mit Kringel-O, und für die 100%-Direktsaftangabe am unteren Rand formt sich das Prozentzeichen zum naturtrüben Safttropfen.

Wundern Sie sich nicht, falls Sie dieses Kunstwerk beim Einkaufen nicht zu Gesicht kriegen: Der Saft ist vermutlich palettenweise von Verpackungsdesign-Hochschulen weggekauft worden, die ihren Studenten möglichst praxisnah demonstrieren wollen, wie sie ihre Arbeit später auf keinen Fall erledigen sollen.


Aber das hat der (mir) unbekannte Design-Desperado vermutlich auch zu hören bekommen, bevor er für die Penny-Eigenmarke „Petit Paris“ dieses tolle Seitensichtfenster in Schnurrbartform auf die Weichkäse-Verpackung geschmuggelt hat. Und das ist, man kann’s nicht anders sagen, nun wirklich: genial.

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Fotos: Supermarktblog


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