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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Warum Kaufland seine SB-Kassen (nach)beschleust und Rewe für mehr Übersicht beim Selbstscannen sorgen will

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Ständig suchen die großen Handelsketten qualifizierte Mitarbeiter:innen für die vielfältigen Aufgaben, die im Lebensmitteleinzelhandel zu erledigen sind. In Zukunft gehören dazu auch: Schleusenwärter:innen. Jedenfalls wenn sich Kaufland mit seiner Initiative durchsetzt, Selbstbedienkassen (nachträglich) zu beschleusen.

Seit einiger Zeit modernisierte das Unternehmen seine Großflächen und baut dabei an ausgewählten Standorten auch SB-Kassen in die Märkte ein (siehe Supermarktblog).

„Self-Scanning-Kassen gibt es bei Kaufland in über 100 Filialen. Üblicherweise sind es 4 bis 6 Kassen je Filiale, in Einzelfällen auch mehr“,

sagt eine Kaufland-Sprecherin auf Supermarktblog-Anfrage und erklärt, man sei „sehr zufrieden mit der Nutzung der Self-Scanning-Kassen“, „die unsere Kunden gerne in Anspruch nehmen“. Manche vielleicht sogar: zu gerne.


Anfangs waren der Self-Checkout bei Kaufland eine recht offene Angelegenheit:

Während die regulären Kassen bei Nichtbesetzung mit Metallschranken verschlossen wurden, bot die SB-Kassenzone daneben einen weitgehend freien Ausgang – den offensichtlich auch Kund:innen nutzten, die auch dann nichts bezahlen wollten, wenn sie vorher was eingekauft hatten. Inzwischen baut Kaufland Schleusen hinter die SB-Kassen. Deren Glastüren öffnen sich erst, wenn die Kundin bzw. der Kunde einen Barcode scannt, der nach abgeschlossenem Einkauf und Bezahlung vom SB-Gerät ausgegeben wird.

„Ihr Bon ist der Türöffner“,

steht auf Aufklebern an der SB-Kasse und an den Schleusen.

Kaufland bestätigt:

„In Märkten, die neu mit Self-Scanning-Kassen ausgestattet werden, installieren wir sogenannte Ausgangsanlagen. Vereinzelt rüsten wir auch an bestehenden Self-Scanning-Kassen nach, wo dies räumlich möglich ist. Die Ausgangsanlagen dienen unter anderem der Sicherheit unserer Kunden, indem sie räumlich das Ende des Einkaufs- und Bezahlvorgangs markieren. Dadurch sind sie das Gegenstück zur Verabschiedung durch die Kassiererin an den konventionellen Kassen.“

Das ist eine hübsche Erklärung – mit der sich galant die Feststellung umschiffen lässt, dass die Schleusen wohl auch aus Diebstahlschutzgründen installiert werden dürften.

Welcher Barcode ist der richtige?

Zumindest empfehlen die Self-Checkout-Forscher um Adrian Beck, die zahlreiche Handelsunternehmen zu ihren Erfahrungen mit der Nutzung von SB-Kassen befragt haben („Self-Checkout in Retail: Measuring the Loss“, siehe Supermarktblog und PDF), unmissverständlich: ein „klar erkennbarer Ein- und Ausgang“ hilft dabei, Kund:innen Orientierung zu geben und Mitarbeiter:innen die Kontrolle zu erleichtern.

Für ehrliche Kund:innen ist das ärgerlich, weil es das Bezahlen an der SB-Kasse etwas umständlicher macht – weil man daran denken muss, auch bei Kleinsteinkäufen immer den Kassenbon mitzunehmen, um am digitalen Brückentroll vorbeizukommen. Darüber hinaus lässt sich aus dem Procedere auch hübsch ableiten, dass die Kaufland-Marketingabteilung wohl eher selten in den eigenen Läden einkaufen geht.

Sonst würde die SB-Kasse zusätzlich zum Kassenbon nicht auch noch einen Bonus-Bon mit separatem Barcode ausspucken, der für den nächsten Einkauf einen Rabatt auf die neu eingeführten K-Favourites-Produkte (siehe Supermarktblog) verspricht – und wegen dem man an der Schleuse erstmal studieren muss, welcher Barcode auf welchem Bon nun das verdammte Tor öffnet.

