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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Nach der Real.de-Übernahme: Kriegt Kaufland im Online-Geschäft doch noch die Kurve?

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Kaufland.de – unendliche Weiten: Sonderangebote, Gewinnspiele und Servicetipps soweit das Auge reicht. Aber nirgendwo ein Bestell-Button in Klicknähe. Das soll sich in den kommenden Wochen ändern. In dieser Woche hat die zur Schwarz-Gruppe gehörende Handelskette bekannt gegeben, außer zahlreichen Filialen auch das Digitalgeschäft des Wettbewerbers Real übernehmen zu wollen.

Im Gegensatz zu den stationären Märkten, bei denen sich Ex-Eigentümer Metro über Jahre hinweg dringend notwendige Investitionen sparte (siehe Supermarktblog), hatte sich Real.de zuletzt zu einem echten Erfolg entwickelt – bedingt vor allem durch die vorherige Übernahme und Fusion mit Hitmeister.de, das im neuen Angebot aufging.

Inzwischen funktioniert Real.de als Online-Marktplatz, über den zahlreiche Händler ihre Produkte verkaufen, inklusive angedocktem Lebensmittel-Shop, bei dem Produkte (bislang) in Real-Filialen kommissioniert und den Kund:innen anschließend von Lieferpartnern zugestellt wurden.


Vom künftigen Eigentümer heißt es nun, man plane, den Online-Marktplatz „unter dem Namen Kaufland als Teil des Digitalgeschäfts der Schwarz Gruppe“ weiterzuführen. Ob dies auch für den Lebensmittel-Shop gilt, will Kaufland aktuell noch nicht sagen. Auf Supermarktblog-Anfrage erklärt eine Sprecherin:

„Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir über strategische und operative Details erst sprechen, wenn die kartellrechtlichen Prüfungen abgeschlossen sind.“

Vom Digitalprospekt zum Online-Marktplatz

Durch den Neuerwerb – wenn er denn genehmigt wird – dürfte kaufland.de in jedem Fall vom Digitalprospekt mit Service-Ecke zu einer der stärksten Online-Marktplätze im deutschsprachigen Raum aufsteigen. Was gleich in mehrfacher Hinsicht kurios ist.

Zum einen, weil damit ausgerechnet der Geschäftszweig, bei dem Real zur richtigen Zeit den richtigen Riecher hatte, nun bei dem Konkurrenten landet, der sich zuletzt fast ausschließlich an sein klassisches Filialgeschäft klammerte.

Und zum anderen, weil sich bei Kaufland damit der Kreislauf eines geradezu spektakulären Management-Versagens schließt.

Die Älteren unter den Supermarktblog-Leser:innen werden sich erinnern: 2016 startete Kaufland in Berlin mit einem eigenen Lebensmittel-Lieferservice (siehe Supermarktblog) und experimentierte mit Abholstationen. Keine anderthalb Jahre später wurde der Dienst per Kurzschlussentscheidung aber wieder eingestampft, um sich auf den geplanten Marktstart in Australien zu konzentrieren („Kaufland startet in Australien durch“). Anfang 2020 wurde nun der geplante Markstart in Australien per Kurzschlussentscheidung wieder einkassiert, um sich auf die Übernahme von 88 Real-Filialen in Deutschland zu konzentrieren. In deren Zuge man sich nun wieder ein – bereits erfolgreich etabliertes – Online-Geschäft anlacht.

Und man wüsste schon ganz gerne, was das Unternehmen sich diesen Schlingerkurs hat kosten lassen. (Und wie Kaufland heute dastünde, wenn die Kohle stattdessen in den konsequenten Ausbau des Lieferservices geflossen wäre; siehe dazu auch Supermarktblog).

Kauflands neuer Kumpel Košík

Nun ist, wie gesagt, noch nicht klar, ob Kaufland nach der Real.de-Übernahme auch wieder Lebensmittel-Lieferbereitschaft signalisiert – wobei die Marktbedingungen sich, bedingt durch Corona, inzwischen noch einmal grundlegend verändert haben. So lange viele Konkurrenten weiter eher zögerlich agieren, stehen die Chancen zumindest nicht so schlecht, einen neuen Online-Anlauf zu unternehmen.

Auf Dauer wird Kaufland sich der Marktentwicklung jedenfalls kaum verschließen können. Aber das weiß man in der Zentrale schon ganz gut selbst.

