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Na endlich: Rewe trägt in Berlin den Pop-up-Store-Trend zu Grabe

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Wir unterbrechen die (an dieser Stelle begründete) Nicht-Berichterstattung über Pop-up-Stores deutscher Lebensmittelhandelsketten für, ähm, einen Bericht über den neusten Pop-up-Store einer deutschen Lebensmittelhandelskette.

Und zwar, weil der Ende März in Berlin-Mitte aufgesperrte „Rewe Pop-up“ nicht nur ein wunderbares Beispiel dafür ist, wie sehr die nervige, inzwischen von unzähligen Marken betriebene Sonderflächeneröffnerei ihren Zenith überschritten hat – sondern auch ein guter Anlass ist, diesen überstrapazierten Trend zu Grabe zu tragen.

Rewe nutzt die riesige Ladenfläche an den Hackeschen Höfen in erster Linie, um die Produkte seiner Eigenmarke ja! zu bewerben. Dafür hat das Unternehmen herausfinden lassen, was die „Lieblingsgerichte der Deutschen“ sind, ein kleines Wiki dazu an die Wand genagelt und – Potzblitz! – gemerkt, dass man die Mahlzeiten alle mit ja!-Produkten nachkochen kann.

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Um das zu veranschaulichen, wurde auf der angemieteten Fläche für jedes Gericht ein eigener Tisch mit Kochanleitung aufgebaut – wofür sich die Gestalter ziemlich schamlos bedenkenlos bei der Ästhetik des Rezept-Anbieters Kochhaus (der gerade Insolvenz anmeldete) bedient hat.

Auf großen Tafeln kriegen Besucher erklärt, wie man die Gerichte zubereitet, die sie angeblich ja ohnehin besonders oft bzw. gerne essen – und das verrät schon ganz gut, für wie doof Rewe seine Kunden halten muss.

Hätten Sie gewusst, dass man für Spaghetti Bolognese „Spaghetti kochen“, „Hackfleisch anbraten“, „Zwiebeln und Knoblauch hacken“, „geschälte Tomaten [Verb fehlt]“ und „Basilikum zupfen“ muss?

Wer sich in der Begeisterung hinreißen lässt, kann die passenden Zutaten gleich an Ort und Stelle käuflich erstehen – und kriegt sie, wenn die richtige Gesamtsumme geschätzt wird, umsonst. Botschaft dieser sehr bemühten Spielerin ist:

„Leckeres Essen muss nicht viel kosten.“

Vor allem aber natürlich: Wer günstig einkaufen mag, braucht nicht unbedingt zum Discounter zu gehen, sondern wird auch bei Rewe fündig – wie die vielen jungen, sehr freundlichen und sehr unterbeschäftigten Pop-up-Bewacher in Rewe-Kluft nicht müde zu erklären werden.

Wie wär’s mal mit: Vielfalt?

Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich mich mit meiner Annahme zu sehr aus dem Fenster lehne, aber: Ich glaube, das wissen die meisten Kunden längst. Womöglich ist es sogar eher kontraproduktiv, ausgerechnet jetzt mit einer klaren Kernkompetenz der Discounter zu werben –und zwar nicht nur, weil die sich herausgefordert fühlen könnten, die Gelegenheit für ein ordentliches Störfeuer zu nutzen. So wie Netto (ohne Hund) am Wochenende.

Sondern vor allem, weil sich Aldi nach der Erweiterung seines Angebots an klassischen Markenprodukten derzeit mit Lidl einen wöchentlichen Kampf um die Preishoheit liefert und die Supermärkte dabei manches Mal ziemlich alt aussehen.

Müsste man in dieser Situation als Händler nicht viel eher für etwas werben, das die Discounter nach wie vor nur eingeschränkt bieten (können) – zum Beispiel: Vielfalt?

Eigentlich wäre es für Rewe kein Problem gewesen, den Fake-Laden zu nutzen, um die ganze Bandbreite günstiger, hochwertiger, besonderer Produkte aller seiner Eigenmarken herauszustellen (nicht nur die von ja!).

Leicht hätte sich erklären lassen, dass die „Lieblingsgerichte der Deutschen“ mit Produkten aus dem Supermarkt ganz easy aufzupeppen sind (ohne ihren Grundcharakter zu verfälschen): zum Beispiel Spaghetti Bolognese mit Oliven und Kapern von Rewe Beste Wahl; oder Nudelauflauf Tomate-Mozzarella mit Linsen-Penne der frisch relaunchten Rewe Bio-Marke; oder Pizza al Gusto mit einem edlen Käse von Rewe Feine Welt.

Ein überstrapaziertes Konzept

Das wäre nicht bloß „Großer Geschmack für kleines Geld“ gewesen, sondern vor allem: „Mehr Vielfalt mit wenig Aufwand“ – einfach zu besorgen bei einem Einkauf im Rewe-Supermarkt Ihres Vertrauens.

Diese Botschaft hätte auch deutlich besser an den ausgesuchten Pop-up-Ort gepasst, wo – schon klar – ziemlich viele Leute vorbeikommen. Aber glaubt Rewe wirklich, dass sich in Berlin-Mitte die Kernzielgruppe für die beabsichtigte Botschaft (Rewe kann auch billig) finden lässt? Oder hat man in Köln einfach all das zusammen in einen Topf geworfen, was noch im Schrank zu finden war: die Reste vom Marketing-Budget fürs Discountpreis-Angebot und den Marketing-Trick, der schon von so vielen anderen Firmen durchgenudelt worden ist, dass selbst König Pop-up gerade bekannt gegeben hat, künftig auf den Quatsch verzichten zu wollen und lieber richtige Läden zu eröffnen?

Ende dieser Woche schließt der begehbare ja!-Store wieder; 50 Meter rechts davon hält der jes-Store des Markenherstellers Katjes allerdings die Stellung. Sieht man eh kaum, den Unterschied.

Und als nächstes arbeiten wir dann daran, dass der Handel gegen diese grassierenden Instagram-Influencer immunisiert wird, okay?

Fotos: Supermarktblog

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Führungswechsel bei Lidl, Kaufland, Aldi Nord: Der Chefsessel als Schleudersitz

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Manchmal hilft es, einen Blick auf andere Branchen zu werfen, um die Herausforderungen der eigenen zu verstehen. Beim Handelsblatt Insurance Summit 2018 hat Sarah Fix-Bähre Ende des vergangenen Jahres zum Beispiel in einem Interview erklärt, wie Unternehmen aus der Versicherungsbranche die Digitalisierung meistern können:

„Man muss ausprobieren, man muss schnell sein, man muss Fehler machen – das ist in Deutschland ein ganz schweres Thema. [Hier] ist immer gut, wer keine Fehler macht.“

All das sei wichtig, um sich auf Veränderungen im Verhalten der Kunden einzustellen: „Diese Art von agilem Arbeiten, diesem nicht-hierarchischen Vorgehen, wo Ideen [im Unternehmen] herkommen können – ich glaube, das ist ganz essenziell.“

Ende März ist Fix-Bähre, die bei Google als Industry Leader Insurance arbeitet, als neues Mitglied in die Schwarz Unternehmens Treuhand eingezogen, dem Aufsichtsgremium der Neckarsulmer Handelsgruppe, die mit 100 Milliarden Euro Jahresumsatz als größte in Europa gilt. Und die bislang vor allem dann besonders agil agiert, wenn es darum geht, in regelmäßigen Abständen die Geschäftsführer ihrer beiden Handelsketten auszutauschen.

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Es war gerade einmal drei Wochen her, dass sich Patrick Kaudewitz Mitte März als Kaufland-Geschäftsführer verabschiedet hatte („aus persönlichen Gründen“), als die Schwarz-Gruppe an diesem Dienstag bekannt gab, dass nach nur zwei Jahren im Amt auch Lidl-Geschäftsführer Jesper Hojer gehen würde („hat sich dazu entschlossen, sein Amt als Vorstandsvorsitzender niederzulegen“). Bei Lidl übernimmt vorerst der frühere Lidl-Italien-Chef Ignazio Paternò; um Kaufland kümmert sich vorerst Konzernlenker Klaus Gehrig höchstselbst.

Abgänge ohne Erklärung

Über die Hintergründe der beiden Wechsel ist öffentlich bislang wenig bekannt. Kaufland hatte in den vergangenen Jahren mit Sortimentsumbauten, Modernisierungsprojekten und der Kehrtwende beim Lieferservice zu kämpfen – aber gerade jetzt, da eine Teilübernahme von Real möglich scheint, wäre eine erfahrene Führung notwendiger denn je. Woran Kaudewitz letztlich gescheitert ist? Schwer zu sagen.

Auch bei Lidl lassen sich kaum Muster ableiten: Die Demission von Sven Seidel vor zwei Jahren war noch plausibel damit zu erklären, dass dessen radikale Ausprobierbereitschaft an oberster Stelle im Konzern auf wenig Gegenliebe stieß. Für Hojer, der in der Folge artig den Digitalisierungsskeptiker spielte, lässt sich das aber kaum behaupten.

Spiegel Online will gehört haben, dass Hojer im Unternehmen „offenbar etwas zu ambitioniert und selbstgewiss aufgetreten“ sei; die Heilbronner „Stimme“ berichtet von „Differenzen über die künftige Ausrichtung der Schwarz-Gruppe“ – ein Klassiker.

Verschobene Machtverhältnisse

Dabei ist das ist ein Punkt, an dem es sich nachzufragen lohnt, denn: Wie sieht die eigentlich aus, die künftige Ausrichtung der Schwarz-Gruppe?

Ausprobieren und schnell sein gehörte bislang eher nicht zu den Stärken der Neckarsulmer. Und wer Fehler machte? Der ging gefälligst. Womöglich ändert sich das, wenn (nicht nur) im Aufsichtsgremium nun erstmals eine stärkere Expertise von außen einzieht. Auch die neue Holdingstruktur, die sich die Schwarz-Gruppe gerade verpasst hat, lässt sich als Signal für die Zukunft werten – in der nicht mehr nur Klaus Gehrig die Geschicke des Konzerns steuert. Nach seiner Beförderung innerhalb der Gruppe hat künftig wohl auch Stellvertreter Gerd Chrzanowski über den neu installierten Beirat mehr mitzureden (in der Funktion des Quasi-Vorstandssprechers).

Möglich wäre, dass die Geschäftsführer der beiden Handelsketten unter Chrzanowski Kompetenzen hätten abgeben müssen – und das mit der bisherigen Besetzung nicht zu machen war. (Aber das ist bloß Spekulation; allerdings soll der neue Lidl-Chef künftig direkt an Chrzanowski berichten – anders als ursprünglich geplant, wie Manfred Stockburger bei stimme.de notiert.)

Erfolgsdruck bei Aldi

Das Durcheinander in Neckarsulm ist derzeit kein Einzelfall im deutschen Discount. Im September des vergangenen Jahres hatte Aldi Nord überraschend bekannt gegeben, dass der bisherige Gesamtverantwortliche Marc Heußinger um die vorzeitige Auflösung seines eigentlich bis 2021 laufenden Vertrags gebeten habe. Heußinger soll zunehmend unter Druck gestanden haben, weil den Gesellschaftern die Modernisierung des Discounters (siehe Supermarktblog) nicht schnell genug gehe, berichteten Medien – nachdem noch wenige Jahre zuvor das exakte Gegenteil der Fall gewesen war. Stellvertreter Torsten Hufnagel übernahm die Führung.

Aldi Süd behält zwar seinen Chef. Vor zwei Wochen berichtete die „Lebensmittel Zeitung“ jedoch, dass der den Einkauf komplett neu aufstellen will (Paywall), auch um künftig mit der Nord-Schwester gegenüber Markenartikelherstellern geschlossener aufzutreten. Etablierte Manager mussten das Unternehmen verlassen.

Wenn drei der größten Handelsketten des Landes innerhalb eines Dreivierteljahres ihr Personal an der Führungsspitze austauschen: Ist das bloß Zufall, weil Manager sich überschätzten oder zu zögerlich handelten? Oder sagt es etwas Grundsätzliches über das System aus?

Aus einer anderen Zeit

Fakt ist, dass die beiden größten deutschen Discountgruppen aus einer Zeit stammen, in der Unternehmensführung tatsächlich stark hierarchisch angelegt war – noch durch die Gründer selbst, die sich im Geschäftsalltag auch in Kleinigkeiten einmischten, um die von ihnen entwickelten Konzepte zu erhalten. Diese Organisationsform ist altersbedingt längst an ihre Grenzen gekommen. Mit ordnungsgemäßen Übergängen scheinen sich die beiden Aldi-Gesellschaften und die Schwarz-Gruppe (in unterschiedlichem Maße) schwer zu tun. Einige dieser Probleme sind im wahrsten Sinne des Wortes hausgemacht.

Wer sich mit Leuten unterhält, die eine zeitlang innerhalb der Schwarz-Gruppe gearbeitet haben, hört immer wieder ähnliches: Dass die Rekrutierung neuer Mitarbeiter in Neckarsulm und Heilbronn stets aus denselben Zirkeln erfolgt, etwa der benachbarten Dualen Hochschule Baden-Württemberg, die von der Dieter Schwarz Stiftung unterstützt wird.

Junge, gut ausgebildete Absolventen haben die Chance, innerhalb des Konzerns schnell aufzusteigen, Karriere zu machen – vor allem aber lernen sie dabei, so zu funktionieren, wie es das Unternehmen gewohnt ist. Auf Mitarbeiter, die von außen dazu kommen, wirkt das bisweilen befremdlich. Und wer ausschert, ist im Zweifel schnell wieder weg.