Auch die niederländische Supermarktkette Albert Heijn hat in vielen ihrer Filialen Schleusen ans Ende der Self-Checkouts gebaut, die nur mit Barcode aufgehen. Weil der Bon nachher ohnehin oft im Müll landet, drucken die Geräte inzwischen auf Wunsch nur eine Kurzversion aus. Mit der besteht dann auch keine Verwechslungsgefahr bei der Schleusenpassage.

Geht das alles nicht auch einfacher – und vor allem: komfortabler? Ja, vielleicht.

Kurze Ehrlichkeits-Erinnerung

Der oben erwähnten Studie zufolge hilft beim Scannen oft schon eine simple Erinnerung der Kundin bzw. des Kunden, ehrlich zu bleiben. So macht es z.B. die Schweizer Handelskette Coop an ihren SB-Kassen. Wenn Kund:innen den Einkauf abschließen wollen, fragt die Kasse, bevor sie zur Bezahlung weiterleitet, höflich aber bestimmt:

„Haben Sie alle Ihre Artikel erfasst? Vereinzelt werden Stichproben durchgeführt.“

Jeder, der vielleicht einen Artikel weniger gescannt hat als er sollte, muss an diesem Punkt bewusst lügen, um weiterzukommen. Das verhindert keinen absichtlichen Diebstahl – aber vermutlich kleine Unehrlichkeiten.

Wobei es ein bisschen unfair ist (auch von den SB-Kassen-Forschern), die Fehl-Scans ausschließlich den Kund:innen anzulasten. Viele falsche Abrechnungen dürften auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Nutzerführung vieler SB-Kassensysteme einer mittleren Katastrophe gleicht. Sainsbury’s z.B. hatte vor einigen Jahren massiv Ärger, nachdem die britische Handelskette ein neues Bediensystem an seinen SB-Kassen eingeführt hatte.

Oft reicht schon ein undurchsichtiges Menü mit zu vielen Optionen oder eine unlogische Suchabfolge bei der Auswahl loser Produkte ohne Barcode. Wer, bitte schön, behält sich die ganzen seltsamen Namen der Backwaren, die man zu Beginn des Einkaufs aus dem Brötchenknast herausgefischt hat, um sie nachher in irgendwelchen Untermenüs zu identifizieren? Dazu kommen haufenweise Zwischenscreens mit Fragen nach selbst mitgebrachten Taschen, Knotenbeutelnutzung, Jugendschutzfreigabe-Hinweisen und natürlich spontane Fehlermeldungen.

Im Untermenü verheddert

Jede zusätzliche Irritation erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, sich zu vertippen – unabsichtlich, oder aus Verzweiflung, um sich nicht in der Unendlichkeit des SB-Kassen-Menüs zu verheddern.

Rewe will das ändern und stattet gerade alle seine in deutschen Märkten installierten SB-Kassen (insgesamt sind es momentan übersichtliche 104) bis zum Jahresende mit einer neuen Bedienoberfläche aus, wie man in Köln auf Anfrage bestätigt:

„Die neue Bedienoberfläche ist nicht nur moderner, sie ist kundenfreundlicher, einfacher zu handeln, übersichtlicher in der Bedienung und intuitiver für den Kunden. Das Feedback aus der Kundschaft ist ausschließlich positiv.“

Tatsächlich rückt das neue System den jeweils relevanten Bedienschritt stärker in den Mittelpunkt des Bildschirms; weitere Optionen erscheinen darunter; bereits gescannte Artikel sind auf die rechte Seite des Bildschirms gerückt und bleiben auch bei Zwischenschritten sichtbar – wie (z.B.) beim Amazon-Warenkorb im Netz. (Die lästige Frage nach der Payback-Karte muss aber natürlich weiter auch von Nicht-Payback-Nutzern weggetoucht werden.)

