Beim Drogerie-Marktführer dm ist man stolz, anders zu sein als die meisten Handelsketten und verspricht Kunden maximale Transparenz. Zum Beispiel mit dem „dm-Dauerpreis“: Produkte haben in allen Läden denselben Preis, dasDatum der letzten Erhöhung wird am Regal und in Aushängen bekannt gemacht. Sonderpreise gibt es nicht. (Außer bei Neueröffnungen und wenn Produkte aus dem Sortiment gestrichen werden.)
„Wir möchten, dass unsere Kunden dann ihr Shampoo kaufen, wenn sie es brauchen. Und nicht, wenn wir ein Aktionsschild in den Laden hängen“,
erklärt dm das Prinzip in einem Video und verspricht zugleich, „immer der günstigste Anbieter vor Ort“ sein zu wollen bzw. „das Beste für unsere Kunden herauszuholen“.
Notfalls auch, indem die eigenen Mitarbeiter zum Einkaufen bei der Konkurrenz geschickt werden.
Der „Focus“ berichtet in dieser Woche über konkrete Anweisungen aus der dm-Zentrale, Produkte zu niedrigen Preisen bei Wettbewerbern wie Rossmann einzukaufen. Die arbeiten nämlich regelmäßig mit Sonderpreisen, um Kunden in ihre Läden zu locken.
Dem Magazin zufolge hat die dm-Abteilung Marketing+Beschaffung sogar eindeutige Empfehlungen erarbeitet, wie sich die dm-Mitarbeiter während Ihres Einkaufs auf feindlichem Drogerieterritorium verhalten sollen:
„Kaufen Sie die Regale nicht komplett leer.“
„Nutzen Sie 10% Coupons der Mitbewerber.“
„Der Einzelbon darf die Höhe von 150€ nicht überschreiten.“
„Verhalten Sie sich wie ein normaler Kunde.“
Es scheint sich dabei nicht um einen schlechten Scherz zu handeln, denn „Focus“ hat sich von Christoph Werner, Sohn des Drogerieketten-Gründers und Geschäftsführer Marketing+Beschaffung bestätigen lassen, dass dm das für eine ganz normale Praxis hält:
„Wir stellen unseren Kolleginnen und Kollegen in den Märkten Informationen zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen, die günstigste Einkaufsquelle für ihren Markt zu nutzen.“
Indirekt erklärt Werner damit das „Dauerpreis“-Modell von dm für Unfug. Weil die Kunden sich eben nicht darauf verlassen können, dort immer so günstig einkaufen zu können, wie ihnen das suggeriert wird. Sonst bräuchten dm-Mitarbeiter ja nicht zur sanften Plünderung bei der Konkurrenz geschickt werden.
Damit diese Strategie für die Karlsruher Niedrigpreisspezialisten auch zukünftig ein lohnendes Geschäft bleibt, sind allerdings einige Zusatzhinweise von Nöten, die von der Abteilung Marketing+Beschaffung baldmöglichst in die Mitarbeiteranweisung eingearbeitet und im Intranet zur Verfügung gestellt werden sollten. Damit bei dm niemand aus Versehen den Preis-Tricks der Rossmann-Kollegen erliegt.
1. Lassen Sie sich keine überhöhten Ersparnisse vorgaukeln!
Sonderangebote in the Rossmann shelf appear cheaper than they are. Damit Kunden im Laden sofort von den Angeboten angesprungen werden, die sie hergerufen haben, heftet ihnen Rossmann Preisschilder mit kleinen roten Rahmen und dem Signalhinweis „WERBUNG“ ans Regal. Darauf steht links neben dem Angebotspreis in vielen Fällen der sehr viel höhere „UVP“-Preis.
Zum Beispiel beim Waschmittel (zum Vergrößern anklicken):
Oder beim Deo:
„UVP“ ist aber bloß die „unverbindliche Preisempfehlung“ des Herstellers. Und nach der richtet sich Rossmann sonst so gut wie gar nicht, sondern bietet die Artikel – wegen des harten Konkurrenzdrucks – auch regulär günstiger an. Der „UVP“ auf dem Sonderangebots-Schild suggeriert angebotsunerfahrenen dm-Mitarbeitern also, sehr viel mehr Geld zu sparen als das tatsächlich der Fall wäre, wenn sie den Artikel stattdessen in einer anderen Woche zum Rossmann-Normalpreis kaufen würden! Fies.
2. Originalpreis-Check nicht vergessen!
Damit nicht das große Umsteck-Chaos ausbricht, schieben Rossmann-Mitarbeiter die (größeren) Sonderangebots-Preisschilder direkt vor die (kleineren) Normalpreis-Schilder. Wenn undercover einkaufende dm-Mitarbeiter wissen wollen, wie groß die Ersparnis tatsächlich ist, sollten Sie deshalb nachsehen.
Hier zum Beispiel: Die Dr.-Best-Polimed-weich-Zahnbürste kostet diese Woche im Rossmann-Sonderangebot 2,29 Euro (UVP: 3,29 Euro). Und in ein paar Tagen dann wieder – 2,35 Euro. Wer jetzt zuschlägt, spart also gerade mal: 6 Cent.
Allerdings: Beim Duschgel auch!
Macht dann schon zwölf. Das ist den Aufwand, plündernd bei der Konkurrenz einzufallen, doch wirklich wert.
3. Überprüfen Sie, was „WERBUNG“ tatsächlich bedeutet!
Bei Eigenmarken kann Rossmann keinen „UVP“ angeben, deshalb steht auch keiner auf rotgerahmten „WERBUNG“-Preisschildern. Sondern eben nur der vermeintliche Aktionspreis. Der aber nicht zwangsläufig eine Ersparnis bedeuten muss. Schauen Sie mal, was die leckeren Babydream-Gläschen kosten, wenn sie keinen roten Rahmen haben. Ach, so ein Zufall: dasselbe.
„WERBUNG“ heißt für Rossmann also offensichtlich: Dieses Produkt ist im Wochenprospekt oder sonstwo abgedruckt – schau’n Sie halt selbst nach, ob es tatsächlich günstiger ist.
Nein, liebe dm-Mitarbeiter: keine falsche Scheu. Dass nach ihrer Einkaufstour im Zweifel dann Rossmann-Eigenmarken im dm-Regal stünden, fiele bestimmt nicht weiter auf und wäre bloß der nächste logische Schritt anstatt sich mit der Herstellung eigener Eigenmarken zu belasten.
Wenn dm-Mitarbeiter diese einfachen Zusatzregeln beachten, steht einer erfolgreichen Regalauffüllung des eigenen Markts so gut wie nichts mehr im Wege. (Außer vielleicht dem Mitleid der Kollegen.) Gern geschehen!
(Und falls Sie weder bei dm noch bei Rossmann arbeiten, sondern bloß Kunde sind, wissen Sie jetzt immerhin, dass die Preisstrategien im deutschen Drogeriehandel ein ziemlicher Murks sind.)
Fotos: Supermarktblog