Die Anpassung systematisch verpasst

Zur Wahrheit gehört auch, dass sowohl bei Schwarz als auch bei Aldi im klassischen Handelsgeschäft ähnliche Fehler gemacht wurden. Über Jahrzehnte wurden (bei Aldi Nord und Kaufland überfällige Modernisierungen aufgeschoben, die nun nicht schnell genug aufgeholt werden können, um im Wettbewerb mitzuhalten. Dafür sind enorme Investitionen notwendig, etwa zum Umbau der Läden. Gleichzeitig bleibt kaum Zeit für kontinuierliche Anpassungen. Alles, was verändert wird, muss sich sofort rechnen – weil es schon immer so funktioniert hat.

Als Markt für Instant-Erfolge war aber gerade der deutsche Lebensmitteleinzelhandel noch nie bekannt. In einer Zeit des Umbruchs, wie jetzt, gilt das umso mehr.

Wie sehr der Chefsessel bei den Discount-Marktführern zum Schleudersitz geworden ist, wirft deshalb nicht nur ein Licht auf die Ungeduld von Eigentümern und Gesellschaftern der einst familiengeführten Handelsimperien. Es zeigt auch, wie sehr – bei aller Notwendigkeit zur Agilität – eine langfristige Vision dafür fehlt, auf welchem Weg ein in der Vergangenheit etabliertes erfolgreiches Konzept so modernisiert werden kann, dass es sich den Herausforderungen der Digitalisierung nicht (wie jetzt) größtenteils verweigert, sondern diese für eine grundlegende Weiterentwicklung nutzt.

Nach zwei Jahren von vorn

Dafür bräuchte es zum einen die Vorstellungskraft, dass Kunden Lebensmittel in zehn Jahren völlig anders einkaufen könnten als heute, zum anderen die Geduld, eine passende Strategie zu entwicklen – und vor allem: diese auch durchzuhalten. An Langfristigkeit ist aber nicht zu denken ist, wenn in der Geschäftsführung alle zwei Jahre wieder von vorn angefangen wird.

Zugegeben: Die Anpassung an die neuen Realitäten mag ein ziemlicher Schock für die über Jahrzehnte eingespielten Systeme sein. Dass Aldi plötzlich nicht nur ein umfassendes Sortiment klassischer Markenprodukte bietet, sondern seit kurzem auch wöchentliche Aktionspreise auslobt, wäre noch vor wenigen Jahren kaum denkbar gewesen. Aber es hätte vermutlich sehr geholfen, diese Möglichkeit im Unternehmen frühzeitig durchzuspielen, um den späteren Schock abzumildern.

Die neue Schwarz-Aufsichtsrätin Fix-Bähre hat die Adaptionsproblem vieler Firmen mit einem Satz zusammengefasst, der nicht nur für die Versicherungs-Branche gilt:

„[In Unternehmen] frisst die Kultur die Strategie zum Frühstück.“

Bloß dass die Strategie im deutschen Discount derzeit eher der Mitternachtssnack ist.

Fotos: Supermarktblog

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Netto (ohne Hund) krönt sich selbst zum Marken-König im Discountreich

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Im vergangenen Jahr gefiel Netto (ohne Hund) die Werbestrategie des Wettbewerbers Lidl für dessen (Eigen-)Markenvielfalt im Sortiment noch so gut, dass man sie kurzerhand in die eigenen Handzettel abpauste (siehe Supermarktblog). Statt der Lidl-Aufforderung „Du hast die Wahl – Starke Marken, starke Eigenmarken“ hieß es dort „Marke oder Netto-Marke? Du entscheidest!“ Dazu war ein Produktpaar aus klassischer Herstellermarke samt Eigenmarken-Pendant und den jeweiligen Preisen abgebildet.

Geschuldet war die Initiative wohl auch dem selbst kommunizierten Anspruch, unter den hiesigen Discountern derjenige mit der größten Markenauswahl zu sein, eben ein „Marken-Discount“.

Dass seitdem Aldi verstärkt in denselben Aufmerksamkeitswettbewerb eingestiegen ist, kann Netto (ohne Hund) freilich gar nicht gefallen – weil es die Positionierung der Edeka-Tochter zunehmend untergräbt. Insbesondere, wenn Aldi wie derzeit wöchentlich bekannte Markenprodukte zu Aktionspreisen auf die Vorderseite seines Handzettels druckt.

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Diese Woche locken Nord und Süd mit Knorr Fix und Toffifee zu Kampfpreisen, nächste Woche mit Chipsfrisch und Leerdamer.


Ausriss [M]: Aldi Süd/Smb

Das will sich Netto (ohne Hund) nicht mehr länger bieten lassen und hält mit doppelseitigen Anzeigen dagegen, die z.B. an diesem Montag in „Bild“ erschienen sind. Unter der Überschrift „Hier ist die Markenauswahl zuhause!“ liefert die Nummer drei im Discount-Markt selbst Sparangebote bekannter Marken – und zwar in der XXL-Variante: Mon Cheri im Dreierpack, Ristorante-Pizza von Dr. Oetker im Doppelpack, Coca Cola in der Zwei-Liter-Flasche. Ein Hingucker ist das aber vor allem wegen der linken Seite.

Auf der sind nämlich die Logos bekannter Markenprodukte abgebildet, in denen der jeweilige Name durch „Netto“ ersetz wurde: von Chiquita und Nivea über Maggi und Dr. Oetker bis Coca Cola und Nutella.


Ausriss: Netto

Für diesen vorläufigen Höhepunkt im zunehmend härter ausgefochtenen Preiswettbewerb mit Markenprodukten nimmt Netto (ohne Hund) auch in Kauf, dass die Anzeige missverstanden werden kann – nämlich als Botschaft, dass sich die bekanntesten Marken des Landes problemlos durch Netto-(ohne Hund)-Varianten ersetzen ließen. (Ich glaube nicht, dass das so gemeint ist; aber der Eindruck kann zumindest entstehen.)

Den Herstellern wird das überhaupt nicht recht sein. Im Kampf der Discounter geraten sie nicht nur was ihre Margen betrifft stärker unter Druck. Die Auseinandersetzungen kratzen auch zunehmend am Marken-Image. Kundinnen und Kunden gewöhnen sich immer stärker daran, dass ihre Lieblingsmarkenprodukte überall verfügbar sind, und zwar regelmäßig mit enormen Preisabschlägen, die im Zweifel vom Wettbewerber noch einmal spontan unterboten werden.

Die Flucht aus dem Discount in den Supermarkt hilft wenig – jedenfalls, wenn sich dort die beabsichtigten Preisaufschläge nicht durchsetzen lassen und stattdessen neue Fronten mit den großen Handelsketten entstehen.

Mehr zu diesem Thema steht am Dienstagmorgen hier im Blog.

Titelfoto [M]: Netto/Smb

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Der Papa wird’s schon richten: Riskiert Edeka wegen Papa Joe’s den Ketchup-Krieg mit Aldi?

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Reibungen zwischen großen Markenherstellern und Handelsketten mag es schon immer gegeben haben. Aber selten wurden sie unter so großer öffentlicher Beobachtung ausgefochten wie jetzt.

Nachdem Kaufland Anfang des Jahres die Nachbestellung bekannter Unilever-Marken endgültig aussetzte (siehe Supermarktblog), steht derzeit vor allem der Zwist zwischen Edeka und The Kraft Heinz Company im Fokus.

Ende Februar hatte die „Lebensmittel Zeitung“ (LZ) zuerst darüber berichtet (Paywall), dass Edeka die vom Hersteller verlangte Preiserhöhung für Heinz Ketchup nicht akzeptieren wolle – und deshalb von Kraft Heinz nicht mehr beliefert werde.

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In den Regalen der Supermärkte gibt es deshalb Lücken. Das ist auch deshalb kritisch, weil momentan „jede zweite Ketchup-Flasche, die Edeka verkauft, von Kraft Heinz“ stamme, schreibt die LZ. („Der Marktanteil des Konzerns bei Ketchup liegt bei 46,7 Prozent“, Paywall).

Kundinnen und Kunden erklärt Edeka etwas umständlich auf einem Hinweisschild:

„[L]eider müssen wir Sie darüber informieren, dass wir Ihnen derzeit nicht alle Produkte des Lieferanten Heinz anbieten können. Es ist unser Anspruch, Ihnen stets ein attraktives Sortiment zu preiswerten Konditionen anzubieten. Leider ist es uns bislang trotz harter Verhandlungen nicht gelungen, eine Einigung mit dem Lieferanten zu erzielen. Wir sind selbstverständlich bestrebt, Ihnen sobald wie möglich wieder sämtliche Artikel des Lieferanten anbieten zu können. In der Zwischenzeit legen wir Ihnen unsere EDEKA-Eigenmarkenprodukte sowie das breite Spektrum an sonstigen Markenprodukten ans Herz.“

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(Sie wollen, dass sich Ihre Kundeninformationen flüssiger lesen? Ich unterstütze Sie gerne mit kompetentem Textredigat. Schreiben Sie mir eine E-Mail oder Direktnachricht.)

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Offensichtlich rechnet Edeka aber damit, dass eine Einigung länger dauern könnte, und hat deshalb einen eigenen Ketchup entwickelt, der dem von Heinz (zumindest verpackungstechnisch) sehr nahe kommt. In den ersten Edeka-Märkten steht das Produkt seit kurzem im Regal, und zwar unter dem Namen „Papa Joe’s“.

Auf dem – stark an Heinz Ketchup erinnernden – Label steht außer dem (vermeintlichen) Markennamen und der Produktbezeichnung lediglich das Versprechen „Crafted for Experts“. Edeka taucht als Absender nicht auf der Packung auf. Wer nicht so genau hinsieht, merkt vielleicht gar nicht, dass sie oder er nicht das Original in der Kopfstehflasche kauft.

Auf der Rückseite fehlt der übliche Eigenmarken-Hinweis „Hergestellt für Edeka“, stattdessen ist die Euco GmbH in Hamburg als Produzent angegeben (die mit der Edeka-Zentrale dieselbe Adresse teilt).

Völlig neu ist diese Strategie, Eigenmarken als Quasi-Marken ins Regal zu stellen, nicht.

Edekas Ketchup-Aufstand allerdings muss als klarer Warnschuss verstanden werden – nicht nur an Kraft Heinz. Sondern an sämtliche Markenhersteller, denen signalisiert wird, dass sich der Marktführer im deutschen Lebensmitteleinzelhandel nicht so ohne weiteres Preise diktieren lässt, und im Zweifel auch bereit ist, diese Position mit dem Verzicht auf Markenprodukte zu untermauern, die im Vollsortiment eigentlich als unverzichtbar gelten.

Die Aktion ist aber noch in anderer Hinsicht interessant, weil sie – unnötigerweise – an einer weiteren Stelle eine Provokation auslöst. Schuld ist der Papa, genauer gesagt: sein Vorname.

Papa Joe trifft Trader Joe

Und zwar nicht nur, weil im „breiten Spektrum an sonstigen Markenprodukten“, das Edeka seinen Kunden ja aktiv empfiehlt, zum Beispiel die Unilever-Marke Knorr bereits mit ihrem „Ketchup Tomato Joe“ zu finden ist, wegen dem man von der Markennamen-Ähnlichkeit irritiert sein könnte.

Sondern vor allem, weil Edekas „Papa Joe’s“ sehr an die von Aldi verwendete Marke „Trader Joe’s“ erinnert.

Die ist nämlich nicht nur Namensgeber des Aldi-Ablegers in den USA, der insbesondere im Westen des Landes mit seinen Filialen aktiv ist (siehe Supermarktblog); auch im deutschen Discount taucht Trader Joe’s auf. Aldi Nord verkauft zum Beispiel Nüsse und Salzsnacks unter diesem Namen (Cashewkerne, Knusperkracher, geröstete Erdnüsse), auch auf Knäckebrot sowie Backartikeln tritt Trader Joe’s als Absender in Erscheinung. Und nicht zuletzt, wenn auch aktionsbedingt, auf: „Sandwich Sauce“ (Ketchup mit Rauchgeschmack).

Selbst wenn eine direkte Verwechselung unwahrscheinlich ist: So richtig kann Aldi diese Namensähnlichkeit nicht schmecken. Zumal der Papa-Joe’s-Ketchup zwar im Vollsortiment bei Edeka verkauft wird, die Marke aber zum direkten Aldi-Konkurrenten und Edeka-Discount-Töchterchen Netto (ohne Hund) gehört, der ohnehin gerade mächtig in Stänkerlaune ist (siehe Supermarktblog).

Netto (ohne Hund) hat Papa Joe’s nach LZ-Angaben von der übernommenen Ex-Tengelmann-Tochter Plus geerbt. Im November des vergangenen Jahres wurde zusätzlicher Markenschutz in zahlreichen Warenklassen beantragt. Die Widerspruchsfrist dafür läuft noch bis zum Juli – und ich hab bei Aldi Nord angefragt, ob man überlegt, diese zu nutzen, denn:

„Widerspruch kann grundsätzlich erhoben werden, wenn befürchtet wird, dass Verwechslungsgefahr mit der eigenen angemeldeten oder eingetragenen Marke besteht“,

heißt es beim Deutschen Marken- und Patentamt.

Lässt Aldi das durchgehen?

Erwartungsgemäß äußert sich die Handelskette dazu nicht. Aber so schnell hab ich von Aldi noch nie keine Information auf eine Anfrage bekommen. Die Pressestelle schreibt umgehend:

„Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen zu dem angefragten Thema leider keine Auskunft geben.“

Einerseits liegt ein Widerspruch nahe, weil Aldi kaum Lust darauf haben wird, dem Konkurrenten die (zusätzliche) Markenanmeldung jetzt kampflos durchgehen zu lassen und zu riskieren, dass demnächst auch bei Netto (ohne Hund) markenähnliche Produkte unter dem Namen Papa Joe’s auftauchen.

Andererseits ist die Taktik, für eine Eigenmarke Optik und Namen einer anderen Marke zu kopieren, natürlich bereits über viele Jahrzehnte geübte Discounter-Praxis – und wenn man bei Aldi plötzlich Verwechselungsgefahr in Verzug sähe, weil das Spielchen diesmal andersherum gelaufen ist, wäre das nur so mittelglaubwürdig.