Derweil arbeiten auch die Gerätehersteller an Maßnahmen, die helfen könnten, die Bedienfreundlichkeit zu erhöhen – und gleichzeitig das Diebstahlrisiko zu senken. Bei NCR heißt das z.B. „Smart Assist“ bzw. „Picklist Assist“ und funktioniert so:

  • Kund:innen legen lose Ware (z.B. Nektarinen, Birnen, Avocados) auf die Scan-Fläche der SB-Kasse;
  • das Gerät schlägt, noch bevor danach gesucht werden muss, einen Artikel vor, den es erkannt zu haben glaubt;
  • ist der Vorschlag korrekt, muss bloß noch bestätigt werden.

Nektarine! Nektarine!

„Picklist Assist“ funktioniert über in den Geräten eingebaute Kameras und Sensoren, die z.B. die Farbe und das Gewicht eines Artikels mit den Spezifikationen der hinterlegten Warengruppen abgleicht, und ist als lernendes System angelegt: Je mehr Nektarinen erkannt wurden, desto besser funktioniert die Nektarinen-Identifikation.

Eine ähnliche Sensorentechnik kam ursprünglich in den Tunnelscanner-Kassen zum Einsatz, die sich im Handel aber nicht durchgesetzt haben (siehe Supermarktblog). An den Self-Checkouts kann sie einerseits dabei helfen, den Bezahlvorgang zu beschleunigen, weil weniger manuell gesucht werden muss; und andererseits verhindern, dass teurere Ware absichtlich zum Kilogrammpreis günstigerer Ware abgewogen wird (indem z.B. bei Diskrepanzen ein Alarm an die Kassenaufsicht gesendet wird).


Foto: Messe Düsseldorf/EuroCIS

Bislang kommt der Scan-Assistent laut NCR lediglich testweise in Läden der irischen Supermarktkette Fresh (in Dublin) und bei Morrisons in Großbritannien zum Einsatz, nicht aber in Deutschland.

Getestet wurde aber wohl schon – für kurze Zeit funktionierte die Nektarinenerkennung an SB-Kassen von Rewe in Berlin ganz hervorragend; in der Kölner Zentrale heißt es dazu aber offiziell, dass man die Technologie „aktuell“ nicht einsetze, „auch nicht testweise“.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das noch kommt, ist hoch. Schließlich bilanzieren die Autoren der ECR/NCR-Studioe zum Self-Scanning, dass das (unabsichtliche) falsche Scannen von Produkten nach dem absichtlichen Betrug die zweitmeiste Ursache für fehlende Umsätze an der SB-Kasse ist – „vor allem bei Artikeln, die abgewogen werden müssen“.

So sehen Sie beim Scannen aus

Bis sich solche Product Verification Technologies großflächig durchgesetzt haben, überlegen sich Handelsketten und Gerätehersteller weiter Ausweichlösungen: So wie Aldi, das in Großbritannien gerade auf den Geschmack kommt, Kund:innen ihre Einkäufe selbst scannen zu lassen.

Die dafür installierten Geräte von Diebold Nixdorf erklären nicht nur sehr genau, wie das funktioniert: „Place basket here“, steht auf der Ablagefläche, die unterhalb des Touchscreens installiert wurde und nicht wie bei den meisten anderen Geräten daneben. (Hätte man auch früher drauf kommen können.) In der Schale daneben steht gut sichtbar: „Pack bag here“.

Und damit niemand auf dumme Ideen kommt, ist rechts man der SB-Kasse in Sichthöhe ein kleiner zusätzlicher Monitor angebracht, der den Kund:innen das Kamerabild spiegelt, das sie im selben Moment beim Scannen an der SB-Kasse zeigt.

Als Vertrauenssignal an die eigenem Kundschaft eignet sich diese Maßnahme sicher nicht; aber als Ehrlichkeitsindikator dürfte die Erinnerung, unter Beobachtung zu stehen, ziemlich unschlagbar sein.

Fotos: Supermarktblog"

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Der Beitrag Warum Kaufland seine SB-Kassen (nach)beschleust und Rewe für mehr Übersicht beim Selbstscannen sorgen will erschien zuerst auf Supermarktblog.


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