Zur Sicherheit steht draußen noch mal dran, was drin ist: „Food Market“. Kennt ja sonst kein Mensch, dieses – Aldi. Nicht in Kalifornien jedenfalls, wo der deutsche Discounter am Donnerstag seine ersten Filialen eröffnet hat, unter anderem in Palm Springs und Moreno Valley (in der Nähe von Los Angeles). Der Preissegen scheint sich vorher aber rechtzeitig herumgesprochen zu haben. Auf den Bildern in den lokalen Medien wickeln sich jedenfalls lange Schlangen um den Block, und glückliche Kundinnen fischen riesige verpackte Schinken aus der Tiefkühltruhe.
Dabei will der Schock nach so einem Einkauf erstmal verkraftet sein:
- Nein, bei Aldi packt einem an der Kasse kein freundlicher Mitarbeiter die Sachen in die Einkaufstüte!
- Ja, dafür gibt’s lustiger „doppelganger versions“ von bekannten Markenprodukten, die direkt neben ihren Vorbildern stehen, aber nur die Hälfte kosten.
- Sicher, da sind ein paar ganz üble Verpackungskopien dabei.
- Ja, das ganze Zeug steht auf Paletten und wird in Boxen ins Regal geschoben, damit Aldi sich die aufwändige Einräumerei spart.
- Und nein, den Einkaufswagen kann man nicht einfach an der Kasse stehen lassen, sondern muss ihn selbst zurückbringen, weil man sonst nämlich nicht seine 25 Cent zurückkriegt, die man vorher reingeschoben hat.
Das Einkaufswagen-Pfand scheint eine der größten Revolutionen zu sein, die der deutsche Discounter in den sonnigen Westen exportiert hat. Und eine der erklärungsbedürftigsten. Deshalb haben Mitarbeiter vor der Eröffnung prompt Münzen an die anstehenden Erstkunden verteilt, berichtet „The Orange County Register“ (mit Fotobeweis). Und liefert gleich die Bedienungsanleitung dazu:
„Sie stecken einen Vierteldollar in den Schlitz, um den Wagen freizugeben. Wenn Sie die eingekauften Lebensmittel rausgenommen haben, schieben Sie den Wagen zurück vor den Laden, um Ihren Vierteldollar wiederzukriegen. Dafür müssen Sie den Metallverschluss mit einem anderen Wagen verbinden. Klingt kompliziert?“
Ja, klingt kompliziert. Ist aber lernbar. (Zumal die Einkaufswagenchip-Industrie sicher bereits vielversprechende Exportmöglichkeiten für ihr Produkt wittert.)
Aus deutscher Sicht ist es etwas ärgerlich, dass sich Aldi in den USA deutlich mehr Mühe mit dem Design seiner Läden zu geben scheint. In Sachen Schlichtheit halten sich die Unterschiede zwar in Grenzen, zumindest bleibt Aldis Edel-Discount vorerst den Australiern vorbehalten. Aber vielleicht sind auch bloß die Palmen in der näheren Umgebung schuld, dass „Aldi Food Market“ in Palm Springs ein bisschen cooler aussieht als in „Aldi“ in Oer-Erkenschwick.
#Aldi in Palm Springs ready to open. Line around the corner. @TDSskip @cordeliciousCA @PSpringsChamber pic.twitter.com/8HBr6n2YUo
— Skip Descant (@TDSskip) 24. März 2016
Drinnen machen die Läden wegen der erdigen Farbgebung einen minimal freundlicheren Eindruck als ihre deutschen Pendants. Mit höchstens 1400 Quadratmetern sind sie nur ein Fünftel so groß wie viele amerikanische Supercenter. Obst und Gemüse ist – anders als in der Aldi-Heimat – nicht vorgepackt und liegt lose im Regal. Aldi will ja nicht dieselben Fehler machen, wegen denen vorher schon die Konkurrenz gescheitert ist.
Tesco hat über viele Jahre versucht, seinen Billig-Ableger Fresh & Easy in Kalifornien zum Erfolg zu führen – und vor zweieinhalb Jahren den Stecker gezogen, weil die Umsätze nicht gestimmt haben. (Und die Leute skeptisch waren, ob in Plastik einzellophaniertes Obst und Gemüse wirklich genauso frisch und lecker sein kann wie loses.) Ende des vergangenen Jahres hat auch die Lebensmittelkette Haggen ihre kalifornischen Läden geschlossen, weil die Kunden mit den Preisen nicht einverstanden waren.
#Aldi food stores opens 8 locations in So#California marketplace today including this one in #Fontana pic.twitter.com/Belc6dgDRi
— Neil Nisperos (@ReporterNeil) 24. März 2016
Um das besser zu machen, muss der neue Herausforderer ja bloß seinem bekannten Konzept treu bleiben und verspricht deshalb:
„Impressively High Quality at Impossibly Low Prices“.
Die acht neuen Läden sind erst der Anfang. Bislang betreibt Aldi unter seinem Namen etwa 1500 Filialen, vornehmlich im Osten der USA. Jetzt folgt der Westen: Bis Ende 2016 sollen in Kalifornien 45 neue Läden geöffnet sein, insgesamt soll es innerhalb von fünf Jahren 650 Neueröffnungen geben.
Eine Besonderheit ist, dass Aldi damit in direkte Konkurrenz zu einem Wettbewerber tritt, der genauso gut weiß, wie Discount richtig funktioniert, nämlich: Aldi.
Während die Stores mit dem bekannten Logo zu Aldi Süd gehören, ist Aldi Nord mit Trader Joe’s schon sehr viel länger in den USA vertreten und kommt auf über 450 Läden, viele davon in Kalifornien. In Palm Springs sind die Läden der beiden Ketten gerade mal vier Autominuten voneinander entfernt. Diese Doppelexpansion ist ungewöhnlich für Aldi, das nicht nur Deutschland, sondern auch den Rest der Welt bekanntlich sauber zwischen der Nord- und Süd-Gesellschaft aufgeteilt hat, damit sich die Discountimperien der Gründer nicht gegenseitig im Weg stehen.
Möglicherweise ist der amerikanische Markt schlicht groß genug, um Wettbewerbern gleich mit zwei Aldis Marktanteile abzujagen. Wenn das Erfolg hat, wird’s allerdings interessant sein, ob die scharfe Gebietstrennung auch anderswo lockerer gehandhabt wird.
Oer-Erkenschwicker, macht Platz für einen Trader Joe’s!