Quantcast
Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001

Handzettel-Verzicht, Standorte vor dem Verkauf: Was bleibt übrig von Real?

$
0
0

Ziemlich genau 13 Monate ist es her, dass Metro bekannt gegeben hat, sich künftig auf den Großhandel konzentrieren zu wollen und „einen systematischen Veräußerungsprozess von Real (…) zu beginnen“ (siehe Supermarktblog). Die SB-Warenhauskette habe durch eine Neuausrichtung „entscheidende Voraussetzungen für eine eigenständige Zukunft im deutschen Lebensmitteleinzelhandel geschaffen“, hieß es damals. Über ein Jahr später ist immer noch nicht ganz klar, wie umfassend diese Zukunft ausfallen wird.

Anfang Oktober hatte Metro den Verkauf von Real an den Immobilieninvestor Redos, mit dem über Monate verhandelt wurde, beim Bundeskartellamt angemeldet (zum Ende des Metro-Geschäftsjahres am 30. September). Eine Woche später war der Deal bereits durchgewunken.

Was genau mit den Märkten passiert, wird sich aber wohl erst in den kommenden Wochen herausstellen. Bis zu dieser Woche konnten Wettbewerber Offerten für einzelne Standorte abgeben, an deren Übernahme sie interessiert sind. „Danach sollen die Pakete geschnürt und im Anschluss beim Bundeskartellamt zur Anmeldung eingereicht werden”, zitiert Reuters einen Metro-Sprecher. Laut „Lebensmittel Zeitung“ (Abo) gehören insbesondere Edeka und Kaufland zu den potenziellen Interessenten; auch Rewe und Globus könnten zum Zug kommen.


Noch scheint aber nichts entschieden zu sein. Offensichtlich versuche Kaufland, so die LZ, auf alternativen Wegen an einzelne Filialen zu kommen (z.B. über den direkten Kontakt zu Vermietern) – wohl auch, um eine Exklusivvereinbarung mit einem konkurrierenden Investor nicht zu brechen, den Metro nicht zum Zug kommen lassen will.

Handzettel für Testmärkte nur noch online

Während der Verkauf in den Real-Märkten regulär weitergeht, macht sich mancherorts Rückzugsstimmung breit. Hinweistafeln in Berliner Filialen weisen derzeit darauf hin, dass Kund:innen auf einen gedruckten Wochenprospekt „für Ihren Markt“ verzichten müssen:

„Ab dem 30.9.2019 wird der Handzettel für diesen real Markt nicht mehr verteilt. Unsere Wochenangebote finden Sie zukünftig online unter real.de/markt.“

Mit dem Eigentümerwechsel habe der Verteilverzicht aber nichts zu tun, erklärt eine Real-Sprecherin auf Supermarktblog-Anfrage:

„Hintergrund dieser Entscheidung sind zum einen die immer stärker werdende Nutzung elektronischer Online-Prospektportale, wie z. B. kaufda auf dem Tablet oder Smartphone mit gleichzeitig drastisch abnehmender Nutzung eines gedruckten Angebotsprospektes. Auch unsere jährlich durchgeführte Studie zur Werbewirkung der digitalen Prospekte belegen diesen Trend sowohl bei der Nutzung als auch bei der Werbewirkung.“

Außerdem wolle man damit das „Nachhaltigkeitsengagement“ ausweiten, indem pro Jahr mehrere Tonnen Papier gespart würden. (Was logisch klingt – bis auf die Tatsache, dass laut Real bislang in lediglich zwei Filialen auf die Verteilung verzichtet wird: Wedding und Neukölln.) Alnatura hatte seinen gedruckten Handzettel im Vorjahr komplett abgeschafft; auch Kaufland testet einen Verteilverzicht in manchen Regionen.