Stichelei gegen Kraft Heinz

Edeka selbst scheint keine Befürchtungen dieser Art zu haben und leistete sich kürzlich eine kleine Stichelei in Richtung Kraft Heinz. Aus einer ganzseitigen Anzeige in der „Lebensmittel Zeitung“ winkte Betrachter:innen eine fröhliche Tomate mit Papa-Joe’s-Schürze zu, während sich im Hintergrund das Label einer Heinz-Ketchupflasche verschwommen ins Nichts auflöste. Drüber stand:

„Wenn Heinz zu frech wird, kommt der Papa.“

(Und wenn Edeka zu frech wird: Anwalt Aldi?)


Ausriss [M]: LZ/Smb

In jedem Fall hat die Essener Aldi Einkauf GmbH (heißt: Aldi Nord) Ende März ebenfalls zusätzlichen Schutz für ihre Marke Trader Joe’s beantragt, und zwar in zahlreichen bislang nicht belegten Waren- und Dienstleistungsklassen (bis hin zu „Schusswaffen; Munition und Geschosse; Sprengstoffe; Feuerwerkskörper“ – kein Scherz). Ein kleines bisschen nervös scheint man in Essen also sehr wohl zu sein.

Me-too als Innovationsausweis?

Gleichzeitig wirft die neu angemeldete Ketchup-Kompetenz aber kein besonders gutes Licht auf Edeka. Zugegeben: In Hamburg hat man schnell gehandelt und, als der Zwist mit Heinz absehbar war, innerhalb weniger Wochen eine eigene Produkt-Variation aus dem Boden gestampft, die das Eigenmarkenangebot ergänzt. Dafür einen Namen zu verwenden, über dessen Rechte man im (Tochter-)Unternehmen ohnehin verfügte, lag nahe.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Edeka-Vorstandsvorsitzende Markus Mosa sonst in Interviews tönt, ihm seien die klassischen Markenhersteller zu träge, weil sie „kaum noch echte Innovationen auf den Markt bringen, sondern nur noch Me-too-Produkte“, wie Mosa im Gespräch mit „Horizont“ (schon 2013) gesagt hat:

„Diese Lücke müssen wir schließen, damit die Kunden nicht abwandern. Wir brauchen die Vielfalt in den Regalen.“

Und Papa Joe’s ist die Vielfalt, die Mosa meint? Eine Ketchup-Marke, die aussieht wie von Heinz, heißt wie von Aldi – und ihren eigentlichen Absender gegenüber Käufer:innen durch einen Kunstgriff verschleiert?

Nachtrag, 10. April: Edeka verkauft Papa Joe’s Ketchup für 1,49 Euro; weitere Papa-Joe’s-Produkte sind bereits angekündigt: Papa Joe’s BBQ, Papa Joe’s Mango-Curry, Papa Joe’s Knoblauch.

Fotos: Supermarktblog

Großen Dank an Klaus!

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Craft-Beer-Brauer Brewdog rettet sich vor dem Brexit nach Berlin

Game of Grocery: Welches Finale plant Metro für Real?

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Eine der großen Sagen unserer Zeit hat gerade Kurs auf das unvermeidliche Finale genommen. Schon sehr bald entscheidet sich, wer als Sieger aus der letzten (wahrscheinlich nicht ganz unblutigen) Schlacht hervorgehen wird und das Spiel um Macht, Intrigen und Marktanteile für sich entscheidet.

Die Rede ist natürlich – vom Verkauf von Real.

Ein kurzer Recap für alle, die mit Verspätung in das Drama eingestiegen sind: Um die Überbleibsel seines Reichs zu retten, hat sich Olaf, einst König von Metrogroup, die Abspaltung der Provinz Real zum Ziel gesetzt. Deren Stabilisierung vernachlässigte der Herrscher über viele Jahre hinweg konsequent – auf der einen Seite abgelenkt durch die Lossagung von Kaufhaus- und Elektronikmarktländereien, auf der anderen durch den Bau temporärer Schläger an den Ufern Düsseldorfs, wo noch vor anderthalb Jahren die (längst vergangene) Größe des Imperiums zelebriert wurde

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Olaf hat sich in eine unmögliche Situation gebracht: Er steht in der Pflicht, alles dafür zu tun, dass auch unter einem neuen Herrn bei Real niemand Hunger leiden muss – was jedoch als unwahrscheinlich gilt, wenn er den Immobilienverwertungszombies nachgibt, die jenseits der Grenzen seines Reichs mit den aus Metro-Sicht besten Angeboten zu ihm gekommen sind.

Sie mit Drachenglas und Stahlschwertern in die Flucht zu schlagen, ist keine Lösung – denn anders als in leichtgängigen Fantasyserien, die uns das Fernsehen präsentiert, stehen in diesem Fall nicht einmal rechtmäßige Erben bereit, um Anspruch auf Real zu erheben. Anders als zunächst berichtet, scheint sich auch der bisherige Verbündete Markant nicht dauerhaft mit den Stadtrandprovinzen belasten zu wollen.

Die Situation ist weiterhin unübersichtlich, die Zukunft von Real wenig aussichtsreich.

Den Schriftrollenboten der „Lebensmittel Zeitung“ zufolge will Olaf an diesem Montag Exklusivverhandlungen mit dem vielversprechendsten (bzw. möglicherweise einzig verbliebenen) Übernahme-Interessenten beginnen. Noch Fragen? Ja, natürlich.


Wer könnte Real übernehmen?

Das „Handelsblatt“ hatte Anfang April die Investoren x+bricks AG und Redos als mögliche Interessenten für den Kauf von Real ins Spiel gebracht; beide wären wohl in erster Linie an den 65 Immobilien interessiert, die Metro mitveräußern würde. Ein Weiterbetrieb der 279 Real-Filialen käme für sie kaum in Frage. Stattdessen könnten einzelne Märkte an andere Handelsunternehmen veräußert werden. Das würde die Zerschlagung des Unternehmens und das endgültige Aus für Real besiegeln.

Wer hat Interesse an den Filialen?

Die Schwarz-Gruppe hat in Form ihres Vorstands Klaus Gehrig öffentlich Interesse angemeldet, rund 100 Real-Märkte zu übernehmen und zu Kaufland-Filialen umbauen zu wollen. Laut „Lebensmittel Zeitung“ (Paywall) haben auch Rewe und Edeka Interesse an einzelnen Häusern. (Vermutlich aber an denselben.) Dass alle Real-Märkte neue Eigentümer bekämen, scheint nach derzeitigem Stand wenig plausibel.

Warum will niemand Real als Ganzes?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat sich das Geschäftsmodell, ausschließlich SB-Warenhäuser am Rande der Stadt zu betreiben, im Laufe der Zeit weitgehend überholt, weil es nicht mehr dem Einkaufsverhalten der Kunden entspricht. Zum anderen hat Metro über viele Jahre versäumt, Real-Märkte so zu modernisieren, dass sie mit den Wettbewerbern mithalten können. Ein neuer Eigentümer müsste deshalb erstmal massiv in die Sanierung der Läden investieren – ohne zu wissen, ob sich das auszahlt.

Das vielgelobte Markthallen-Konzept, das Real zuletzt umgesetzt hat, eignet sich nur für wenige Standorte und ist zu teuer.

Gibt es keine andere Lösung?

Auch Markant soll interessiert gewesen sein. Über die RTG Retail Trade Group organisiert das Handelsunternehmen den Wareneinkauf mehrerer regionaler Supermarktketten (Tegut, Bartels-Langness, Bünting, Netto [mit Hund]), dem sich auch Real angeschlossen hat. Fallen die über Real erzielten Umsätze weg, schwächt das die künftige Verhandlungsposition der RTG. Ein Gebot soll Metro „jedoch abgelehnt haben, weil [es] unter dem der Immobilieninvestoren lag“, schreibt das „Handelsblatt“.

In der vergangenen Woche wurde zudem das Gerücht lanciert, Metro könne Real – ohne die wertvollen Immobilien – an Markant „verschenken“, um den Weiterbetrieb zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Das ließ Markant jedoch umgehend per „Lebensmittel Zeitung“ dementieren. Der Kooperationsverbund müsse im Interesse aller Mitglieder handeln. Für viele scheint das Risiko, mit Real zu scheitern, zu groß zu sein.

Welcher Investor kriegt dann den Zuschlag?

Kommt drauf an, ob Metro überhaupt noch eine Wahl hat. Laut „Börsen Zeitung“ hat sich einer der beiden verbliebenen Interessenten verabschiedet, weil er sämtliche kartellrechtliche Risiken übernehmen sollte, die sich aus einer Übernahme ergeben könnten. Redos wolle dem aber nicht nachkommen.

Wann ist Finale?

„Bis Mai, spätestens Juni“ sollen Verträge unterzeichnet sein, hat das „Handelsblatt“ auf Nachfrage bei Metro erfahren.

Fortsetzung folgt. Höchstwahrscheinlich: sehr bald.

Ach ja, und: „Game of Thrones“ geht ja auch weiter!

Titelfoto [M]: Supermarktblog, Cullan Smith/Unsplash, Bryan Rodriguez/Unsplash.

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Lieferando erklärt Liefergebühren für Kunden zur Ausnahme – wer zahlt am Ende drauf?

Sind Stehkassen die besseren SB-Kassen?

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Langsam, gaaanz langsam gewöhnen sich deutsche Handelsketten an den Gedanken, ihre Kundinnen und Kunden an der Kasse Artikel selbst einscannen und bezahlen zu lassen. Doch obwohl die Zahl der SB-Kassen im Handel stetig steigt, fremdeln nicht nur zahlreiche Kundinnen und Kunden weiterhin mit der Technik.

Zu Beginn des vergangenen Jahres hat Netto (ohne Hund) bargeldlose Kassen zur Selbstbedienung in die ersten Läden eingebaut (siehe Supermarktblog). Zumindest in Innenstadtfilialen, die nach der Modernisierung wiedereröffnen, scheinen die inzwischen zum Standard-Repertoire zu gehören. Es ist nur nicht ganz klar, ob zur Einkaufserleichterung – oder als Maßnahme zur Abschreckung.

Wer dem Selbstscannen bislang kritisch gegenüberstand, wird sich nach einem Ausflug an die SB-Kassen von Netto (ohne Hund) in der bisherigen Skepsis vermutlich bestätigt sehen. Denn so praktisch die zusätzlichen Bezahlmöglichkeiten vor allem in City-Märkten auf den ersten Blick sein mögen: Die Discountkette gibt sich weiterhin große Mühe, die Technologie möglichst kunden:innenunfreundlich einzusetzen.

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Dass nicht der Servicegedanke im Vordergrund steht, sondern die Förderung des Impulskaufes, ist unübersehbar. Bei neuen Kassen-Installationen ist der Touchscreen, auf dem man sich bis zur Bezahlung tippt, in eine Wand aus Süßwaren eingelassen, die darum betteln, ebenfalls über den Scanner gezogen zu werden.

Noch ein paar zusätzliche Cent mit Mentos, Manner und Knoppers zu verdienen, war Netto (ohne Hund) offensichtlich wichtiger als ein ablenkungsfreier Kassierprozess.

Nun lässt sich Handelsketten schwer vorwerfen, dass sie Kunden dazu bringen wollen, (mehr) Geld bei ihnen auszugeben. Aber gerade für Familien, bei denen der Nachwuchs tippen und scannen helfen darf, ist die Quengel-SB-Kasse bei Netto (ohne Hund) ein ziemlicher Alptraum. (Erinnern Sie sich noch, was der Handel noch anno 2013 für einen Wind um seine explizit quengelfreien Kassen gemacht hat? Vorbei.)

Mitarbeiter:in auf Knopfdruck

Das eigentliche Problem ist aber ein anderes: Im Gegensatz zu z.B. Rewe scheint sich Netto (ohne Hund) im Regelbetrieb keine eigene Aufsicht (mehr) für die SB-Kassen leisten zu wollen. Wenn beim Scannen ein Problem auftritt, sollen Kund:innen den über dem Kartenterminal angebrachten Knopf „Mitarbeiter rufen“ drücken. („… und die Konsequenzen tragen“, müsste da eigentlich auch noch stehen.) Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat besagte:r Mitarbeiter:in in diesem Moment anderes im Laden zu tun, im Zweifel nämlich: an der einzigen anderen geöffneten regulären Kasse zu sitzen und dort Kundinnen bzw. Kunden zu bedienen.

Das führt zu der kuriosen Situation, dass sich – weil im Problemfall immer erst jemand gerufen werden muss – Wartezeiten wegen der SB-Kassen sogar verlängern. Am Ende sind Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen genervt.

Netto (ohne Hund) ist nicht alleine mit dem Problem. Im vergangenen Jahr installierte Wettbewerber Penny in einer Berliner Filiale eine SB-Kasse und forderte Kunden auf:

„Selber scannen, zahlen, fertig: Ab zur SB-Kasse.“

Lange hat der Praxistest nicht lange gedauert, wie Supermarktblog-Leser Ulf beobachtete – und zwar obwohl die Zusatzkasse

„(…) von einer normalen Kasse aus mitbetreut wurde. Bei einer erforderlichen Jugendschutzfreigabe (z.B. Alkohol) konnte eine Kassenkraft das ganze auf ihrem Kassenbildschirm freigeben, ohne aufzustehen. Häufig waren die Probleme aber so nicht lösbar, die Kassenkraft mußte aufstehen und die Warteschlange wurde länger. Beim Personal waren diese Kassen äußerst unbeliebt.“

Discount-inkompatible Innovation?

