Die einen Niederländer kommen, die anderen gehen: Zum 31. März schließt die holländische Supermarktkette Albert Heijn die letzten deutschen Filialen seines Snack-Ablegers Albert Heijn to go in Nordrhein-Westfalen. Man verzeichne „ein bescheidenes Wachstum, das in unserer derzeitigen Aufstellung zu geringe Chancen für ein nachhaltiges Geschäft in der Zukunft bietet“, hatte das Unternehmen Ende des vergangenen Jahres gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt, als die Schließungen bekannt wurden.
Das ist – ein Kunststück. Weil es dem so genannten „Außer-Haus-Markt“ in Deutschland nämlich eigentlich ganz prächtig geht. Sagt zumindest die NPD Group, die kontinuierlich die Gewohnheiten von Draußenessern analysiert:
„In 2017 entwickelte sich der Außer-Haus-Markt in Deutschland bereits das dritte Mal in Folge positiv. Insgesamt wurden aktuell 260 Mio. Besuche mehr getätigt als noch in 2014. (…) Die meisten Subsegmente des Gesamtmarktes konnten an diesem Wachstum teilnehmen, nur einige wenige verzeichneten Verluste.“
Zu den Gewinnern gehören außer Bäckereien und Lieferdiensten auch Supermärkte, die ihre Snack-Angebote zuletzt maßvoll, aber dennoch wahrnehmbar aufgewertet haben. Selbst die Discounter mischen inzwischen mit, Penny und Aldi Süd schon länger – und gerade hat Lidl bekannt gegeben, ab April in seinen Kühlregalen Platz für „Select & Go“ zu machen, einen separaten Bereich für Sofortessen zum Mitnehmen.
Ausgerechnet die erfahrenen Snack-Spezialisten aus Holland, wo es Albert Heijn to go bereits seit 1999 gibt, konnten von diesem Trend nicht profitieren. Warum?
1. Zick-Zack-Strategie
Vielleicht ist „Strategie“ ein arg beschönigender Begriff für den Schlingerkurs, mit dem die Handelskette in Deutschland angetreten ist. Start war im Spätsommer 2012, ein Jahr danach sollten ursprünglich zehn bis zwölf To-go-Filialen in Nordrhein-Westfalen eröffnet haben – so lautete zumindest der ursprüngliche Plan des früheren Aldi-Managers Jürgen Hotz, der für Albert Heijn die Expansion in Deutschland steuerte (siehe Supermarktblog-Interview).
Nach anderthalb Jahren war Hotz wieder weg, und von den gerade mal sechs eröffneten Filialen mussten zwei wieder schließen. Der neue General Manager Mathias Gehle leitete einen Strategiewechsel ein und erklärte damals, es habe sich als Fehler herausgestellt, Filialen in der Innenstadt zu eröffnen:
„Die Menschen in den Fußgängerzonen sind weniger häufig auf Essen ‚to go‘ ausgerichtet. Sie kommen meist zum Einkaufen oder Bummeln in die Stadt und sind nicht darauf angewiesen, unterwegs einen schnellen Snack oder ein Mittagessen fürs Büro mitzunehmen.”
Aus diesem Grund konzentrierte sich Albert Heijn to go fortan auf Lagen an Verkehrsknotenpunkten, um Pendler mit frischen Salaten, Sandwiches und Smoothies zu versorgen (siehe Supermarktblog). Aber: Überraschung, z.B. an Bahnhöfen war man mit dieser Erkenntnis gar nicht allein.
„Fest steht, dass es schwierig ist, richtig gute Flächen zu bekommen, da diese oft schon besetzt sind“,
erklärte Gehle gegenüber RP Online im Frühjahr 2015, kurz vor der Eröffnung eines neuen Albert Heijn to go im Bahnhof Mönchengladbach. In der anschließenden Zeit wuchs die Filialzahl immerhin noch auf elf. Um gegen die aufgewachte Konkurrenz zu bestehen, reichte das aber nicht.
2. Harter Wettbewerb
An den von Manager Gehle favorisierten Verkehrsknotenpunkten hat freilich niemand auf Albert Heijn to go gewartet. Bereits seit 2014 baute der Verkehrsgastro-Spezialist SSP seine Mini-Shops an Bahnhöfen in Kooperation mit Edeka zu „Spar Express“-Läden um (siehe Supermarktblog). Der ehemalige Discountbäcker Backwerk, der seit dem vergangenen Herbst zum Schweizer Handelsunternehmen Valora (u.a. Ditsch) gehört, wandelte sich zum vollwertigen Snack-Anbieter und liefert Pendlern nicht nur mit frisch belegte Brötchen und warme Snacks, sondern auch verpackte Sandwiches und Salate.