Alte Probleme lassen sich nicht wegschrumpfen

Was am Ende übrig bliebt von Real, ist weiter ungewiss. Reuters zufolge will das Käuferkonsortium um Redos einen Teil der Filialen – etwa 50 von über 270 – wohl selbst übernehmen und unter der bisherigen Marke weiterbetreiben. Real würde massiv zusammenschrumpfen und Umsätze verlieren; zudem würde sich die Verhandlungsmacht, die die Handelskette in die Einkaufsgemeinschaft RTG Retail Group einbringt, um gemeinsam mit Partnern günstiger Ware beschaffen zu können, signifikant verschlechtern. Gleichzeitig würde sich an der grundlegenden Renovierungsbedürftigkeit vieler Filialen und der Überholtheit des Konzepts – den Kernproblemen von Real – nichts ändern. (Auch die Rentabilität der Eigenmarken müsste in diesem Zuge wohl neu bewertet werden.)

Umgekehrt könnten die großen Wettbewerber ihre Marktdominanz durch den Kauf einzelner Filialen weiter ausbauen. (Enorme Investitionen in den Umbau der übernommenen Standorte voraussetzt.) Die „Lebensmittel Zeitung“ (Abo) hatte kürzlich berichtet, dass viele Hersteller fürchten, die Handelsketten könnten sie in diesem Zuge zu neuen Zugeständnissen und Vergünstigungen zwingen – oder kurzerhand mit Auslistung drohen.

Für viele Markenartikel-Produzenten sind SB-Warenhäuser auch deshalb wichtig, weil dort genügend Platz ist, um eine breiteres Spektrum ihrer Produkte ins Regal zu bringen – wohingegen der Raum in kleineren Supermärkten (auch dank der wachsenden Zahl an Eigenmarken) knapper wird. Wie realistisch das auf lange Sicht ist, steht aber ebenfalls in Frage: Großflächen am Stadtrand haben in den vergangenen Jahren bei vielen Kund:innen an Attraktivität verloren.

Die „Markthalle“ als Lösung?

Real hatte in den vergangenen Jahren versucht, das mit dem „Markthalle“-Konzept zu ändern. In den aufwändig umgebauten Filialen wird der Lebensmitteleinkauf sehr viel zeitgemäßer inszeniert, als es in den klassischen Märkten jemals gelungen ist, und mit gastronomischen Angeboten kombiniert (siehe Supermarktblog).

Das scheint zu funktionieren: Real-Geschäftsführer Patrick Müller-Sarmeinto meldete zu Jahresbeginn für den ersten Standort in Krefeld gegenüber der Fachpresse „im Durchschnitt über 30 Prozent mehr Kundenbesuche als vor dem Umbau und ein deutliches Umsatzplus“. Erst vor wenigen Tagen eröffnete die ehemalige Real-Filiale in Aschaffenburg neu als „Markthalle“ Nummer vier.

Ob das Konzept der bei Redos verbleibenden Filialen eine Lösung für Real sein könnte? In der Vergangenheit war davon die Rede, „bis zu 30“ Märkte aus dem Filialnetz eigneten sich für einen Umbau. Dies wäre aber mit enormen Kosten verbunden – an denen nur ein Eigentümer Interesse haben dürfte, der langfristig im Lebensmitteleinzelhandel engagiert bleiben wollte.

Redos, das die verbleibenden Real-Standorte nach einer Übergangszeit wohl ebenfalls veräußern wollen würde, wird das aller Voraussicht nach nicht sein.

Vielen Dank an Marc H. für den Hinweis!

Fotos: Supermarktblog"

Mehr zum Thema:

  Den regelmäßigen Blog-Newsletter abonnieren.

Schön, dass Sie hier sind! Darf ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten?

Das Supermarktblog berichtet kritisch und unabhängig über den Lebensmittelhandel in Deutschland. Einnahmen aus Sponsorings und Werbung sichern den Basisbetrieb. Im Laufe der Zeit ist der Aufwand für das Projekt jedoch deutlich gestiegen.

Die regelmäßige Unterstützung der Blog-Leser hilft mir dabei, ausführliche Analysen und Hintergrundartikel zu recherchieren, die nicht ins Themenraster klassischer Medien passen müssen. Machen Sie mit? Geht schon ab 2 Euro im Monat und dauert nur eine Minute. Herzlichen Dank!

Jetzt unterstützen ⇢


Der Beitrag Handzettel-Verzicht, Standorte vor dem Verkauf: Was bleibt übrig von Real? erschien zuerst auf Supermarktblog.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 1001