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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Macht euch klein, Superstores!

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Wenn’s darum geht, beigebödige Einkaufshallen zu betreiben, in deren Mittelgängen überall knallrote “Hot Deal”-, “Half Price” und “Great Value”-Schild lauern, die sich in beträchtlichem Ausmaß mit den Plakaten in den Firmenfarben Gelb und Grün beißen, welche ein Kundenversprechen nach dem nächsten auf die wehrlosen Einkäufer abfeuern, macht Morrisons so schnell keiner was vor.

Überall lauern Discount-Schilder: Morrisons in Großbritannien

455 solcher “Superstores” betreibt der britische Händler inzwischen im eigenen Land. Nach Tesco, Asda und Sainsbury’s ist Morrisons die viertgrößte Supermarktkette Großbritanniens, mit einem Marktanteil von rund 11 Prozent. Die meisten Morrisons-Läden sind riesig, zum Teil mit vielen tausend Quadratmetern Verkaufsfläche. Die ganzen Schilder müssen ja reinpassen.

Umso erstaunlicher ist der Strategieschwenk, den das Unternehmen vor zwei Jahren gewagt hat.

Anstatt weiter neue Einkaufsbunker an Stadtränder zu setzen, öffnete Morrisons seinen ersten Convenience Store unter dem Namen “M Local”.

Inzwischen gibt es davon einen ganzen Haufen, und das Besondere daran ist, dass die M Locals kaum etwas mit den Läden gemeinsam haben, die sonst Umsatzbringer für die Kette sind. Ein Extrembeispiel dafür hat in der Londoner New Oxford Street eröffnet, mitten in der Innenstadt und nur einen Sandwichwurf von der überlaufenen Tottenham Court Road entfernt. Der für Morrisons-Verhältnisse geradezu zwergenhafte Markt ist vor allem als Signal an die Kundschaft gedacht – eines, das erklärt: Morrisons ist jetzt auch für Leute da, deren winzige City-Wohnungen keine umfassende Lebensmittelbevorratung zulassen, und die vielleicht bloß ein schnelles Mittagessen kaufen wollen.

M-Local-Convenience Store in der Londoner Innenstadt

An den Laternenpfählen entlang der New Oxford Street wirbt Morrisons deshalb praktischerweise auf Doppeldeckerbussitzhöhe für ein “Brilliant breakfast every day” und einen “Speedy lunch time deal”.

"Meal Deal" im Londoner M Local

Der täglich von 6 bis 23 Uhr geöffnete Laden selbst ist eine Mischung aus Spätkauf und Schnellimbiss: Es gibt die allernotwendigsten Haushaltsmittel einzukaufen, Obst und Gemüse, Bier und Wein gekühlt, vor allem aber Sandwiches, Salate und warmgehaltenes Wurstallerlei. Wer’s ganz eilig hat, kann an einer der Selbstbedienungskassen bezahlen, die sich vor den Ausgang des Markts vor die Süßkramhürden zwängen.

Kassenzone im M Local an der New Oxford Street

Es ist vielleicht nicht das leckerste Lunch der Stadt, dass M Local zu bieten hat (und ganz sicher ist es nicht “brilliant”) – aber in dieser Nachbarschaft definitiv eines der günstigsten. Als Alleinstellungsmerkmal reicht das vermutlich. Und der Markt ist, wie gesagt, auch ein Extrembeispiel.

In einem Firmenvideo erklärt Morrisons, woher der generelle Sinneswandel kommt, auch kleinere Läden zu eröffnen: Das Einkaufsverhalten der Leute ändert sich. Und (was der Manager nicht dazu sagt): Wer sich als Supermarkt nicht mitändert, wird in Zukunft vielleicht nicht mehr viel zu melden haben. Also wagt sich der SB-Warenhaus-Spezialist nun eben auch an Nachbarschaftsläden.

Von der Kundschaft wisse man, dass die in der Stadt vor allem großen Wert auf zwei Kriterien lege: Frische und günstige Preise. Genau danach habe man die M Locals gebaut: 50 Prozent frische Lebensmittel, vieles zu günstigen Preisen (“every penny matters”). Die nächsten Eröffnungen sind u.a. für Blackpool, Manchester und Edinburgh angekündigt.

Mit ihrem Test steht die britische Kette nicht alleine da. Ebenfalls 2011, sogar ein paar Monate früher, hat die französische Supermarktkette Auchan, Nummer 5 im Markt, ihren ersten Stadtladen im 20. Arrondissement von Paris eröffnet. Er heißt “A 2 pas”, was gleichzeitig auf ein zweites Auchan-Konzept (“A 2″) verweist, aber auch bedeutet: nur zwei Schritte entfernt.

Auchans "A 2 pas"-Stadtladen in Paris

Draußen wirbt der Konzern, der genau wie Morrisons bisher vor allem für seine riesigen SB-Warenhäuser bekannt ist, mit dem Versprechen, dass es viele bekannte Auchan-Marken jetzt endlich auch auf komprimiertem Platz in der Stadt gebe. Der Laden an sich ist arg vollgestopft, und die Preise sind nicht nur für die Discount-verwöhnte Deutsche, sondern auch für Convenience-erfahrene Briten gewöhnungsbedürftig. Aber das auf Eigenmarken konzentrierte Konzept scheint funktioniert zu haben. In den darauffolgenden Monaten eröffnete Auchan weitere Stadt-Märkte.

Kuchen- und Keks-Eigenmarken  von Auchan im A 2 pas Paris

Sowohl die M-Local-Läden als auch A 2 pas sind ein Zeichen dafür, wie sehr die SB-Warenhäuser inzwischen bereit sind, sich auf Wagnisse einzulassen, um nicht bloß vom Geschäft auf der Grünen Wiese abhängig zu sein – jedenfalls im Ausland.

In Deutschland eröffnet Leidensgenosse (und SB-Warenhausspezialist) Real an diesem Donnerstag erstmal – sein nächstes SB-Warenhaus (Parkplatzeindrücke gibt’s bei Youtube). Und zwar im Essener Kronenberg Center, das die Real-Mutter Metro in den Westen der Stadt gebaut hat, um nun viele Flächen an andere Händler zu vermieten und zu testen, ob ein modernisiertes Real-Konzept wieder mehr Kunden anlockt als bisher.

Mutig geht anders. Aber vielleicht klappt es ja trotzdem.

Wie ernst es Morrisons derweil damit meint, vom Einkaufshallen-Betreiber zur modernen Supermarktkette zu werden, lässt sich an den Plänen für die M-Local-Expansion ablesen: Um mitten in die Städte zu kommen, hat der Konzern alte, zentral gelegene Läden der pleite gegangenen Unterhaltungselektronik-Kette HMV, des Fotohändlers Jessop und der Videothekenkette Blockbuster übernommen, um darin Supermärkte zu eröffnen.

Vielleicht muss Real sich in Deutschland also bloß noch ein bisschen gedulden. Bis den Metro-Elektronikzwillingen Media Markt und Saturn die aktuellen Kamikazewerbe-Strategien und Konzeptverdrehungen endgültig zum Verhängnis geworden sind. Flächen für neue Innenstadtläden wären dann automatisch da.

Aber vermutlich sieht Metro-Chef Olaf Koch das etwas weniger optimistisch.

Fotos: Supermarktblog

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