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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Warum sich “Frei von”-Produkte für Supermärkte rentieren

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Seit 2012 im Sortiment: "Rewe frei von"-Produkte

Gluten-freie Lebensmittel sind im gut sortierten Supermarkt fast schon eine Selbstverständlichkeit. Zum Beispiel bei Rewe, das seit zwei Jahren die Eigenmarke “Rewe frei von” im Regal stehen hat (siehe Supermarktblog) – allerdings mit gerade mal 29 unterschiedlichen gluten- und laktosefreien Produkten (Artikelliste als pdf). Selbst wenn, wie die “Lebensmittelzeitung” schreibt, in diesem Jahr zehn weitere dazu kommen, ist das ein ziemlich kleines Sortiment.

Es weiß ja auch keiner so genau, wieviele Deutsche überhaupt allergisch auf das Kleber-Eiweiß Gluten reagieren.

Gluten steckt zum Beispiel im Brot, im Pizzateig, in allen Lebensmitteln, für die Getreidesorten wie Weizen, Roggen und Dinkel verwendet werden. Wer unter Zöliakie, also einer Gluten-Unverträglichkeit, leidet, kriegt ernsthafte Gesundheitsprobleme, wenn er davon isst. Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft gibt an, dass jeder 250. Deutsche betroffen sein könnte. “Bild der Wissenschaft” erklärt, dass aber nicht jeder, der sensibel auf Gluten reagiere, automatisch unter Zöliakie leiden müsse. Übelkeiten und Magenbeschwerden könnten auch vom Hochleistungsweizen kommen, den die Industrie züchtet und verarbeitet. Das Magazin zitierte den Magen-Darm-Spezialisten Wolfgang Holtmeier mit der Bemerkung, dass es “gar nicht so viele Zöliakie-Patienten und Glutensensitive [gibt], wie glutenfreie Produkte verkauft werden”.

Für Leute, die wirklich kein Gluten zu sich nehmen dürfen, sind die “Frei von”-Produkte natürlich ein Segen. Für die Hersteller aber auch: ein neues Sortiment, mit dem sich Geld verdienen lässt. Zum Beispiel weil manche Kunden glauben, (teurere) glutenfreie Lebensmittel seien gesünder, und sie deshalb kaufen. Das stimmt aber gar nicht. In Großbritannien sind die Produkte schon zur “lifestyle choice” (“The Grocer”) geworden.

Die Umsätze der Hersteller steigen. Aber damit lässt sich immer noch nicht erklären, weshalb die Supermärkte ihren wertvollen Regalplatz für Produkte freiräumen, die im Moment wohl nur von sehr wenigen Leuten gekauft werden – und dass Rewe dann auch noch ein Mini-Eigenmarkensortiment herausbringt.

Das "Rewe frei von"-Sortiment umfasst derzeit noch ungefähr 30 Produkte

Den tatsächlichen Grund dafür hat der frühere Tesco-Chef Terry Leahy in seinem Management-Buch erklärt:

“Eltern haben keine Lust, für die Familie einkaufen zu fahren, und dann noch mal in einen zusätzlichen Laden zu gehen, um dort Produkte für das Familienmitglied zu besorgen, das vielleicht unter einer Gluten-Allergie leidet. Stattdessen suchen sie sich einen Laden, der diese speziellen Produkte führt – und gleichzeitig den restlichen Bedarf der Familie decken kann.”

Das bedeutet, so Leahy: Ein Supermarkt, der die notwendigen Produkte für Allergiker führt, sichert sich automatisch auch die restlichen Einkäufe einer Familie, die darauf Wert legt – im besten Fall sogar den kompletten Wocheneinkauf. Wenn die Produkte auch noch den Namen des Händlers aufgedruckt haben, so wie “Rewe frei von”, wird die Bindung zu dieser einen Supermarktkette umso stärker.

Für sich genommen muss sich ein Nischensortiment wie die “Frei von”-Produkte gar nicht unbedingt rentieren, weil es im Idealfall bloß der Anker dafür, dass die Leute nicht zur Konkurrenz gehen. Auf seiner Website schreibt Rewe:

“Wir möchten, dass Ihr Leben einfacher wird. Mit den Produkten von ‘REWE frei von’ kommen Sie diesem Ziel ein ganzes Stück näher.”

Näher an Rewe nämlich.

Fotos: Supermarktblog

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