Kurz gesagt: Für den schnellen, unkomplizierten Einkauf wären SB-Kassen im Discounter prinzipiell gut geeignet – die knappe Personalplanung der Ketten (die im Standardbetrieb immer nur eine:n Mitarbeiter:in an die Kasse setzen) macht dem aber im Zweifel einen Strich durch die Rechnung. Dennoch hat Lidl gerade angekündigt, im Laufe des Jahres „einen Test von Self-Checkout-Kassen“ in Schweizer Filialen starten zu wollen:

„Vor allem in Stadtzentren und Ballungsräumen wurde ein Kundenbedürfnis nach kleineren und schnelleren Einkäufen festgestellt.“

In Belgien und Polen wird auch bereits fleißig getestet, und in Paris dürfen Lidl-Kunden ihre Einkäufe vorher sogar selbst per App scannen. IGD Retail Analysis hat einen knappen Überblick dazu.

In Deutschland verzichtet Lidl (noch) darauf. In der kürzlich eröffneten Münchner Stadtfiliale (siehe Supermarktblog) stehen aus Platzgründen trotzdem keine klassischen Kassen mit Band.

Stattdessen werden Kundinnen und Kunden von Mitarbeitern an kompakten Stehkassen bedient (siehe Titelfoto).

Auch Super- und Drogeriemärkten experimentieren zunehmend mit den Kompaktvarianten. Budni baut zum Beispiel in Filialen seines aufgebohrten „Dein Drogeriemarkt“-Ladenformats Kassentresen mit Kurzförderbändern ein:

Mitbewerber Rossmann setzt, ähm, ebenfalls Stehkassen in modernisierten Märkten ein (die aber eher nach Service-Tresen als nach Kasse aussehen).

Und Rewe lockt in Stadtfilialen schon länger an die „Express-Kasse“, die „für den kleinen und schnellen Einkauf – max. 10 Artikel“ gedacht ist – aber meistens erst besetzt wird, wenn an den regulären Kassen schon Kund:innenstau angesagt ist.

Zack, zack, eingepackt

Sind die Stehkassen – zumindest im deutschen Handel – also womöglich die besseren SB-Kassen? Die Supermärkte scheinen sich auch noch nicht so ganz sicher zu sein.

In ihren Amsterdamer City-Märkten probiert die niederländische Handelskette Jumbo beides aus: In der einen Filiale die SB-Kompaktvariante; in einer anderen die Tresen samt Mitarbeiterbedienung – inklusive Probiertellerchen! (Mehr zum Ladenkonzept steht bald hier im Blog.)

Schneller dürfte der Einkauf für die meisten Kunden an den Stehkassen nicht werden, vor allem, wenn die Tresen lediglich zeitweise als Ergänzung dienen. Aus Unternehmenssicht haben sie jedoch ein paar klare Vorzüge:

  • Tabak und Alkohol können mit Alterskontrolle ausgegeben werden; siehe z.B. Lidl in München:

  • Artikel, die sonst ohnehin erst auf Nachfrage ausgegeben werden (z.B. Rasierklingen) oder ansonsten eine Diebstahlsicherung bräuchten, lassen sich gut sichtbar in einem Regal hinter der Tresenkasse präsentieren.
  • Gleichzeitig kann dort das reguläre Kassensystem zum Einsatz kommen, das weniger wartungsanfällig sein dürfte als die SB-Variante (die allen Weiterentwicklungen zum Trotz regelmäßig zum Software-Absturz gebracht wird – ich hab’s schon mal bis in den DOS-Modus geschafft, falls das noch so heißt).

Die verflixte zweite Kasse

Umgekehrt könnten sich Kunden an der Stehkasse auch stärker gehetzt fühlen, weil fast gar kein Platz mehr zum Einpacken der Ware bleibt. Und der bargeldlose Betrieb ließe sich dort vermutlich auch weniger elegant etablieren. Konsequent wäre es, gleichzeitig die Eine-für-alle-Kassenschlange durchzusetzen, wie sie im europäischen Ausland längst erprobt ist (selbst im Discount). Das dafür benötigte Leitsystem ließe sich ganz nach dem Geschmack von Netto (ohne Hund) bekanntlich ebenfalls mit dem erwünschten Zusatzerwerb von Zuckerhaltigem aufrüsten.

Wobei das alles freilich nur Sinn ergäbe, wenn durchgängig mehr als eine Kasse geöffnet bliebe.

Und damit schließt sich der Problemkreis. Womöglich müssen wir uns einfach daran gewöhnen, dass die Kassentechnikzukunft – in welcher Form auch immer – hierzulande weiter im Stau stehen bleibt. So lange, bis sie vielleicht keiner mehr braucht.

Vielen Dank an Juliane, Maximilian, Sven und Ulf für Hinweise und Fotos!

Fotos: Supermarktblog

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Fusion verboten: Sainsbury’s und Asda gehen im britischen LEH weiter getrennt Wege – bloß: wohin?

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Die beiden britischen Supermarktketten Sainsbury’s und Asda dürfen nicht miteinander fusionieren, hat die Competition and Markets Authority (CMA) in vergangenen Woche entschieden. Wir müssen kurz abwarten, ob sich Handelsexperte Sigmar Gabriel noch in die Angelegenheit einzumischen plant – aber falls nicht, ist damit eine der größten geplanten Fusionen Großbritanniens abgeblasen.

Sainsbury’s hat das Aus für den Deal bereits bestätigt. Und die Asda-Mutter Walmart erklärte, man werde sich darauf fokussieren, Asda weiter als starke unabhängige Handelskette im britischen Markt zu positionieren:

„Walmart will ensure Asda has the resources it needs to achieve that.“

Der Entschluss der CMA hatte sich nach einem Vorbericht im Februar bereits angedeutet. Die Prüfer hatten gravierende Bedenken, dass sich die Marktsituation für britische Kunden durch die geplante Fusion (siehe Supermarktblog) langfristig deutlich verschlechtert hätte. Befürchtet wurden insbesondere höhere Preise für Lebensmittel und Benzin (an den unternehmenseigenen Tankstellen), eine verschlechterte Auswahl, weniger Wettbewerb im Markt.

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(Und überraschende Perspektivwechsel in Erklärvideos für Social-Media-Kanäle?)

Sainsbury’s und Asda hatten für den Fall einer Genehmigung Preissenkungen im Wert von 1 Milliarde Pfund in Aussicht gestellt. Wie genau die sich berechnet hätten oder zu überprüfen gewesen wären, war aber stets unklar.

Wie geht’s weiter?

Das wissen die Unternehmen vermutlich selbst noch nicht so genau. Kritiker werfen Sainsbury’s vor, wegen der geplanten Fusion Ressourcen verschleudert zu haben, die besser in die Modernisierung des Filialnetzes geflossen wären (damit Salatbars nicht zur Schokoladenaufbewahrung dienen müssen, nur so ein Beispiel).

Walmart hatte sich auf der Fusion vor allem deshalb eingelassen, um sich aus dem operativen Geschäft in Großbritannien zurückziehen und stärker auf die Herausforderungen im Heimatmarkt konzentrieren zu können. (Am gemeinsamen Unternehmen, bei dem Sainsbury’s die Oberhand gehabt hätte, wäre Walmart weiter beteiligt geblieben.) Vorerst bleibt Asda nun als Baustelle erhalten. Die Umsätze sind in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. Wie alle britischen Supermarktketten steht Asda aber verstärkt unter Druck, der von den beiden deutschen Discountern Aldi und Lild ausgeübt wird. Beide Ketten gewinnen stetig Marktanteile und haben bei vielen Briten an Beliebtheit zugelegt.

Die Frage ist, ob sich Walmart zeitnah um einen anderen Interessenten bemüht, der Asda übernehmen könnte. Ironischerweise käme dafür am ehesten Amazon in Frage – mit dem man sich in den USA eine harte Auseinandersetzung um die Martkthoheit im (Online-)Handel liefert.

Amazon hat Interesse daran bekundet, auch in Großbritannien im stationären Handel mit Lebensmitteln stärker präsent zu sein. Bislang beschränkt sich diese Präsenz auf einige wenige Whole-Foods-Filialen in London. Dazu passen die Märkte von Asda aber kaum: Sie sind tendenziell eher am Stadtrand gelegen, wenig ansprechend für urbane Zielgruppen und ziemlich in die Jahre gekommen. Allerdings könnte Amazon mit Asda Großflächen erwerben, die sich teilweise zu Lagern stadtnahen Liefer-Hubs umfunktionieren ließen. (Was nicht ganz günstig kommen dürfte.)

Die Zahl der übrigen Interessenten für die SB-Warenhauskette, die nicht einmal über ein funktionierendes Innenstadtkonzept verfügt, wird sich – wie bei Real in Deutschland – in Grenzen halten.

Für Sainsbury’s ist die Situation kaum besser: Auch die Nummer 2 im britischen LEH spürt den Preiswettbewerb der Discounter und verfügt nach dem Fusionsverbot über keine erkennbare Zukunftsstrategie – falls Noch-CEO Mike Coupe nicht noch flugs eine herbeiträllert. Coupe hatte sich nach der Ankündigung des Deals vor einem Jahr damit blamiert, im Vorfeld eines TV-Interview „In it for the money“ gesummt zu haben und konnte bei seinen britischen Landsleuten keinerlei ausgleichende Punkte für Musikalität sammeln.

Fotos: Supermarktblog

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McDonald’s & Co. holen Pflanzen-Burger in den Mainstream: Der Überblick zum Vegan-Burger-Trend

App-Coupons bei Rewe, Rabattstufen bei Lidl Plus: Willkommen im Treueprogramm-Tohuwabohu

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Du sollst kein anderes Kundenbindungssystem neben mir haben. So lautete bislang ein ungeschriebenes Gebot des blauen Kugelgotts Payback, dessen Religion sich Rewe vor fünf Jahren anschloss (siehe Supermarktblog), um nichts eigenes aufbauen zu müssen. Das ist lange her. In den Läden stehen seitdem rote Gutschein-Säulen für die blauen Punkte, als Nichtmitglied wird man beim Einkauf in einer Tour an verpasste Bonus-Chancen erinnert und selbst an der SB-Kasse ist niemand von der Frage sich, ob die Bonuskarte gescannt werd… – nein, danke.

Weil dennoch viele Kund:innen mitmachen, scheint sich Payback für Rewe zu rentieren. Im vergangenen Jahr wurden zusätzliche Monatsboni für regelmäßige Nutzer:innen eingeführt.

Ausschließlich auf die blauen Bonusdrängler will sich aber auch Rewe nicht verlassen und veranstaltet weiterhin zusätzlich Treuepunkte-Aktionen, bei denen für bestimmte Einkaufswerte Klebepunkte zum Sammeln ausgegeben werden, mit denen sich nachher Prämien erwerben lassen, meist mit geringer Zuzahlung. Aktuell gibt’s Lunchboxen mit Disney-Aufdruck und Pfannen von WMF. Der eigentliche Einkauf wird dadurch aber nicht günstiger – anders als beim App-Couponing, für das Rewe gerade wirbt:

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„Attraktive Coupons in der REWE App sind der neue Weg, um beim Einkaufen zu sparen.“

Wer die Rewe-App auf ihrem bzw. seinem Smartphone installiert hat, kann wöchentlich neue Coupons aktivieren, um ausgewählte Produkte günstiger zu erhalten: z.B. Hohes C, Barilla Pesto, Äpfel, Müller Buttermilch, Pick-up-Riegel und Romana-Salatherzen (jeweils minus 50 Cent; die regulären Preise werden nicht dazu angegeben, weil die sich ja je nach Markt unterscheiden). Sobald das Smartphone mit dem entsprechenden QR-Code vor den Tulpenscanner an der Kasse gehalten wird, wird die Gutschrift automatisch verrechnet. Wer will, kann sich per Push benachrichtigen lassen, wenn neue Coupons vorliegen.

Vorgemacht hat das schon vor längerer Zeit (u.a.) die Rewe-Discountschwetser Penny mit ihrer App. Auch andere Handelsketten experimentieren mit digital aktivierbaren Vergünstigungen. Und in Österreich hat die Rewe Group gerade ihr eigenes Payback eingeführt, das Multipartnerprogramm „jö Bonus Club“ (für Billa, Merkur, Penny, Billa u.a.)

Das Praktische an der App-Variante von Rewe und Penny ist jedoch, dass dafür keine separate Anmeldung notwendig ist. Rewe weist in den FAQs explizit darauf hin:

„Sie müssen kein PAYBACK Kunde sein und kein REWE Kundenkonto anlegen, um diese Coupons bei Ihrem Einkauf einzulösen und zu sparen.“

So richtig ausgereift scheint die Lösung noch nicht zu sein: Die Coupons können zwar auch von Lieferservice-Nutzer:innen angewendet werden, „derzeit“ aber nicht aber an der SB-Kasse. Dafür kann Rewe mit seiner System-Hydra nun fast alle Kund:innen erreichen, die generell für Bonussysteme empfänglich sind: Alles-Abgreifer (mit Payback), Traditionalisten (mit analogen Treuepunkten) und Registrierungs-Allergiker (per App-Couponing). Sonderlich übersichtlich ist das alles freilich nicht mehr.

„Super Rabattsammler“ bei Lidl Plus – und baldiger Start in Deutschland?

Auch Lidl hat sich für sein erstes Treueprogramm bekanntlich für eine App-basierte Lösung mit Coupons entschieden – bislang freilich nur im Ausland. Wie Lidl Plus (so heißt das Bonussystem) funktioniert, stand im vergangenen Jahr bereits ausführlich hier im Supermarktblog. Inzwischen ist das System nicht mehr nur in Österreich und Spanien, sondern auch in Dänemark und (seit April) in Polen aktiv. Der Deutschland-Start dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.

Umso interessanter ist, wie sich die „Vorteils-App“ in den vergangenen Monaten weiterentwickelt hat. Digitale Kundenkarte zum Scannen, wöchentlich wechselnde „Super-Gutscheine“ und „Super Rubbellos“ sind als Standard erhalten geblieben. Zusätzlich hat die Discountkette den „Super Rabattsammler“ gestartet.

