Seit einer Woche legt die Biosupermarktkette Alnatura keine gedruckten Handzettel mit Wochenangeboten mehr in ihren Filialen aus (siehe Supermarktblog) und reagiert damit nach eigenen Angaben auf die veränderten Nutzungsgewohnheiten der Kunden, die die Angebote immer häufiger gar nicht mehr mit nachhause genommen haben, sondern einfach im Laden durchgeblättert. (Auf eine separate Verteilung an Haushalte im Umkreis der Filialen hatte Alnatura ohnehin verzichtet.)
Gegenüber der Kundschaft wird vor allem der Umweltaspekt der Aktion kommuniziert: Man spare jährlich „über 56 Tonnen Papier und damit rund 5,6 Tonnen CO2-Emissionen ein“, erklärt das Unternehmen.
Auch andere Handelsketten präsentieren sich öffentlich gerne als Umweltschoner. Dass sich ausgerechnet ein Großflächendiscounter wie Kaufland, dessen Umsätze zu einem bedeutenden Teil auf dem selbst geschaffenen Handzettelimperium basieren dürften, aus Sorge um die Umwelt am allgemeinen Papiersparen beteiligen könnte, wäre dann aber doch erstaunlich.
Genau das kommunizierte Kaufland allerdings schon Mitte März einem Teil seiner Kunden – per separatem Handzettel. Auf dem stand in roten Lettern:
„Klicken statt blättern – zum Wohle der Umwelt.“
Und weiter:
„Als großes Handelsunternehmen fördern wir einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Aus diesem Grund steigen wir nach und nach um – von Papier auf Digital. Ab sofort landen deshalb unsere Angebote nicht mehr in Ihrem Briefkasten, sondern warten auf unserer Website, in unserem Newsletter und in unserer App auf Sie.“
(Hervorhebung von mir.)
Scan: Supermarktblog
Direkt in den Filialen würden die Wochenangebote aber weiterhin in Papierform ausgelegt, um „mit dem Prospekt auf Schnäppchenjagd zu gehen“. Obwohl es die Handzettel mit den Sonderpreisen „auch online zum Durchblättern“ gebe:
„Ihr Klick hilft Ihnen also sparen und schont gleichzeitig die Umwelt.“
Wer sich beim Unternehmen dazu erkundigt, kriegt jedoch einen grundlegend anderen Eindruck der (vermeintlichen) Naturschutz-Initiative Umstellung. Eine Kaufland-Sprecherin erklärt auf Supermarktblog-Anfrage:
„Unsere Kaufland Prospekte werden weiterhin an Haushalte verteilt, und selbstverständlich liegen sie auch weiterhin in den Filialen aus. Wir überprüfen routinemäßig, ob die Verteilung optimiert werden kann – unter anderem auch aus Umweltgesichtspunkten. Es ist nicht geplant, die Druckversion durch eine Online-Information zu ersetzen. Beide Informationsformen sind wichtig und stehen heute gleichberechtigt nebeneinander.“
Das entspricht allerdings nicht dem Eindruck, den Kaufland gegenüber den Kunden vermittelt, die sich künftig im Netz über Angebote informieren sollen, weil Kaufland, wie ihnen angekündigt wurde, „nach und nach (…) von Papier auf Digital“ wechselt.
Experiment oder Sparmaßnahme?
Wie es zu diesem Widerspruch kommt, mag das Unternehmen nicht genauer erklären und verweist lediglich auf die genannte „Verteilungsoptimierung“. Es gibt aber im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:
Entweder testet die Handelskette in einzelnen Regionen, ob und wie sich die Einstellung der Haushaltsverteilung des Wochenprospekts auf Kundenverhalten und Umsätze auswirkt, um herauszufinden, ob sich die digitalen Angebote tatsächlich als adäquater Ersatz eignen. Das wäre (für einen Discounter) tatsächlich verhältnismäßig progessiv.
Oder es handelt sich bei der kommunizierten Einstellung schlicht um eine Sparmaßnahme, z.B. in Orten bzw. Regionen, in denen das Kaufland-Filialnetz nicht über die nötige Dichte verfügt, um die zweifellos hohen Ausgaben für die Prospektverteilung per „Einkauf aktuell“ oder Wochenblatt weiter zu rechtfertigen – weil die Streuverluste schlicht zu groß sind. Das ist nachvollziehbar und völlig legitim. Im diesem Fall allerdings Umweltaspekte vorzuschieben und sich als Handelsunternehmen zu positionieren, das in erster Line den „verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen“ im Sinne hat (und nicht nur den eigenen), wäre schon ein ziemlich unverschämtes Täuschungsmanöver.
Bei Rückfragen dazu ist das gegenüber seinen Kunden so offenherzig kommunizierende Unternehmen nicht mehr ganz so kommunikativ und schreibt:
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir dazu keine Angaben machen möchten.“
In diesem Fall eher nicht zum Wohle der Umwelt, aber vielleicht der eigenen Glaubwürdigkeit.
Vielen Dank an Klaus!
Fotos: Supermarktblog