Der Entschnörkelungsbeauftragte von Rewe lässt sich nicht hetzen: Nach seinem Amtsantritt im vergangenen Frühjahr hat er sich mit Rewes Mittelmarke „Beste Wahl“ zusammengesetzt und ganz sanft deren Selbstfindungsprozess eingeleitet. Kurze Zeit darauf waren erste Anzeichen der Veränderung in der Tiefkühltruhe zu begutachten. Alles begann: mit einem Blob.
Nein, nicht dem aus dem Weltall (der ist bekanntlich kälteallergisch). Sondern dem roten Blob auf den umgestalteten Tiefkühlpizza-Verpackungen, den sich die Mittelmarke als neues Erkennungszeichen zugelegt hat (siehe Supermarktblob – äh: …blog). Seit einigen Monaten ist das Logo nun endgültig schnörkelfrei und sieht so aus:
Der Wandelungsprozess allerdings kann keinesfalls als abgeschlossen betrachtet werden – und dürfte wohl auch noch eine Weile dauern.
Denn Rewe gestaltet derzeit sämtliche Verpackungen seiner Mittelmarken-Produkte neu und tauscht dabei nicht nur das Logo aus, sondern schafft auch das bisherige Einheits-Design ab. Das bedeutet: Saft, Marmelade und Kartoffelchips teilen sich nicht mehr ein- und dieselbe Schrift und Gestaltung, sondern dürfen jeweils das anziehen, was zu ihnen passt, um „beste Qualität zum besten Preis“ zu bieten.


Die neuen Designs sind deutlich verspielter als die alten. Auf der Orangensaftpackung steht z.B. keine Fruchtabbildung mehr im Mittelpunkt, die ganze Packung ist eine einzige Orange:
Die Tiefkühlpizza scheint so schmackhaft zu sein, dass jemand sie vorm Fotoshooting für die Packung schon zu mehr als einem Viertel weggeknuspert hat:
Und selbst im Regal mit den Nussmischungen geht’s inzwischen relativ bunt zu:
Damit folgt Rewe einem Trend, den bereits viele andere europäische Handelsketten mit ihren Mittelmarken eingeschlagen haben. Edeka zum Beispiel verzichtet schon seit Jahren auf ein einheitliches Design seiner „Edeka“-Produkte, die deshalb allesamt verschieden – und oft ziemlich modern – aussehen. (Ähnlich übrigens wie die „Gut & Günstig“-Discount-Artikel, aber das ist ein Sonderfall.)
Auch die österreichische Supermarktkette Spar ist der Meinung, dass die Ziegenheumilch der „SPAR Qualitätsmarke“ nicht genauso designt sein muss wie das Knuspermüsli Apfel-Chia oder die Hamburger-Patties aus der Tiefkühlung.
Albert Heijn folgt in der Niederlanden mit seiner „Huismerk“ einem ähnlichen Prinzip: je vielfältiger, desto besser – vom Gouda übers Pesto bis zur geräucherten Wurst.
Das Markenlogo als Klammer
In all diesen Fällen ist es nur noch das Supermarkt- bzw. Markenlogo, das die Produkte der mittleren Preisschiene als Klammer zusammenhält, und dem dabei eine zunehmend wichtigere Bedeutung zukommt.
Die Eigenmarken der großen Supermärkte rücken dadurch näher an die Produkte der klassischen Markenhersteller heran. Das ist vermutlich kein Zufall. Die GfK bescheinigte insbesondere den Käufern so genannter „Mehrwert-Handelsmarken“ – also Produkten mit Zusatznutzen oder (kleiner) Besonderheit – im vergangenen Jahr eine wachsende Bedeutung (PDF):
„Das Segment ist [2016] um zwei Prozentpunkte gegenüber 2015 gewachsen, seit 2012 gar um fünf Prozentpunkte bzw. absolut um ein gutes Drittel. Dieser Käufertyp [von Mehrwert-Handelsmarken] ist generell sehr qualitätsorientiert und kauft deshalb in der Regel auch Handelsmarken in ‚Markenqualität‘.“
Dafür müssen die „Handelsmarken in Markenqualität“ freilich auch als solche erkennbar sein. Und das ist eher schwer, wenn – wie bei Rewes österreichischer Tochter Merkur – der „Edle Nussmix“ der Eigenmarke „Immer gut“ genauso verpackt ist wie das Hundefutter.
Zumal das mittelfristig dazu führt, dass Mittelmarken von den Käufern „durch höherwertige Handelsmarken substituiert werden“, wie die GfK es umschreibt.
Billig sieht nicht mehr billig aus
Gleichzeitig müssen sich die Supermärkte stärker als bisher von der Discount-Konkurrenz abgrenzen. Aldi, Lidl und zum Teil auch Kaufland geben sich seit einiger Zeit sehr viel mehr Mühe, dass man ihren Eigenmarken die Billig-Herkunft nicht mehr auf den ersten Blick ansieht. Insbesondere Lidl verpackt Solevita, Alesto, Milbona und Neuzugänge wie Vemondo zunehmend schicker.
Und Aldi Süd überprüft gerade bekanntlich, wie zeitgemäß das eigene Markensammelsurium noch sind, um einzelne Fantasienamen notfalls komplett zu ersetzen.
Viele in die Jahre gekommenen Mittelmarken der Supermärkte hätten eine solche Überprüfung ebenfalls bitter notwendig – vor allem, wenn sie künftig ihr leicht höheres Preisniveau gegenüber der (schickeren) Ware aus dem Discount rechtfertigen wollen.
Manche Handelsketten sind dagegen schon einen Schritt weiter und holen produktübergreifende Markendesigns in einer reduzierten, aber trotzdem nicht billig wirkenden Gestaltung zurück, um sie als Alternative zu klassischen Markenartikeln zu empfehlen. In Großbritannien testet Marktführer Tesco beispielsweise ökologische Putz- und Reinigungsmittel unter dem Namen „Tesco Eco Active“. Die Verpackungen zeichnen sich einerseits durch eine große Schlichtheit aus, sind aber trotzdem ein ziemlicher Hingucker (und eindeutig als Produktserie erkennbar).
Foto: Tesco
Der niederländische Händler Jumbo stellt Eigenmarken-Ketchup aus „geretteten“ Tomaten her, die sonst nicht verkauft oder verwertet werden könnten, und hat ihnen dafür eine schicke Quetschflasche designt, die es mit jedem Markenketchup aufnehmen kann.
Spar ist in Österreich frühzeitig auf den Bio-Eistee-Trend aufgesprungen und hat für seine Snack-Eigenmarke „SPAR enjoy“ nicht nur die Geschmacksrichtungen Kurkuma & Ingwer, Rooibos & Kräuter sowie Gerstengras & Nana-Minze erfunden, sondern auch ein äußerst dezentes Flaschendesign.
Foto: Spar Austria
Und schauen Sie mal, wie schick Delhaize seine neuen „Raw Cakes“ farblich passend zum Kuchentopping verpackungsbekleidet hat:
Foto: Delhaize Belgique
Die Zeit der barocken Mittelmarken aus dem Supermarkt, die im Regal alle gleich aussehen, scheint also nicht nur in Deutschland vorbei zu sein. Und wenn Sie demnächst im Kindergarten umfragen, welchen Beruf der Nachwuchs ergreifen möchte, wenn er mal groß ist, antwortet sicher die halbe Gruppe: Entschnörkelungsbeauftragte/r im Supermarkt! Muss sich ja niemand hetzen lassen.
Logos: Rewe, Fotos (sofern nicht anders gekennz.): Supermarktblog