Bei dem wird jeder ausgegebene Euro automatisch bis zum Monatsende addiert; wer gewisse Schwellen überschreitet, kriegt „Belohnungen“ gutgeschrieben – z.B. Kleinstbeträge von 50 Cent bis 1 Euro, aber auch „5 x GRATIS Semmeln“ (ab 125 € Einkaufswert) oder „1 x Belgische Meeresfrüchte GRATIS“ (ab, ähem, 350 € Einkaufswert – wobei die jeweiligen Betragsgrenzen auch nutzungsabhängig sein könnten).

Als eigenständiges Bonusversprechen wäre das ein bisschen mau. Offensichtlich positioniert der Discounter Lidl Plus aber nicht (mehr) als klassisches Bonusprogramm, sondern eher als Dachmarke für ein ganzes Sammelsurium an Möglichkeiten zur „Belohnung“ von Nutzer:innen – um dadurch den Anreiz zu erhöhen, sich überhaupt dafür zu registrieren. Denn genau das ist bei Lidl Plus weiterhin notwendig.

Lidl verspricht allerdings, dass die Registrierung künftig sehr viel einfacher sein soll, wenn es den „single account to all lidl online platforms“ gibt, den die Entwickler per App-Store ankündigen. Das heißt: ein Login für alle Lidl-Digital-Dienste, ohne sich jedes Mal einen neuen Account anlegen zu müssen.

Die neue „Single-Sign-on-Platform“ wäre auch eine hervorragende Gelegenheit, Lidl Plus in Deutschland einzuführen. Wenn z.B. alle bisherigen Nutzer des Lidl-Online-Shops automatisch die neue „Vorteils-App“ nutzen könnten, wäre Lidl Plus auf einen Schlag eine ziemliche Macht im deutschen Markt der Kundenbindungsprogramme.

Das wird die Handelskette vermutlich nicht davon abhalten, weiterhin Stickeez-Plastiksaugfiguren, Klebebilder und Miniplüschtiere per Treuepunkte-Aktion auszugeben. Aktuell tobt die „Frischebande“ durch die hiesigen Märkte. Wer für 150 Euro einkauft und Punkte zum Kleben oder in der (wiederum separaten) App sammelt, kriegt „Otto Aubergine“, „Betti Biene“ oder „Alfred Apfel“ geschenkt.

Zusammengefasst: Supermärkte und Discounter haben sich mit ihren Programmen zur Kundenbindung in den vergangenen Jahren zunehmend einander angenähert. Anstatt sich auf ein System zu konzentrieren, werden verschiedene Zielgruppen auf unterschiedlichen Wegen angesprochen. Und niemand braucht sich mehr zu wundern, wenn es demnächst an der Kasse länger dauert, weil Kund:innen auf die Idee kommen, nach der Aktivierung von Coupons in diversen Apps und dem Kundenkarten-Scan auch noch die ihnen versprochenen Treuepunkte einzufordern.

Alle, die sich lieber nicht „belohnen“ wollen, sondern einfach einkaufen, haben dann halt Pech.

Fotos: Supermarktblog

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8 Jahre Supermarktblog: Reichweiten-Rekord und Nutzerumfrage – was passt, was fehlt?

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Acht Jahre ist es her, dass hier im Supermarktblog die ersten Texte erschienen – und nee, das fühlt sich nicht an, als sei es erst gestern gewesen. Weil inzwischen ziemlich viel passiert ist im (deutschen) Lebensmitteleinzelhandel.

Obwohl wir noch gar nicht gefeiert haben, gab’s trotzdem schon ein Geschenk: die höchste Blog-Reichweite seit dem Start! Nie zuvor haben so viele Nutzer:innen das Blog aufgerufen und so viele Texte gelesen wie im vergangenen Monat. Vor allem, ob Edeka wegen seiner neuen Ketchup-up-Marke Zoff mit Aldi riskiert, das „Game of Grocery“ mit Real und der Kommentar zu den Chefwechseln bei deutschen Discountern stießen auf großes Interesse.

Mehr als 7.500 Leser:innen informieren sich per Newsletter-Abo und/oder Social Media über neue Blogeinträge. Dazu kommen noch einmal rund 12.000 RSS-Abonnent:innen. Vielen Dank dafür!

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Manches lässt sich in Zukunft sicher trotzdem noch besser machen.

Wie nutzen regelmäßige Leser:innen das Blog? Welche Inhalte gefallen ihnen besonders gut – und welche weniger. Kurz: Was passt, was fehlt? Wer Lust hat, mir dazu Auskunft zu geben, wird am Ende dieses Eintrags zur ersten Supermarktblog-Nutzerbefragung weitergeleitet, die dabei helfen soll, einen besseren Überblick zu bekommen, wer hier mit welchen Vorlieben mitliest.

Zunächst aber: Vielen Dank an alle Partner und Sponsoren, die sich hier im Blog präsentieren, die Idee eines unabhängigen Nischen(fach)blogs zum deutschen Lebensmitteleinzelhandel unterstützen und ohne die es nicht möglich wäre, Supermarktblog.com so kontinuierlich mit Inhalten zu füllen. (Großer Dank gilt vor allem Jochen, der nach all den Jahren immer noch an das Projekt glaubt und mit Exciting Commerce vorgemacht hat, wie man unabhängig und erfolgreich im Netz über die Entwicklungen im [Online-]Handel schreibt.)

Besonderer Dank gilt auch den Lesern, die das Blog über Steady unterstützen, und dabei mithelfen, dass hier selbst recherchierte Inhalte, eigene Einschätzungen und konkrete Marktbeobachtungen erscheinen können – statt geringfügig umformulierter Pressemitteilungen und aus der Fachpresse abgeschriebener Themen, wie in manch anderen Online-Medien.

Falls Sie sich ebenfalls für ein Sponsoring interessieren: an dieser Stelle gibt’s mehr Informationen dazu. Hier geht es zur Seite für Unterstützer:innen. Und alle, die drei Minuten Zeit erübrigen können, gelangen hier:

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Vielen Dank fürs Mitlesen, Teilen und Mitmachen!

Titelfoto: Supermarktblog

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Jetzt auch in Deutschland: Lidl Plus startet zuerst in Berlin und Brandenburg

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Noch in dieser Woche startet Lidl sein App-basiertes Kundenbindungsprogramm Lidl Plus in Deutschland. In einer Beta-Phase sollen zuerst Kund:innen in Berlin und Brandenburg die im Ausland erprobte „Vorteils-App“ nutzen können. Entsprechende Pläne hat Lidl Ende April intern bekannt gegeben. Inzwischen ist die Ankündigungs-Seite online.

Lidl Plus ist bislang in Österreich, Spanien, Dänemark und Polen aktiv. Nach einmaliger Registrierung erhalten Kund:innen eine virtuelle Bonuskarte per App, die an der Kasse gescannt werden muss, um vorher aktivierte Coupons einzulösen. Werden gewisse Betragsschwellen erreicht, gibt es zudem Gutschriften oder Gratis-Produkte (siehe Supermarktblog). Dazu erhalten Lidl-Plus-Nutzer für wechselnde Produkte an der Kasse Direktrabatte, die am Regal und in der App gekennzeichnet sind.

Über Lidl Plus lassen sich auch die aktuellen Werbeprospekte abrufen; außerdem kann die App genutzt werden, um darin elektronische Kassenbons zu sammeln.

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Wer sich neu registriert, erhält einen „Willkommensrabatt“ von 5 Euro, der ab einem Einkaufswqert von 25 Euro einlösbar ist. Lidl verspricht zusätzlich „Partnervorteile“, bei denen es sich vor allem um Rabatte auf Eintrittskarten handelt, u.a. für den Berliner Aqua Dom & Sea Life, Madame Tussauds sowie den Filmpark Babelsberg. Registrierte Nutzer:innen erhalten zudem 10 Prozent auf Ticket-Buchungen von Flixbus.

In den regulären App-Stores ist Lidl Plus für deutsche Nutzer:innen an diesem Mittwoch bislang noch nicht verfügbar, der Download für Android und iOS erfolgt etwas umständlich über die besagte Ankündigungsseite.


Screenshots: Lidl

Damit das System funktioniert, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen benötigen die Kassen in den Filialen so genannte „Top Down Lesegeräte“ – Scan-Vorrichtungen, an denen Kunden während des Bezahlvorgangs den Karten-Code einlesen können. Die Metalltulpen sind bereits seit längerem in deutschen Lidl-Märkten installiert (siehe Supermarktblog).

Gleichzeitig benötigen Kund:innen, um die App während des Einkaufs vollumfänglich nutzen zu können, eine mobile Internetverbindung – und genau damit dürfte es in vielen Märkten aufgrund des schwierigen Empfangs haken.

Aus diesem Grund hat sich Lidl nach Supermarktblog-Informationen dazu entschlossen, sämtliche Märkte mit WLAN auszurüsten. (Das könnte auch der Grund dafür sein, dass Lidl Plus zuerst in kleineren Auslandsmärkten getestet wurde.) Weil die Installation der Netzwerke in den über 3.000 Läden hierzulande einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte, erfolgt die Lidl-Plus-Einführung womöglich schrittweise. Aller Voraussicht nach sollen sämtliche deutschen Märkte aber bis 2020 ausgestattet und Lidl-Plus-fähig sein.

In den kommenden Tagen dürfte Lidl Plus auch in den Filialen sichtbar werden – vermutlich mit einem leicht veränderten Logo, das in der deutschen App-Version bereits zum Einsatz kommt und in dem die Schriftart an den hiesigen Markenauftritt angepasst ist.

Auf Supermarktblog-Anfrage wollte sich Lidl nicht zum Thema äußern.

Vielen Dank an Caruso1985, Marko, Andreas und Daniel!

So sieht Lidl Plus in Österreich aus:

Titelfoto [M]: Lidl/Smb, Fotos: Supermarktblog

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Amazon Fresh liefert frische Lebensmittel derzeit nur morgens und abends an den Stadtrand

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„Mit AmazonFresh profitieren Mitglieder von flexiblen Lieferoptionen von Montag bis Samstag: (…) Kunden können bis 23 Uhr (…) bestellen und die Bestellung schon am nächsten Tag in einem gewählten 2-Stunden-Lieferfenster erhalten.“

So erklärt Amazon auf seiner Seite die Vorteile seines Lebensmittel-Lieferdiensts Fresh, der vor zwei Jahren in Deutschland gestartet ist (siehe Supermarktblog). Derzeit gilt dieses Versprechen aber nicht (mehr) für alle Kund:innen, die zusätzlich zur Prime-Abogebühr einen monatlichen Aufschlag von 9,99 Euro zahlen, um Fresh zu nutzen.

In einigen Postleitzahl-Gebieten hat Amazon die Lieferoptionen deutlich eingeschränkt.

Der Fresh-Standard sieht vor, dass Bestellerinnen und Besteller ihre Einkäufe in Zwei-Stunden-Zeitfenstern zwischen 8 und 22 Uhr nachhause gebracht bekommen: von 8 bis 10 Uhr, 10 bis 12 Uhr, 12 bis 14 Uhr usw. Im ganzen Liefergebiet? Nein, nicht im ganzen: In einigen Berliner Bezirken mag Amazon frische Lebensmittel momentan nur morgens oder abends liefern.

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Vier statt acht Zeitfenster

Statt der regulären acht Zeitfenster stehen dort lediglich vier zur Verfügung (8 bis 10 Uhr, 10 bis 12 Uhr, 18 bis 20 Uhr, 20 bis 22 Uhr), zum Teil auch weniger (nur 18 bis 20 Uhr). Montags ist die Belieferung – wie im restlichen Liefergebiet – in der Regel erst ab 10 Uhr möglich. (So kann Amazon vermutlich Sonntagsarbeit in der Kommissionierung vermeiden.)

In meiner Stichprobe diese Woche schienen vor allem Lieferadressen am Stadtrand betroffen zu sein – und das auch nicht überall. In Köpenick, Karow, Steglitz und im benachbarten Potsdam ließ sich in der Regel weiterhin aus allen Zeitfenstern auswählen. In Lankwitz, Marzahn-Hellersdorf, Rudow und Hohenschönhausen hingegen wurde für die kommenden zwei Wochen eine eingeschränkte Auswahl angezeigt.


Screenshot: amazon.de

Nach welchen Kriterien Amazon Fresh-Zustellzeiten einschränkt, lässt sich schwer abschätzen – es scheint aber eine gewisse Variation zu geben. In einzelnen PLZ-Gebieten sind z.B. an manchen Tagen sämtliche regulären Zeitfenster verfügbar, zu anderen Daten wird hingegen nur eine drastisch reduzierte Auswahl angezeigt, etwa in Spandau und Britz. Womöglich handelt es sich nicht um eine grundsätzliche, sondern um eine temporäre Einschränkung.

Zu Gründen und Umfängen der Einschränkung möchte sich Amazon auf Supermarktblog-Anfrage nicht äußern.

Es liegt aber nahe, dass das Unternehmen damit entweder Personalengpässe (z.B. beim Lieferpartner) überbrückt oder Logistikkosten spart, z.B. weil in bestimmten Gebieten nur wenige Fresh-Kunden wohnen, die einzeln beliefert werden müssen. Oder weil Kunden in diesen Gebieten ohnehin mehrheitlich Lieferzeiten am Morgen und am Abend auswählen, sodass es sich nicht lohnt, dort noch einmal zusätzlich tagsüber hinzufahren. (Was jedoch nicht die Schwankungen in manchen Bezirken erklärt.)

