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Im August 2011 entschied das Landesgericht Nürnberg-Fürth auf eine Klage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dass die kleinen Preise von Netto (ohne Hund) fetter werden müssen. Nicht alle, nur die winzig kleinen Grundpreise auf den Schildern im Laden.
Der Grundpreis gibt an, was ein Produkt je Mengeneinheit kostet, also zum Beispiel auf 100 Gramm gerechnet. Supermärkte sind zur Angabe verpflichtet, damit die Kunden unterschiedliche Produkte oder Packungsgrößen leichter vergleichen können. Netto fand, zwei Millimeter Schrifthöhe seien dafür genug.
Und wollte sich mit dem Urteil nicht abfinden.
Der Fall schleppte sich deshalb bis vor den Bundesgerichtshof (BGH). Und der entschied im März 2013: Alles in Ordnung, die kleinen Preise dürfen so klein bleiben (I ZR 30/12). Besonders spannend ist die Begründung: Preisschilder im Supermarkt würden üblicherweise aus einer Entfernung von 50 Zentimetern betrachtet. Dabei seien die Ziffern der Netto-Grundpreise “ohne weiteres deutlich zu erkennen”, unter anderem wegen der zusätzlichen Umrandung auf den Netto-(ohne Hund)-Schildern. Das gelte auch für solche, die in der untersten Regalreihe angebracht seien. Weil ein Kunde, der die entsprechenden Produkte kaufen wolle, “sich ihnen ohnedies so weit nähern wird”, dass er die Ziffern “noch gut lesen kann”.
Kurz gesagt: Wer sich noch bücken kann, hat nach Auffassung des BGH offensichtlich auch genügend Sehkraft.
Ausschlaggebend für das Urteil war die so genannte Preisangabenverordnung (PAngV). In der ist vom Gesetzgeber geregelt, dass der Handel seine Kunden den Grundpreis nennen muss. Da steht nur nicht, wie.
“Die Preisangabenverordnung ist in diesem Fall leider nicht konkret genug formuliert”, sagt Carolin Semmler, Rechtsanwältin der Verbraucherzentrale NRW. In §1, Absatz 6 wird lediglich verlangt, die Angaben müssen “leicht erkennbar und deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar” sein. “Was das heißt, lässt sich sehr unterschiedlich auslegen”, meint Semmler.
“Aus unserer Sicht muss die Preisangabenverordnung geändert werden.”
Das findet auch Jochen Hartloff. Im vergangenen Jahr startete der rheinland-pfälzische Minister für Justiz und Verbraucherschutz deshalb mit Unterstützung weiterer Bundesländer eine Initiative, um die PAngV zu konkretisieren.
“Die Rechtsprechung tut sich meiner Ansicht nach mit den aktuellen Definitionen der Preisangabenverordnung relativ schwer”, sagt Hartloff.
“Verbraucherschutzvertreter klagen sich deshalb durch mehrere Instanzen. Die Gerichte beschäftigen sich damit, welche Schriftgröße im Supermarkt in Ordnung ist. Und wer, wie ich, eine Lesebrille braucht, legt sich dann beim Einkaufen am besten auf den Bauch, um das zu entziffern?”
Die Minister plädieren, ähnlich wie die Verbraucherzentrale, für deutlichere Vorgaben: ein konkretes Größenverhältnis des Grundpreises zum tatsächlichen Ladenpreis sowie Mindestschriftgrößen.
Im Juli 2012 stimmte auch der Bundesrat für eine entsprechende “Entschließung”, eine Art Handlungsempfehlung, die ans zuständige Bundeswirtschaftsministerium weitergereicht wurde – und dort gleich wieder einkassiert. Eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften sei “nicht sinnvoll”, erklärte das FDP-geführte Ministerium, und zwar mit Verweis auf das Verfahren zu den Netto-(ohne Hund)-Grundpreisen vorm BGH.
Im dazugehörigen Urteil wiederum beruft sich der BGH darauf, dass es ja trotz der Initiative der Länder keine Änderung der Preisangabenverordnung gegeben habe. Wie in einem Ping-Pong-Spiel.
Ob das Kleingedruckte im Supermarkt zu klein gedruckt ist, sollen also laut Wirtschaftsministerium die Gerichte entscheiden. Sie tun das immer wieder neu. Und immer wieder anders. ”Wenn nichts passiert, führt das aus meiner Sicht dazu, dass es weitere Verfahren geben wird, die die Verwirrung für die Konsumenten dann noch größer werden lassen”, erklärt Verbraucherschutzminister Hartloff seine Initiative zur Gesetzesänderung.
“Es geht gar nicht darum, die Supermärkte zu gängeln. Sondern um Klarheit und Einfachheit.”
Zwischenzeitlich hat sich Netto aus eigener Initiative dazu entschlossen, seine Preisschilder zu überarbeiten. Eine Sprecherin des Discounters erklärt, die Grundpreisangaben seien noch während des laufenden Verfahrens vergrößert worden:
“Auf diese Weise haben wir bundesweit die Lesbarkeit der Preisangaben für unsere Kunden weiter verbessert.”
Die Schrift ist jetzt nicht mehr zwei Millimeter hoch. Sondern: drei.
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Foto: Supermarktblog