Auf Plakaten und im ungewöhnlich durchdesignten Wochenprospekt bewirbt Lidl derzeit “unsere größte asiatische Woche”. Wobei das Bemerkenswerte daran gar nicht die unfassbare Zahl an Fertigessen-Quatschartikeln ist, die marktmittig in Gitterinseln aufgetürmt wurden und deren Inhaltsangaben reichlich böse Überraschungen für nussallergische Vegetarier bereithalten. (“Kann Spuren von Erdnüssen, Soja, Sesamsamen, Fisch und Krebstieren enthalten” steht z.B. auf der eigentlich rein gemüsigen Thai-Fertigsuppe.)
Bemerkenswert ist vielmehr das neue Design, das Lidl seiner Eigenmarke “Vitasia” verpasst hat. Es ist: sehr bunt.
Bisher waren die Produkte, die ungefähr zweimal pro Jahr in Aktionswochen angeboten werden, unspektakulär schwarz verkleidet. Über den Produktabbildungen stand meist in weißer Schrift der Rufname des Fertigessens. Jetzt gibt es verschiedene Farb-Designs mit unterschiedlichen Schriften für sämtliche, ähem, “Spezialitäten” der Geschmacks- und Kompassrichtungen “China”, “Thai” und “India”. (Ich hab da mal was vorbereitet.)
Drin ist zwar mehrheitlich immer noch dasselbe, weil “asiatisches” Kochen aus Lidl-Sicht offensichtlich vor allem aus Aufbacken, Einrühren, Vollgießen und Dosenöffnen besteht (Abb. oben ist untypisch). Aber die Verpackungen sind jetzt so modern, dass das beim Prospektdurchblättern gar nicht auffällt.
Das aufgepeppte Design ist der neuste Lidl-Streich im Bemühen, sich ein Stück weit vom reinen Billig-Image zu entfernen. Die Botschaft an die – vornehmlich jüngeren – Kunden ist: Wir können nicht nur günstig, sondern auch schick. Zugleich ist es eine Abkehr vom bisherigen Prinzip, Discount-Eigenmarken möglichst genauso aussehen zu lassen wie ihre Markenvorbilder.
Bei Lidls Aktionswochen stand schon bisher eher die Länderzugehörigkeit der Produkte im Vordergrund. Jetzt folgt nach und nach der vollständige Abschied vom spärlich-schlichten Design. “Vitasia” ist die zweite aufgehübscht Ländermarke; im vergangenen Jahr wurde bereits “Italiamo” verpackungsveredelt. Das scheint gut funktioniert zu haben.
In der “Lebensmittelzeitung” notierte GfK-Einkaufsforscher Wolfgang Adlwarth kürzlich, dass die Umsätze, die Lidl 2013 mit Eigenmarken machte, gestiegen sei. Der Umsatz mit Markenprodukten sei hingegen gesunken. Das ist ein interessantes Detail: Weil Lidl sich einerseits gerade massiv anstrengt, deutlich supermarktiger aufzutreten; aber Discount-typisch dank Eigenmarken wächst.
Die Strategie passt gut in die Zeit. Die Private Label Manufacturers Association (PLMA), ein europäischer Verbund von Eigenmarkenherstellern, hat ermittelt, dass viele europäische Kunden sich daran gewöhnt haben, Produkte ohne Markennamen zu konsumieren. In der Schweiz und Spanien sind 53 bzw. 51 Prozent aller verkauften Produkte Eigenmarken. Auf den weiteren Plätzen folgen Großbritannien und Portugal mit jeweils 45 Prozent sowie Deutschland mit 44 Prozent.
Das liegt nicht (nur) daran, dass Kunden mit Eigenmarken Geld sparen. Die Deutschen z.B. kaufen im Supermarkt auch Bio-Artikel, Allergikerprodukte und “Luxus”-Lebensmittel, auf denen der Name des Händlers steht. Und sie sind bereit, dafür etwas mehr Geld auszugeben. Die alte Einteilung Eigenmarke = Billig und Marke = Wertvoll gilt nicht mehr. Einer weiteren Studie zufolge (LZ/Vermarktungsgruppe UGW) glauben inzwischen rund 59 Prozent der Deutschen, dass es keine großen qualitativen Unterschiede zwischen Marken und Eigenmarken gibt. Vor drei Jahren waren es nur 37 Prozent.
Für Discount-Ketten wie Lidl ist das von Vorteil, z.B. auch weil sie neue Kunden gewinnen. Die “Deluxe”-Lebensmittel, die es meist vor Feiertagen gibt (siehe Supermarktblog), sprechen laut GfK vor allem “ältere und größtenteils einkommensstarke Konsumenten” an. Und die brauchen, wenn die Qualität bei Lidl stimmt und man sich nicht mal mehr fürs schäbige Design der Produkte zu schämen braucht, nicht mehr zur Supermarktkonkurrenz zu gehen.
Die Farbe, die Lidl seinen Verpackungen gönnt, ist also ein Signal an neue Zielgruppen. Mit Ausnahme der älteren, größtenteils einkommensstarken nussallergischen Vegetarier, versteht sich.
Fotos: Supermarktblog
Mehr zum Thema: Wer einkauft, liest nicht: Discount-Eigenmarken gestern und heute (1)