Aus diesem Blog wissen Sie’s sicher nicht, aber garantiert aus einem der drölfzigtausend anderen Texte, die in den vergangenen Wochen während meiner feriell bedingten Abwesenheit dazu im Netz erschienen sind: Aldi macht jetzt auch in Deutschland Plakat- und TV-Werbung. Und zwar so langweilige, dass sich Branchenexperten und Kunden gleichermaßen fragen: Wozu eigentlich?
Der geschätzte Kollege Santiago Campillo-Lundbeck von „Horizont“ hat eine Art Erklärung:
„Aldi hat sich (…) für eine Strategie entschieden, mit dem Schwerpunkt seiner Kampagne den kreativen Mainstream anzusprechen (…).“
Eine höflichere Umschreibung der Müdigkeit, die Betrachter der Motive augenblicklich übermannt, fiele mir auch nicht ein. Richtig ist jedenfalls die Analyse, dass Aldi in vielen anderen Ländern als frecher Herausforderer im Markt antritt – während der Discounter in Deutschland seit Jahren etabliert ist und deshalb eher keine lustigen Vampire einsetzt, um neue Kunden von sich zu überzeugen. Dem Discount-Marktführer geht es eher darum, sein Image zu festigen als ordentlich auf die Pauke zu hauen. (Berichtet wird ja trotzdem.)
Der öde TV-Spot ein Mittel, auf die Initiativen der Konkurrenz – allen voran Lidl – zu reagieren, und ein Zeichen zu setzen, dass Aldi verstanden hat, mit der Zeit gehen zu müssen.
(Die Einfach-Prinzip-Erklärvideos auf Youtube sind zum Teil deutlich klarer und flotter.)
Warum deshalb Motive und Werbebotschaften (entwickelt von Ogilvy Düsseldorf und Oliver Voss) durchgewunken wurden, die nicht nur handwerklich mangelhaft und irreführend sind, sondern zum Teil auch falsch, erschließt sich mir allerdings nicht.
Im TV-Spot erzählt ein Junge aus dem Off zum Beispiel, dass er „die Erwachsenen“ nicht versteht, und plädiert passend zum Aldi-Werbeclaim „Einfach ist mehr“ für Unkomplizierheit:
„Wir brauchen keinen Supermarkt, der so groß ist, dass ihr euch nicht entscheiden könnt. (…) Wählt doch einfach das Richtige und befreit euch vom Rest.“
Klingt gut, aber wie passt das dazu, dass Aldi (Süd und Nord) seit einiger Zeit daran immer größere, wuchtigere Filialen bauen, um dort immer mehr Produkte unterzubringen, die dazu führen, dass sich die Kunden zwischen ihnen entscheiden müssen? Gar nicht.
Auf Plakaten erklärt Aldi sein Einfach-Prinzip mit einem Augenzwinkern wie folgt:
„Einfach, weil es keine rechtsdrehende Pasta aus dem Himalaya gibt, sondern Spaghetti.“
Kapiert. Bei Aldi gibt es keinen Quatsch, jedenfalls nicht im Nudelregal. Für andere Sortimente scheint das allerdings nicht zu gelten, denn rechstdrehendes Salz aus dem Himalalya hatte der Discounter mindestens 2011 und 2013 als Aktionsartikel im Sortiment. In vier Geschmacksrichtungen! Salz!!! Hätte auch die Werbeagentur nach einmal Googeln merken können, war aber vielleicht egal.
„Einfach, weil man für dreilagiges Klopapier nicht vier Lagen Scheine hinlegen muss.“
Richtig, aber was genau daran haben wir Aldi zu verdanken? Und warum zur Hölle hat der Junge auf dem Plakatmotiv sich in Toilettenpapier eingewickelt? Der allerdümmste Spruch ist aber womöglich dieser:
„Einfach, weil man keine 10 Zitronen-Sorten braucht, sondern einfach nur Zitronen.“
Mal abgesehen davon, dass sich das doppelt ungelenke „einfach“ liest, als sei der Satz erfolgreich vor dem Korrektorat geflohen: Können Sie mir ganz spontan sagen, wann Sie das letzte Mal im Supermarkt vorm Zitronenregal gestanden und leise in sich hinein geflucht haben, weil sie überlegen mussten: Mist, was soll ich bloß kaufen – die sri-lankischen Schmalzitronen, die extra-saftigen Pummelzitronen aus Rumänien oder die aus Übersee eingeschifften Blauschimmel-Zitronen? Lassen Sie mich raten: noch nie.
Kurz gesagt: Aldi wirbt damit, Probleme zu lösen, die Kunden überhaupt nicht haben.
Niemand in diesem Land wird arm, wenn er dreilagiges Toilettenpapier kaufen muss, egal in welchem Laden. Die Pasta-Auswahl ist selbst im Discounter inzwischen riesig. Und Zitronen gibt’s auch in zahlreichen Supermärkten gespritzt oder in Bio-Qualität – das andere sind Limetten, verdammt!
Nicht ihre Biederkeit ist das eigentliche Problem der Einfach-ist-mehr-Auftaktkampagne. Sondern dass Aldi damit – anders übrigens als die albernen, angriffslustigen „Like Brands“-Spots im Ausland – weit entfernt der eigenen Stärken, die es ja tatsächlich gibt, um Aufmerksamkeit buhlt. Ich hätte auch nicht gedacht, sowas mal über Aldi zu schreiben, aber bei dieser Kampagne passt’s: Schade um das rausgeworfene Geld.
Titelfoto: Supermarktblog, Werbemotive: Aldi