Lieber andere liefern lassen

Die Erfahrung, dass sich lange Anfahrtswege zu einzelnen Kunden nicht lohnen, haben auch andere Lebensmittel-Lieferdienste gemacht. Einige stellen Einkäufe deshalb an ausgewählten Adressen nicht mit eigenen Mitarbeitern zu, sondern überlassen das Logistik-Partnern, die auf Next-Day-Delivery spezialisiert sind. Rewe und Edekas Bringmeister kooperieren dafür z.B. mit der Hermes-Tochter Liefery, übrigens längst auch für Innenstadt-Lieferungen.

Für die Zustellung der Fresh-Einkäufe hat Amazon vor zwei Jahren eine exklusive Vereinbarung mit DHL geschlossen (siehe Supermarktblog). Außer eigenen Fahrern schickte die Post-Tochter auch Subunternehmer „im Auftrag von DHL“ los (siehe Supermarktblog), zum Teil in Mietwägen. Wie lange die Vereinbarung mit DHL läuft, und ob Amazon bereit wäre, Fresh nach deren Ablauf mit einer eigenen Logistik weiterzuführen, ist nicht bekannt.

Wieviele Kunden nutzen Fresh?

Wieviele Kund:innen Fresh bislang in Berlin und Potsdam, Hamburg und München nutzen, hat Amazon bislang ebenfalls nicht verraten. Nach zwei Jahren dürfte das Unternehmen aber ein gutes (datenbasiertes) Bild davon haben, in welchen PLZ-Gebieten der Dienst tendenziell stärker nachgefragt wird – und wo es zu verschmerzen wäre, Kunden zu verlieren, die mit den neuen Lieferzeit-Slots nicht einverstanden sind. (Diese PLZ-Gebiete können im Zweifel natürlich auch direkt nebeneinander liegen, nicht notwendigerweise am Stadtrand.)

Aus wirtschaftlicher Sicht ist diese Strategie nachvollziehbar. Fakt ist aber auch: Das Fresh-Versprechen der „flexiblen Lieferoptionen von Montag bis Samstag“ gilt derzeit nicht für alle Kund:innen, die monatlich rund 10 Euro zusätzlich für den Dienst zahlen sollen, im selben Maße.

Für Amazon, das sonst gerne die Priorisierung der Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden für sich in Anspruch nimmt, ist das – sagen wir: erstaunlich.

Mehr über Amazon Fresh zwei Jahre nach dem Deutschland-Start steht in den kommenden Tagen hier im Blog. Zu den bisherigen Supermarktblog-Texten über Fresh geht es hier entlang.

Vielen Dank an Franz S. für den Hinweis!

Titelfoto: Amazion, Foto: Supermarktblog

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Zwei Jahre nach dem Start: Die sieben bemerkenswertesten Probleme von Amazon Fresh in Deutschland

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Als der Start von Amazon Fresh den deutschen Lebensmitteleinzelhandel vor zwei Jahren kurzzeitig aus seinem Dornröschenschlaf riss, war das trotz der eschatologischen Begleitberichterstattung vieler Medien noch lange kein Grund, an eine Marktrevolution zu glauben. Weil Amazon – allen Erfahrungen aus den USA zum Trotz – auf diesem Gebiet immer noch ein ziemliches Greenhorn war. Und im größten (bzw. vielleicht kompliziertesten) europäischen Markt für den Handel mit frischen Lebensmitteln ziemlich viel würde dazu lernen müssen (siehe Supermarktblog).

24 Monate später steht fest: Das Gespenst hat sich beim Erschrecken nicht mal richtig angestrengt.

Zumindest liegt diese Bilanz nahe, wenn man sich ansieht, wie Amazon den Dienst seit dem Deutschland-Start weiterentwickelt hat: quasi gar nicht. Als die FAS vor zwei Monaten den hiesigen Amazon-Chef Ralf Kleber interviewte (Paywall), lauteten Schlagzeilen zwar: „Amazon Fresh will in Zukunft deutschlandweit frische Lebensmittel liefern“. Dabei dürfte es sich bloß um ein Missverständnis gehandelt haben.

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Etailment fasste damals treffend zusammen:

„Falls Sie jetzt rund um Amazon und den Lebensmittel-Onlinehandel Schlagzeilen lesen, die nach Abteilung Attacke klingen und sich dabei auf das Interview mit Deutschland-Statthalter Ralf Kleber in der FAS (…) berufen, dann dampfen Sie das ein bisschen ein. Wie immer sagt Kleber mit der üblichen waghalsigen Undeutlichkeit nur, dass man weiter am Thema Lebensmittel dran sei. Gegenwärtig dreht sich Amazon dabei aber ziemlich auf der Stelle.“

Der folgende Text ist eine ausführliche Zusammenfassung dieses Ziemlichenaufderstelletretens.

Problem 1: Fehlende Personalisierung

Mit der Ankündigung „Fleisch und Fisch für Ihr Osteressen“ empfahl mir Amazon Fresh per Newsletter rechtzeitig vor den Feiertagen kürzlich ein paar besondere Spezialitäten, nach Ostern außerdem den neuen „Fleisch-Produktfinder“ („Jetzt ausprobieren“), später nochmal den „Kabeljau des Monats“. Und das wären ja auch alles hervorragende Hinweise – wenn Amazon nicht eigentlich wüsste, dass ich in meinen bislang 45 Fresh-Bestellungen in zwei Jahren noch kein einziges Mal Fleisch oder Fisch bestellt habe.

Man braucht keinen besonders ausgeklügelten Algorithmus, um daraus abzuleiten, dass ein Kunde mit diesem Bestellprofil vermutlich keine Angebote für Schweinemedaillons, Filetsteak vom Rind und Bio-Hähnchen benötigt, sondern – andere.

Für die regelmäßig ins E-Mail-Postfach geschickten Newsletter bleibt dieses aus der Bestellhistrie abeleitbare Wissen jedoch ungenutzt – ausgerechnet beim Big-Data-Spezialisten, über dessen Kernkompetenzen Deutschland-Chef Kleber (in einem Interview vom Mai 2016) sagte:

„Es hilft natürlich ungemein, 300 Millionen aktive Kunden zu haben, die sich in deinem Shop bewegen und ständig Signale geben.“

Außer natürlich, man entscheidet sich, diese Signale konsequent zu ignorieren. Nach zwei Jahren scheint es Amazon immer noch nicht geschafft haben, die Wochenempfehlungen für Fresh-Kunden zu individualisieren und schickt weiterhin offensichtlich duchstandardisierte Newsletter, noch dazu mit völlig nichtssagenden Allgemeinversprechen („Entdecken Sie unsere häufig wechselnden Angebote“???).

Die Empfehlungen auf der Fresh-Website scheinen dagegen tatsächlich auf den zuvor getätigten Einkäufen zu basieren. Sie sind deswegen aber nicht wesentlich besser. Aktuell „empfiehlt“ mir Amazon, doch mal frisches Gemüse und Bio-Dosenmais zu bestellen.

Fresh galt lange auch deshalb als Angstgegner klassischer Supermärkte, weil Amazon im Ruf stand, sein ohnehin schon großes Wissen über die Konsumgewohnheiten regelmäßiger Kund:innen durch den wöchentlichen Lebensmitteleinkauf noch vergrößern und verfeinern zu können.

Derzeit strengt sich das Unternehmen sehr an, von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen.

Problem 2: Vertauschte Priorisierung

Amazon wirbt mit „mehr als 100.000 Artikeln“, die auf der Fresh-Plattform für den „kompletten Wocheneinkauf“ verfügbar sind. Durch manche Produktkategorien kann man sich endlos durchscrollen. Dafür fehlen immer wieder (Frische-)Artikel, die es im Supermarkt um die Ecke ganz selbstverständlich zu kaufen gibt. Eine sichtbare Verbesserung des Angebots ist in den vergangenen Jahren nur sehr zögerlich erfolgt.

Zwar werden ständig neue Produkte ins Angebot aufgenommen – die Sortimentserweiterung scheint aber weniger kundengetrieben zu sein, sondern zielt eher darauf, Werbekostenzuschüsse von Markenartikelherstellern einzutreiben, die ihre Produkte auf der Fresh-Plattform unterbringen oder besser sichtbar machen wollen.


Screenshot: amazon.de

Gegenüber Herstellern listet Amazon z.B. (kostenpflichtige) Möglichkeiten für „Marketingplatzierungen“ auf, etwa das „Storefront Primary Placement“, das „Subcategory Primary Placement“ oder das „Subnavigation (Wayfinder) Fly-Out“. Markenprodukte können in der Menü-Übersicht „stellvertretend für eine gesamte Unterkategorie“ gezeigt werden; die Fresh-Startseite dient als „oberste Werbeflache“ für Partner, die „z.B. auf ein exklusives Produktsortiment“ hinweisen und neue Kund:innenen per „Product Sampling“ (kostenlose Produktzugaben) ködern wollen. „Samplings fördern effektvolle Kundenbindung“, erklärt Amazon dazu; „promotete Produkte steigen auch in der Suche nachhaltig“. Vor allem aber:

„Ihr Produkt gelangt in die Einkaufshistorie der Kunden.“


Screenshot: amazon.de

Ein „Sampling Paket Basic“ (mit „Marketingbox“ auf der Fresh-Startseite und einem „Hero Billboard“ auf der dazu gehörigen „Event-Seite“) kostete in der Vergangenheit bis zu 50.000 Euro. Bis zu 117.500 Euro wurden für ein „Sampling Paket Produkteinführung“ berechnet – zusätzlich zum Wert der kostenlos an Kund:innen ausgegebenen Ware, versteht sich.

Bezahlte Aktionen und Platzierungen gehören auch im stationären Handel zur Regel; Händler verdienen damit im Zweifel mehr als mit dem eigentlichen Verkauf der Produkte. Wie sehr Amazon bei Fresh aber von Anfang an auf Vermarktung drängte, anstatt zunächst ein für Neukund:innen ansprechendes Angebot zu gestalten, ist durchaus bemerkenswert.

Problem 3: Unübersichtliche Bestelllimits

Wie bei anderen Online-Lieferdiensten für frische Lebensmittel gibt es (inzwischen) auch bei Amazon Fresh Bestelllimits für bestimmte Artikel. Die Abgabe in „haushaltsüblichen Mengen“ ist nicht unüblich. Bei Fresh stolpert man als Kundin oder Kunde aber oft erst dann darüber, wenn man die Bestellung bereits abschließen und bezahlen will. Auf der Artikelübersichtsseite erscheint der rot eingerahmte Hinweis „Leider können wir nicht Ihre gesamte Bestellung versenden“, neben dem betroffenen Produkt der Hinweis:

„Die Abnahmemenge dieses Artikels ist leider begrenzt. Wir haben Ihre Stückzahl auf die maximal mögliche Abnahmemenge geändert.“

Leider scheint die erlaubte Stückzahl stark zu schwanken, nicht nur bedingt durch die reine Verfügbarkeit. Bei frischem saisonalen Obst und Gemüse wird die Bestellmenge vermutlich begrenzt, um den Artikel auch noch anderen Fresh-Kunden anbieten zu können. Auch bei rabattierten Angebotsartikeln kriegen Vorratskäufer schnell Grenzen aufgezeigt. Transparent dargestellt ist das im Einkaufsprozess aber nur selten. (Dazu kommt, dass im Einkaufswagen angezeigte Bestelllimits nicht immer mit denen in der Artikelübersicht übereinstimmen.)

Problem 4: Gescheiterte Lokalisierung

Zum Start bot Amazon Fresh-Besteller:innen an, zusätzlich zum klassischen Supermarkt-Sortiment auch Spezialitäten aus ausgewählten „Lieblingsläden“ zu liefern: Feinkostgeschäfte, Kaffee-Röstereien, regionale Produzenten. In Berlin standen zunächst 28 Partner in der Übersicht, und Florian Baumgartner, Director Amazon Fresh Deutschland, versprach im Interview mit „Zeit Online“:

„Wir glauben, dass unsere Kunden den Service schätzen werden, lokale Spezialitäten direkt an die Tür geliefert zu bekommen. Deshalb werden wir das Programm weiter ausbauen und neue Lieblingsläden aufnehmen (…).“

Das war schon ein Dreiviertel Jahr später Makulatur: Die meisten Partner hatten sich bereits zu Beginn des darauffolgenden Jahres schon wieder verabschiedet; vielen war der Aufwand angesichts der geringen Zahl an Bestellungen wohl zu groß (siehe Supermarktblog). Inzwischen sind die „Lieblingsläden“ in „Lokale Lieblinge“ umgetauft worden, in Berlin sind von einst 28 noch sieben Partner übrig (Lindner, Zeit für Brot, Nordsee, bjuice, Kochhaus, Sagers, Hussel); von einer Ausweitung des Angebots ist keine Rede mehr.

Amazon hat es versäumt, sich auf die Bedürfnisse der Partner einzustellen – und ihnen enge Vorgaben gemacht, anstatt sie dabei zu unterstützen, den für sie neuen Vertriebskanal so gut wie möglich zu nutzen. Damit hat Fresh einen seiner größten Vorteile gegenüber den Wettbewerbern achtlos verspielt.

Problem 5: Fehlendes Verpackungs-Know-How

„Amazon achtet darauf, Verpackung zu vermeiden und gleichzeitig die hohe Qualität der Produkte zu wahren. Die meisten Bestellungen liefert Amazon in wiederverwertbaren Papiertüten“,

versprach Fresh-Chef Baumgartner im Amazon-eigenen Blog. Aber in den wiederverwertbaren Papiertüten wartet ein kleiner Vorrat an Einwegverpackungen auf die auspackenden Kund:innen.

Während alle großen deutschen Handelsketten derzeit um die Vorrangstellung beim Abbau überflüssiger Verpackungen buhlen, geht Fresh den entgegengesetzten Weg. Frischware ist in Plastikschalen gepackt, die nicht nur unpassend und/oder zu groß sind (ovale Mangos in quadratischen Packbehältern?), sondern auch den eigentlichen Zweck verfehlen: den angemessenen Schutz beim Transport. Das dürfte auch daran liegen, dass Amazon seine Lieferanten mit dem Problem alleine lässt, obwohl die meisten ja auch keine Spezialisten für Online-Lebensmittellieferbedingungen sind.

