„Einmal hin, alles drin“, verspricht Real seinen Kunden in der Werbung. Die riesige Markthalle Krefeld könnte sich dem problemlos anschließen. Macht sie aber nicht. Auf Plakaten und in Wochenprospekten steht stattdessen die Verheißung: „Das Gute leben“. Das passt zum edlen Ladenkonzept und dem schick inszenierten Gastronomie-Schwerpunkt. Es ist aber auch ein Strategieschwenk um 180 Grad, ein radikaler Bruch mit allem, wofür Real bisher stand. Und ein Riesenproblem.
Über Jahre hat sich Real aufgeführt wie der seltsame Onkel, der sein Leben lang zu geizig war, sich was zu gönnen, immerzu Preise gedrückt und Sonderkonditionen ausgehandelt hat; plötzlich fährt er Champagner-schlürfend im Ferrari vor und hält Vorträge über den Genuss von Dry Aged Beef.
Als seltsamer Onkel hätte Real bloß Midlife Crisis, als Supermarktkette allerdings ein Glaubwürdigkeitsproblem. Weil sich das Markthallen-Konzept nun an eine völlig andere Zielgruppe wendet, die von Real bislang weitgehend ignoriert wurde.
Real rutscht an den Rand
Noch im Herbst 2013 hat die Kette die Zweit-Billigmarke „Ohne Teuer“ erfunden, um Kunden anzulocken, die noch günstiger kaufen wollten als beim Discounter. Drei Jahre später bittet dasselbe Unternehmen seine Kundschaft nun an die Austernbar. Gestern billig und heute edel – das ist ein gewaltiger Sprung. Zumal die Real-Geschäftsführung Lieferanten und Mitarbeitern zuletzt zahlreiche Zugeständnisse abgerungen hatte, um das Überleben des Unternehmens zu sichern, das jetzt mit Luxus-Supermärkten Karriere machen möchte.
Das lässt sich als radikale Änderung werten, die zwingend notwendig ist, um die Kette im letzten Moment vor dem endgültigen Ausverkauf zu bewahren. Oder als strategischer Leichtsinn.
Dass Real sich stärker als bisher verändern muss, um weiter existieren zu können, steht außer Zweifel. Das in Krefeld präsentierte Konzept ist aber keines, das sich so leicht auf alle bestehenden Filialen übertragen lassen wird, selbst wenn Metro die nötigen Investitionen dafür zur Verfügung stellt.
Möglicherweise ist das aber auch gar nicht geplant.
„Am Ende müssen wir auch überlegen, ob der Name Real dazu noch passt“, erklärte Geschäftsführer Patrick Müller-Sarmiento bei der Ankündigung des neuen Konzepts. Tatsächlich haben sich die Manager dazu entschlossen, die Neueröffnung als „Markthalle Krefeld“ an den Start zu bringen, deren Logo ein bisschen nach Kooperation aus Galeria Kaufhof (wegen des Grüns) und SuperBioMarkt (wegen der gemopsten Marktstand-Markise) aussieht. Der Real-Schriftzug steht nur noch verschämt am unteren Rand und ist nicht mal so recht als Absender erkennbar. Außerdem ist der charakteristische Komma-Strich (,-) weggefallen. Im Wochenprospekt ist auf 48 Seiten – außer ganz klein auf dem Titel – keine Rede mehr von Real.
Ein Ende mit Austern?
Im Grunde bedeutet die Markthalle Krefeld den ersten Schritt zur Selbstabschaffung der bisherigen Marke. Vorausgesetzt, das Konzept ist erfolgreich, kann Metro aufatmen und alle Märkte, die sich für das Konzept eignen, entsprechend umbauen.
Die Frage ist bloß: Was passiert mit dem Rest? Mit Filialen, die zu alt sind, zu klein oder in einer Umgebung liegen, in der die Zielgruppe für einen Erlebnis-Supermarkt im Industriegebiet überschaubar ist? Schrumpft sich Real mit dem „Markthallen“-Konzept dann weiter gesund, bis nur noch eine Handvoll Märkte übrig bleiben und überlässt den Rest der Konkurrenz? Gut möglich.
Fakt ist: Das Markthallen-Konzept ist keine ausreichende Antwort für die Konzeptkrise der SB-Warenhauskette, nicht jedenfalls in ihrer jetzigen Form. In jedem Fall scheint sie aber das Ende von Real zu sein. Die Frage ist nur, ob es eines mit Austern wird. Oder mit Schrecken.
Mehr zur Markthalle gibt’s hier beim Ladenrundgang.
Prospekt: Real, Fotos: Supermarktblog