Am Köln-Bonner Flughafen testet die Backkette Kamps seit vergangenem Jahr eine Mischung aus Back-Snackerei mit Mini-Supermarktangebot unter dem albernen Namen „KAMPuS“ und will damit in weitere Städte rücken. Überhaupt: die vielen Bäcker!
„Bäckereien und deren Angebot sprechen den Konsumenten von morgens bis abends an, und dies zu moderaten Preisen“,
erklären die Marktforscher der NPD Group die deutlich gestiegene Bäcker-Besuchsanzahl des Jahres 2017.
Und dann ist da natürlich: Hauptkonkurrent Rewe to Go, der nach zögerlicher Anfangsexpansion in Städten und an Bahnhöfen seit der Kooperation mit dem Tankstellenbetreiber Aral (siehe Supermarktblog) einen massiven Vorsprung hatte. Auch Albert Heijn to go wollte frisches Sofortessen und Süßwaren an Autofahrer verkaufen und testete ein Shop-in-Shop-Konzept an einigen wenigen Shell-Tankstellen in NRW – aber nur als Untermieter, während das übrige Shop-Sortiment weiter vom Shell-Lieferanten Lekkerland beigesteuert wurde.
3. Sortiment
Nicht mal bei der Sortimentsgestaltung hatte Albert Heijn to go in den fünfeinhalb Jahren seines Ausflugs nach Deutschland ein glückliches Händchen – womöglich, weil es schwer war, die Bedürfnisse zweier sehr unterschiedlicher Zielgruppen unter eine Aufbackhaube zu kriegen.
Obwohl ein Großteil der Umsätze auf Eigenmarken entfiel (70 Prozent, hieß es 2015) und Salate bzw. Sandwiches täglich frisch in Holland produziert wurden, äußerte sich ein Teil der Kundschaft in sozialen Medien enttäuscht darüber, nicht ein größeres Angebot holländischer Artikel in den Mini-Läden zu bekommen. So wie das viele vom Einkauf während ihres Urlaubs in (vermutlich deutlich größeren Albert-Heijn-Supermärkten) gewohnt waren.
„Fest steht aber auch, dass wir kein Spezialitätenladen für niederländische Produkte sind. Auch wenn wir bereits auf Kundenanfragen reagiert haben und auf Wunsch spezielle niederländische Produkte ins Sortiment aufgenommen haben“,
erklärte Manager Gehle 2015.
Wer sich nicht regelmäßig in holländischen Supermärkten aufhielt, dürfte hingegen von den holländischen Namen auf den Verpackungen eher irritiert gewesen sein. Mit den Produkten konnte sich Albert Heijn to go zwar perfekt vom Angebot der Wettbewerber abheben. Allerdings ohne dass es gelungen wäre, Neukunden zu erklären, warum „Roomboter stroopwafels“ eine leckere Alternative zum Schokokrossang sein könnten.
Und ohne dass es sich bei einer derart überschaubaren Zahl an Filialen gelohnt hätte, sich in der Produktion stärker nach an Vorlieben deutscher Kunden zu orientieren.
4. Fehlende Fokussierung
Standhorte hin, Stroopwafels her: Am Ende dürfte Albert Heijns Snackausflug nach Deutschland vor allem eines zum Verhängnis geworden sein. Nämlich dass der niederländische Mutterkonzern inzwischen völlig andere Prioritäten hat. Und zwar nicht erst seit der Fusion mit seinem belgischen Wettbewerber zur Ahold-Delhaize-Gruppe im Sommer 2016 (siehe Supermarktblog).
Im niederländischen Heimatmarkt fällt Albert Heijn weiterhin durch eine gewisse Experimentierbereitschaft auf (siehe z.B. Supermarktblog) und steht wie alle anderen europäischen Supermarktketten vor der Aufgabe, das Geschäftsmodell für neue Online-Services fit zu machen, während der Mutterkonzern in den USA gegen die sich ausbreitenden deutschen Discounter Aldi und Lidl zu kämpfen hat.
Sich gleichzeitig weiter auf eher kleinen Nebensnackschauplätzen zu betätigen, dürfte für die Niederländer deshalb massiv an Attraktivität verloren haben. Selbst wenn zahlreiche Unternehmen im deutschen Außer-Haus-Markt inzwischen davon profitieren, dass mehr Besucher zu ihnen kommen und Geld fürs Draußenessen ausgeben.
Kurz gesagt: 2012 hat Albert Heijn völlig richtig erkannt, dass es im Snack-Markt hierzulande eine Lücke zu füllen gab – und es danach konsequent verpennt, sie mit dem eigenen Sofortessen zu füllen. Deshalb: Vaarwel, Albert Heijn to go!
Vielen Dank an Supermarktblog-Leserin Birgit V.-H.!
Fotos: Supermarktblog