Eine konsistente Strategie (Papierschalen statt Plastik, Banderolen statt Plastikhüllen, alternative Packkonzepte) scheint es bei Fresh nicht zu geben; den Erwartungen vieler Kund:innen wird das angesichts der Änderungen im stationären Handel jedoch nicht mehr gerecht.

Problem 6: Unkalkulierbare Verfügbarkeit

Wenig ärgert Kundinnen und Kunden so sehr, wie umsortierte Sortimente in „ihrem“ Supermarkt, weil dann regelmäßig eingekaufte Produkte neu gesucht werden müssen. Amazon Fresh kann das noch steigern: Viele Artikel verschwinden von einem Tag auf den anderen komplett aus dem Angebot. Natürlich gibt es Auslistungen auch bei Edeka, Rewe, Lidl & Co. Bei Fresh gehört es allerdings zur Regel, dass Artikel vorübergehend oder dauerhaft im Online-Nirwana verschwinden. Tegut Orangen-Direktsaft? „Derzeit nicht verfügbar.“ Biozentrale Crunchy Müsli? „Derzeit nicht verfügbar.“ Lebensbaum Bio-Chai-Tee, Arla Sky Honig, Natur-Joghurt von Söbbeke? „Derzeit nicht verfügbar.“ (Und als Ersatz für den Sixpack Rothaus Tannenzäpfle schlägt der Amazon-Algorithmus ernsthaft Krombacher vor?)

Natürlich lässt sich auch ein anderes Müsli kaufen, und der Joghurt leicht ersetzen – aber gerade beim Lebensmitteleinkauf haben viele Kund:innen Lieblingsprodukte, bei denen sie sich nicht alle zwei Wochen umgewöhnen wollen. Für die ist Fresh derzeit nicht die ideale Wahl.

Und wenn sie deshalb ihr Liefer-Abonnement kündigen? Dann sind sie erstmal weg. Rückhol-Mails, in denen Kund:innen gefragt werden, warum sie schon länger nicht mehr bestellt haben oder mit personalisierten Rabatten zur Wiederbestellung aktiviert werden, verschickt Amazon nicht. Auf die Idee muss man erstmal nicht kommen.

Problem 7: Zerbrochene Allianzen

Die Münchner Biokette Basic gehörte zu den Fresh-Partnern der ersten Stunde, kündigte die Kooperation aber im vergangenen Jahr (siehe Supermarktblog) und kooperiert beim Online-Vertrieb ihrer Eigenmarke inzwischen lieber mit dem Wettbewerber Bringmeister.

Auch die Allgäuer Regionalkette Feneberg hat sich bei Fresh beim Schwesterdienst Prime Now längst wieder verabschiedet und ist zu Edeka übergelaufen.

Nur die (zur Schweizer Migros gehörende) Fast-Biokette Tegut liefert ihre Eigenmarken weiterhin an Amazon – und zeigte sich im vergangenen Jahr damit relativ zufrieden (siehe Supermarktblog).

Die Zahl der Lebensmittelhändler, die hierzulande bereit sind, mit Amazon zu kooperieren, ist weiterhin überschaubar. Im europäischen Ausland sieht das völlig anders aus: Die Allianz mit der britischen SB-Warenhauskette Morrisons besteht bereits seit 2016; und in Frankreich haben Amazon und das zu Casino gehörende Monoprix kürzlich bekannt gegeben, die Partnerschaft wegen des Erfolgs noch intensivieren zu wollen. Es sieht ganz so aus, als müsste Amazon, um im deutschen Lebensmitteleinzelhandel dauerhaft einen Fuß auf den Boden zu kriegen, tatsächlich selbst eine Handelskette übernehmen. Dafür gäbe es durchaus geeignete Kandidaten (siehe Supermarktblog).

Und trotzdem …

… kann all das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Amazon mit Fresh in Deutschland aus dem Stand vieles von dem richtig gemacht hat, was bei den Lieferdiensten von Rewe, Edeka & Co. auch Jahre nach dem Start nicht richtig oder nur unzureichend funktioniert.

Pünktlichkeit: Einkäufe werden im vereinbarten Zeitfenster zugestellt. Ohne Wenn und Aber. (Sie haben andere Erfahrungen gemacht? Bitte in den Kommentaren ergänzen!)

Kurzfristigkeit: Wer abends bis 23 Uhr bestellt, kriegt den Einkauf garantiert am nächsten Morgen gebracht. Kund:innen mussten keine Zeitfenster bunkern, es gibt keine ausgebuchten Slots, keinen Stress vor oder nach Feiertagen, keine Verzögerungen – bisher jedenfalls. Umso ärgerlicher ist, dass Amazon diese Verlässlichkeit derzeit nicht für alle Fresh-Kunden garantieren kann (siehe Supermarktblog). +++ Nachtrag, 7. Mai: Im Laufe der vergangenen Monate hat Amazon die Zeit für Bestellergänzungen kontinuierlich vorverlegt, von zunächst 23 Uhr bzw. 22.55 Uhr (bis Dezember 2018) auf 22.40 Uhr (Januar 2019) und 22.10 Uhr (Mai 2019). +++

Service: Ist ein bestellter Artikel bei Lieferung ausnahmsweise mal nicht verfügbar (was wirklich selten vorkommt), bringt Fresh in der Regel passende Ersatzware – die nicht in Rechnung gestellt wird.

Rückgabemöglichkeit: Wenn Waren nicht der erwarteten Qualität entsprechen, können sie einfach reklamiert werden und man erhält den jeweiligen Betrag gutgeschrieben – sehr viel einfacher als bei der Konkurrenz. Warum Artikel zurückgegeben werden, will Amazon aber nicht so genau wissen. Zwar lässt sich angeben, dass ein „Artikel beschädigt“ ist bzw. „Leistung oder Qualität ungenügend“ sind. Die Gründe im Dropdown-Menü sind aber offensichtlich nicht für den Verkauf frischer Lebensmittel angepasst worden.

Das heißt: Amazon weiß bei keinem einzigen der in den vergangenen zwei Jahren über Fresh zurückgegebenen Artikel, ob z.B. die Haltbarkeit des Joghurts überschritten war, ob der Spinat falsch gelagert und deshalb zu feuchtem Matsch zerfallen war, ob ein schwerer Artikel einen leichteren zerdrückt hat. So lässt sich nicht feststellen, ob bei der Lagerung, in der Kommissionierung oder bei der Zustellung nachgebessert werden muss. Amazon erstattet – und hat keine weiteren Fragen.

Was hat das zu bedeuten?

Allerhöchste Priorität scheint Fresh bei Amazon in Deutschland derzeit nicht (mehr) zu genießen. Zumindest wäre es eine mittlere Überraschung, wenn der Dienst bald in weiteren deutschen Städten starten würde – obwohl zahlreiche Branchenkenner genau das eigentlich von Anfang an erwartet hatten.

Ein Grund für Wettbewerber, um sich erleichtert zurückzulehnen, ist das aber noch lange nicht. Im Gegenteil: Dafür, dass sich Amazon mit Fresh in Berlin und München (mit Hamburg und Potsdam als Anhängsel) bislang nicht gerade konzeptionell verausgabt hat, funktioniert das Angebot in seinen Grundzügen ziemlich gut. Frische Lebensmittel, zügig kommissioniert und zu Kunden an die Haustür gebracht – ja, das geht gut.

Würde sich Amazon konsequent darum bemühen, die vielen kleinen selbst aufgestellten Hürden abzubauen, wäre Fresh eine wirklich zeitgemäße Art, den Wocheneinkauf mit frischen Lebensmitteln zu erledigen, ohne in Läden darauf warten zu müssen, dass gleich noch eine zweite Kasse öffnet.

Im jetzigen Zustand spricht nach zwei Jahren aber einiges dafür, dass Amazon Fresh in Deutschland nur deshalb gestartet ist, weil das Angebot des Logistikpartners zu verlockend war, um den Test nicht zu wagen. Einen großen Teil des geschäftlichen Risikos konnte Amazon auf DHL abwälzen, dessen damaliger Paket-CEO Achim Dünnwald unbedingt den Zuschlag für das (einst) vielversprechende Geschäft haben wollte – um dadurch die eigene Lebensmittel-Lieferkompetenz zu stärken und der Amazon-eigenen Logistik nicht noch mehr Zustellvolumen zuzuführen.

Im vergangenen Herbst hat Dünnwald das Unternehmen verlassen. Und bei DHL dürfte die Begeisterung, das vermutlich verlustreiche Geschäft in der bisherigen Form aufrecht zu erhalten, begrenzt sein.

Wie es mit Fresh in Deutschland weitergehen soll (und ob die eigentlich naheliegende Fusion mit Prime Now noch kommt), ist zwei Jahre nach dem Start unklarer denn je. Womöglich auch: für Amazon selbst.

Danke an Alexander B.!

Korrektur: In der ursprünglichen Version dieses Texts stand, Feneberg sei auch Fresh-Partner gewesen. Das ist falsch. Die Kooperation mit Amazon bestand ausschließlich für Prime Now.

Fotos: Supermarktblog

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Der Beitrag Zwei Jahre nach dem Start: Die sieben bemerkenswertesten Probleme von Amazon Fresh in Deutschland erschien zuerst auf Supermarktblog.


Uber Eats erklärt seine Geschäftsrisiken – und Lieferando erstümpert sich die Digital-Marktführerschaft

Nix gebacken gekriegt: Die schleichende Selbstabschaffung der Vorkassenbäcker

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Zum „Tag des Deutschen Brotes“ vor einer Woche hat die Deutsche Presseagentur (dpa) dem hiesigen Backhandwerk mal genauer in die Theken gesehen und zwischen „Brotgenuss“ und „Massengeschäft“ zwei ganz unterschiedliche Entwicklungen bemerkt.

Während es einerseits ein „Revival“, ach Quatsch: eine „Renaissance“! der klassischen Brotkultur gebe („heißt es in der Branche“), während Kund:innen in Großstädten zunehmend Wert auf Bio-Backwaren und wiederentdeckte alte Getreidesorten legten, müssten viele Bäckereien auf dem Land aufgeben. Denn: „Immer mehr Kunden bedienen sich an den ein, zwei Handvoll Brotsorten in den Drahtkäfigen der Discounter.“

(Gemeint sind natürlich: Brötchenknasts.)

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„‚Der größte Konkurrent ist heute, vor allem aufgrund seiner extremen Preispolitik, der Lebensmitteleinzelhandel mit unterschiedlichen Konzepten von Aufbackstationen‘, betont der Zentralverband [des deutschen Bäckerhandwerks]. Jedes dritte Brot kaufen die Bürger laut GfK im Discounter oder Supermarkt.“

Ist ja auch kein Wunder. Seitdem Lidl vor acht Jahren reihenweise Selbstbedientheken mit aufgebackenen Broten und Brötchen in seine Märkte integrierte (siehe Supermarktblog) und dafür im Zweifel sogar anbaute …

… sind die Brötchenknasts überall im deutschen Lebensmitteleinzelhandel wie heiße Brezeln aus dem Ofen geschossen (siehe Supermarktblog). Kundinnen und Kunden haben sich daran gewöhnt, ihre Semmeln, Schrippen, Wecken während des regulären Einkaufs aus verglasten Zellen selbst in bereitliegende Tüten zu rütteln. Daran sind die Discounter und Supermärkte aber gewiss nicht alleine schuld. Im Gegenteil: Ein Großteil der Bäcker hat kräftig mitgeholfen, zu dieser Entwicklung beizutragen – mit langweiligen Standardsortimenten, geschmacksneutralem Süßgebäck und Brötchen, die alle gleich aussehen und schmecken.

Riecht nach frischen Brötchen hier

Lidl hat derweil früh erkannt, dass frische Backwaren entscheidend dafür sein können, ob ein Markt zur Haupteinkaufsstätte für Kund:innen wird, die sich ihre Lebensmittel nicht (mehr) in unterschiedlichen Läden zusammensuchen wollen.

Bis dahin hatte sich der Discounter vielerorts auf Kooperationen mit regionalen Bäckereien verlassen, die in Vorräumen eigene Zweigfilialen betrieben (siehe Supermarktblog). Frische Backwaren direkt in den Markt zu holen, war zwar sehr viel aufwändiger (und teurer), hatte aber auch den Vorteil, dass es dort immer gut nach frischem Brot roch – mit positiven Auswirkungen auf die Kauflaune der Kund:innen. Inzwischen gehört der (stetig weiterentwickelte) Brötchenknast fast überall zur Standardausstattung und empfängt Kund:innen in neuen Filialen direkt am Ladeneingang (auf dem Foto in Wien).

Vor zwei Jahren habe ich mal versucht, herauszufinden, was diese Entwicklung für die Umsätze der regionalen Bäcker bedeutet, und welche Schlüsse sie womöglich daraus ziehen. Ich habe Bäckereien angefragt, die Vorkassenfilialen im Lebensmitteleinzelhandel betreiben, Vertraulichkeit zugesichert – aber Auskunft geben wollte: keine einzige. (Mit einer Ausnahme.) Inzwischen ahne ich, dass das nicht nur einer gewissen Vorsicht gegenüber den (damaligen) Partnern gelegen hat. Sondern auch an der generellen Ideenlosigkeit vieler Betriebe, die keinen blassen Schimmer hatten und haben, was ihnen ihre Kund:innen mit dem veränderten Kaufverhalten eigentlich sagen wollten.

Dass sie nämlich nicht mehr einsehen, Aufpreise für Standard-Backwaren zu bezahlen, die auch nicht schlechter schmecken, wenn sie im Discounter aufgebacken werden.