In Tschechien ist die Handelskette gerade eine Kooperation mit dem Lebensmittel-Lieferdienst Košík.cz eingegangen (Pressemitteilung auf Tschechisch), der zu der aus diversen E-Commerce-Unternehmen zusammengesetzten Mall Group gehört (die u.a. von Metro-Miteigentümer Daniel Křetínský unterstützt wurde). Die Zusammenarbeit beschränkt sich aktuell darauf, dass Košík-Kund:innen 600 Kaufland-Eigenmarkenprodukte über die Plattform bestellen können. Ähnliche Partnerschaften haben die Tschechen mit dem britischen Tiefkühlspezialisten Iceland aus Großbritannien sowie den Handelsketten Delmart und Wine Food geschlossen.


Screenshots [M]: kosik.cz/kaufland.cz/Smb

Im Promo-Video läuft Kaufland-Tschechien-CEO Stefan Hoppe selbst durch seinen Laden, um einen Einkauf zu kommissionieren, den er draußen vor der Tür dem Košík-CEO Tomáš Jeřábek übergibt (mit Handschlag, argh!), woraufhin der ihn direkt zur Kundin an die Tür bringt.

Jeřábek scheint ganz verliebt zu sein und lässt sich mit den Worten zitieren:


„Wir wollen zeigen, wie eine großartige Partnerschaft zwischen einer Handelskette und einem Online-Supermarkt aussehen kann.“

Košík ist in Tschechien durchaus ambitioniert unterwegs und lässt seine Kund:innen in Prag und anderen Städten des Landes aus rund 16.000 Produkten auswählen, die dann mit eigenen Fahrzeugen geliefert werden; seit Mai lässt sich auch im Rest des Landes bestellen, dann aber per Paket (und mit eingeschränkter Auswahl).

Glovo liefert für Kaufland in Rumänien

Bereits seit dem vergangenen Jahr kooperiert Kaufland zudem in Rumänien mit dem (in Spanien gegründeten) Start-up Glovo, das sich in mehreren europäischen Ländern als Universalzustelldienst zu etablieren versucht. Über die Glovo-App können Kund:innen aus (aktuell) 2.000 Kaufland-Artikeln auswählen und diese bestellen. Die Online-Einkäufe werden in Filialen zusammengestellt und innerhalb einer Stunde an die Wunschadresse gebracht. Das kostet umgerechnet rund 3,30 Euro Liefergebühren (pro Bestellung); wer für weniger als 13 € bestellt, zahlt außerdem einen kleinen Zuschlag.

Wie wichtig die Partnerschaft für Glovo zu sein scheint, zeigt sich darin, dass das Start-up Kaufland in seiner App sogar ein eigenes Plätzchen direkt auf dem Startbildschirm reserviert hat:


Abb. [M]: Kaufland/Glovo/Smb

In beiden Fällen konzentriert sich Kaufland auf seine bisherigen Kernkompetenzen: Lebensmittel für den täglichen Bedarf anzubieten, ohne sich dabei in Be- und Zustellung einzumischen. Beides überlässt man in Tschechien und Rumänien Lieferpartnern, die sich genau darauf spezialisiert haben.

Die Entmumifizierung startet – jetzt

Damit gibt man zwar einen wesentlichen Teil des Prozesses aus der Hand (und verfügt über keinerlei Direktkontakt zu den Online-Besteller:innen). Das passt aber zu der Begründung, mit der die Handelskette 2017 ihren eigenen Lieferservice in Berlin einstellte. Damals hieß es, „mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit“ könne sich „ein Lieferservice im Lebensmittelbereich auf Sicht nicht kostendeckend betreiben“ lassen. Also: zumindest nicht von Kaufland.

Um sich ein Stück weit zu entmumifizieren und auf Dauer nicht komplett aus dem Online-Geschäft mit Lebensmitteln heraushalten zu müssen, wäre es schlüssig, einen Teil dieses Risikos an Partner auszulagern.

Umso interessanter wird, ob das neue kaufland.de zumindest teilweise an das anknüpft, was mit dem Lieferservice mal begonnen wurde – und zukünftig doch wieder Liefer-Lebensmittel angeboten werden. Auch in Deutschland stünden Partner bereit, die die Zustellung (und mehr) übernehmen wollen würden (siehe Supermarktblog). Und Kaufland könnte – ausgerechnet dank seines bislang größten Konkurrenten – im Online-Geschäft am Ende doch noch die Kurve kriegen.

Titelfoto [M]: Supermarktblog/real.de"

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