Das trifft natürlich längst nicht auf alle (Kund:innen und Betriebe) zu. Auch die von der dpa entdeckte „Renaissance“ des Brotgenusses gibt es gewiss; aber vermutlich eher als Randphänomen, das bislang eher selten in den Vorkassenbereich von Supermärkten vorgedrungen ist.

Handwerk wird zum Beiwerk

Dabei essen die Deutschen weiter liebend gerne Brot und Brötchen: Während die Umsätze im klassischen Bäckereihandwerk (vor allem bedingt durch große Bäckereiketten) stetig steigen, schrumpft die Zahl der Betriebe deutlich und dürfte in den kommenden Jahren erstmals unter 10.000 fallen. Die Zahl der Auszubildenden im deutschen Backhandwerk hat sich seit 2011 quasi halbiert (Quelle: Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks, 2018). Im Supermarkt wird das Handwerk eher zum Beiwerk, wenn Mitarbeiter neben ihren übrigen Tätigkeiten Teiglinge in die Öfen schieben und SB-Theken befüllen.

Anstatt kleinere Brötchen sollten die Bäckereien doch einfach wieder bessere Brötchen backen, sagen Sie? So einfach ist das vielleicht nicht mehr. Weil sich ein Großteil der Backwarenverzehrer:innen zwischenzeitlich an sehr viel niedrigere Preise gewöhnt hat.

„[R]und 40 Prozent der Kunden interessieren sich weder für Gesundheit noch neue Trends“ im Lebensmittelmarkt, hat die dpa einer Umfrage von Uni Göttingen und Marketing-Beratung Zühlsdorf + Partner im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes entnommen. (Dieselbe Studie kommt aber auch zu dem Schluss, dass „der Anteil der preisbewussten Käufer geringer [ist] als derjenigen mit hohem Qualitätsbewusstsein“ – was nicht gerade der derzeitigen Marktentwicklung zu entsprechen scheint; hier gibt es das pdf mit den ausführlichen Ergebnissen.)

Im Lebensmitteleinzelhandel geht der Trend derzeit jedenfalls zu einer fast schon lächerlich riesigen Auswahl an Aufbackartikeln. Rewe bietet in seinem an den Markteingang verlegten Brötchenknastkonzept „Brot & mehr“ (siehe Supermarktblog) bis zu 60 verschiedene Backprodukte an.

In renovierten Kaufland-Filialen sind die SB-Theken bisweilen so groß, dass man beim Vorbeilaufen eine kleine Verschnaufpause einlegen muss.

Edeka Minden-Hannover schreibt „Marktbäckerei“ an City-Brötchenknasts dran.

Händler, die wenig Platz haben, werden kreativ.

Und selbst die Discounter quetschen aller Effizienztreue zum Trotz meterweise Backwaren in ihre Innenstadtfilialen, von Penny (Foto: Filiale am Berliner Ostbahnhof) über Netto (ohne Hund) mit der „neuen Backtradition“ bis zu Aldi Süd, das mit dem Ausbau seines „Meine Backwelt“-Konzepts zuletzt zwar nur schleppend vorankam (siehe Supermarktblog), aber einen kontinuierlichen Ausbau angekündigt hat.

Die Kund:innen scheinen sich derweil auch nicht durch kleingedruckte Zusatzstofflisten an den Zellen abschrecken zu lassen. (Aldi-Süd-Weizenbrötchen können zudem „Spuren von Eiern, Erdnüssen, Fisch, Lupinen, Milch, Schalenfrüchten, Sellerie, Senf, Sesamöl und Soja“ enthalten, da ist für jeden Allergiker was dabei.)

So ganz wollen vor allem die Supermärkte aber noch nicht vom etablierten Konzept des Vorkassenbäckers lassen. Als ich vor einiger Zeit bei Rewe anfragte, ob sich mit zunehmender Ausbreitung des „Brot & mehr“-Konzepts samt angeschlossenem „deli am Markt“ das Prinzip des Vorkassenbäckers erledigt habe, kam dazu aus Köln ein relativ deutliches Dementi:

„Der unabhängige Handwerksbäcker als Partner von REWE steht in keinster Weise zur Disposition. Im Gegenteil: Mit seiner individuellen Handwerkskunst, der Qualität und Frische seiner Produkte passt der Handwerksbäcker mehr als je zuvor 100 Prozent zur REWE Philosophie und ist damit eine wichtige Säule im Lebensmitteleinzelhandel.“

Die „lokale Stärke, Verwurzelung des Bäckers am Ort oder in der Gemeinde und seine Innovationskraft“ seien „unverzichtbar“.

Bitte mehr Back-Snacks

Allerdings haben sich in den vergangenen Jahren die Erwartungen an Kooperationspartner deutlich verändert, erläutert der Geschäftsführer einer großen deutschen Bäckereikette im Supermarktblog-Gespräch. Die Händler würden immer stärker darauf drängen, dass Bäckereien sich stärker auf verzehrfertige Back-Snacks und kleine Mahlzeiten fokussieren, um sich neuen Kundengewohnheiten anzupassen (und die Händler von dieser Pflicht zu befreien). Diese Anforderungen können oder wollen aber nicht alle Partner gleichermaßen erfüllen.

Selbstverständlich gibt es Ausnahmen: regionale Bäcker und selbstständige Kaufleute, die schon früh erkannt haben, dass es nicht mehr reicht, Angestellte zwischen eine Wand aus Kastenweißbroten und einen Burggraben aus Weißmehlbrötchen zu stellen.

Wenn Sie solche Bäcker im Supermarkt und/oder Händler:innen mit backgastromomischen Ambitionen kennen: Teilen Sie Ihr Wissen doch bitte mit uns in den Kommentaren! (Für Berlin fallen mir da leider nur sehr wenige gute Beispiele ein.)

Dennoch scheint die Entwicklung der vergangenen Jahre auch Anzeichen dafür zu sein, dass sich die klassische Kooperation von Lebensmitteleinzelhandel und Vorkassenbäcker ein Stück weit überlebt hat. Für den Discount gilt das schon seit längerem: Lidl hat inzwischen sämtliche Back-Avancen gegenüber früheren Partnern eingestellt; selbst bei Netto (mit Hund), wo die Kooperation mit Regionalbäckereien lange fester Konzeptbestandteil war, lichten sich mancherorts die Backtheken.

Auch große Bäckereiketten haben notwendige Weiterentwicklungen verschlafen und sind dadurch in Schwierigkeiten geraten. Im Januar ist bspw. das Insolvenzverfahren für Lila Bäcker mit Filialen in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern (lange auch in Vorkassenzonen von Discountern) eröffnet worden. Ein neuer Investor wurde bislang nicht gefunden.

Andere haben begriffen, dass sie mit der Zeit gehen müssen, gemütliche Sitzgelegenheiten anbieten, besseren Kaffee und aufwändigere Snacks verkaufen, um sich gegen den Handel zu behaupten. Dafür, das auf beengten Flächen im Supermarkt zu tun, gibt es immer weniger Gründe.

Alle gucken beieinander ab

„Der Markt für Backwaren ist immer ein lokaler Markt mit lokalen Bedürfnissen“,

hat mir Nikolas Niebuhr, Geschäftsführer der Hamburger Coffeeshop-Kette Balzac, Anfang des Jahres im Gespräch für holyEATS gesagt. Niebuhrs Aufgabe ist es, Balzac auf das (für Deutschland angepasste) Konzept von Espresso House umzustellen, das in Skandinavien ziemlich erfolgreich ist und Balzac vor zwei Jahren übernommen hat (pdf), um nach Deutschland zu expandieren.

(Espresso House gehört zur JAB Holding der deutschen Unternehmerfamilie Reimann, die sich in den vergangenen Jahren ein internationales Kaffeeketten-Imperium zusammengekauft hat.)

Die zu Espresso House umgebauten Läden sollen mehr Aufenthaltsqualität bieten und durch höhere Kaffeekompetenz glänzen. Das scheint zu funktionieren. „Vielleicht können das die Bäcker alles auch – in zehn Jahren“, meint Niebuhr. Aber genau diesem Anpassungsprozess müssen sich alle Marktteilnehmer stellen, wenn sich alle, alle permanent bei den Konzepten der Konkurrenz bedienen – die Lebensmittelhändler bei den (SB-)Bäckereien, die großen Bäckereiketten bei den Coffeeshops, die Coffeeshops in der klassischen Gastronomie.

(Man muss diesen ganzen Zirkus als Bäcker:in natürlich nicht mitmachen. Aber das geht nur, wenn man wirklich sehr, sehr gute Backwaren in der Auslage hat, für die Kund:innen bereit sind, den Brötchenknast im Laden links liegen zu lassen und sich in der Vorkassenzone nochmal anzustellen.)

Oder lieber ganz anders?

Auch viele Handelsketten tun sich derzeit noch schwer damit, die einst für Vorkassenbäcker reservierten Flächen zu modernisieren oder anders zu nutzen. Das lässt sich schön an den (auch nicht gerade als Hort der Backkreativität bekannten) ehemaligen „Backstops“ von Kaiser’s Tengelmann erkennen.

Die wurden vor zwei Jahren in den von Edeka übernommenen Märkten vielerorts einfach zu „E Backstuben“ umbenannt. (Mit angepasstem Sortiment der Edeka-eigenen Backtöchter.)

Rewe wiederum hat einen Teil der Theken an Bäckereiketten aus der Region abgegeben – die trotz der neu in die Märkte gebauten XXL-Brötchenknasts (siehe Supermarktblog) zuversichtlich scheinen, dort noch ausreichende Umsätze erzielen zu können.

Aber so richtig erschließt sich vielen Kunden die Backdoppelung aus Brötchenknast und separater Backtheke nicht mehr. Die Vorkassenbäcker haben sich im Laufe der Jahre ein Stück weit selbst abgeschafft.

Die Best-of-Bio-Bäcker

Dabei gäbe es durchaus interessante Alternativen: Die naheliegendste machen seit jeher Biomarktketten wie denn’s Biomarkt, Bio Company und Alnatura vor, die sich für ihre Theken in der Vorkassenzone von mehreren Handwerksbäckereien aus der jeweiligen Region beliefern lassen und dadurch eine Vielfalt vom Dinkel-Saaten-Brötchen bis zum Gemüsetörtchen bieten können. Kombiniert mit warmen Mittagsangeboten eignen sich die Best-of-Bio-Bäcker sehr gut als Anziehungspunkt für den Markt. Keine Ahnung, warum sich die sonst auch nicht kopierscheuen Supermärkte dieses Prinzip nicht schon längst abgeguckt haben.

Und im Ausland gibt es bereits zahlreiche Händler, die Partnerschaften für den Vorkassenbereich von Grund auf neu denken. Der Platz dafür ist da, er muss bloß kreativ genutzt werden.

Wie das funktionieren kann und welche Kooperationen Supermärkte dafür eingehen, steht als nächstes hier im Blog.

Und ich freue mich über Hinweise auf gute Vorkassenbäcker und -konzepte – am besten gleich weiter unten in den Kommentaren.

Fotos: Supermarktblog

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Testet Amazon mit dem Deliveroo-Investment eine Alternative zur Whole-Foods-Strategie?

5 Dinge, die Händler und Kunden von der Start-up-Messe Next Organic über Bio (und sich selbst) lernen können

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Discounter entdecken ökologisch erzeugte Produkte für sich, große Handelsketten werben zunehmend mit Nachhaltigkeit und der Bio-Fachhandel muss sich grundlegend neu sortieren. Anders gesagt: Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel führt gerade kein Weg am Thema Bio vorbei (siehe Supermarktblog).

Das alleine wäre schon ein guter Grund dafür gewesen, die Berliner Start-up-Messe (und „Convention“) Next Organic in diesem Jahr aus allen Nähten platzen zu lassen. In der Heinrich-Böll-Stiftung tauschten sich in der vergangenen Woche dann aber doch vorrangig Gründer, Experten und Landwirte aus, die Bio schon seit längerer Zeit befürworten.

Dabei hätte es sich auch für andere Akteure aus der Branche gelohnt, sich von der Atmosphäre inspirieren zu lassen – weil die zweitägige Veranstaltung ziemlich genau auf den Punkt bringt, wo Bio gerade steht: zwischen Tradition und Werteerhalt, Anpassung und Modernisierung. Oder wie Andreas Eder von der Bio-Hofbäckerei Mauracher es in der Gesprächsrunde über die Nachfolger der Bio-Pioniere formulierte:

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„Wir müssen uns überlegen, wo wir langfristig hinwollen mit der Bio-Branche.“


1. Wirtschaften für die Wirkung

Was macht man mit überschüssigen Lebensmitteln? Na klar: leckere Füllungen für Teigtaschen, die direkt tiefgefroren werden und später aufgegessen werden können, ohne dass Lebensmittel verderben oder weggeworfen werden.

Müssen unsere Lebensmittel immer einmal um die halbe Welt reisen, bevor sie auf den Teller kommen? Nö: Reis anpflanzen geht auch – in Österreich.

Und wie hilft man Kleinbauern zum Beispiel auf dem Balkan dabei, ihre Betriebe auf Bio umzustellen? Indem man sie aus ökologisch produzierten Produkten leckere Brotaufstriche herstellen lässt, die in Kleinbetrieben von Menschen handgemacht werden, denen es sonst schwer fiele, einen regulären Job zu finden.

Dingsdums, ÖsterReis und BioBalkan sind nur drei Gewinner:innen des diesjährigen Next Organic Start-up Awards (alle auf Facebook ansehen), demonstrieren aber sehr gut, dass Bio-Gründer:innen sich mit ihren Produkten und Initiativen nicht (nur) als Befürworter einer alternativen Landwirtschaft und Problemlöser verstehen, sondern mit ihrem Wirtschaften eine ganz konkrete gesellschaftliche Wirkung anstreben (weniger Lebensmittelverschwendung, kürzere Transportwege, Unterstützung von Kleinbauern).

Was lässt sich draus lernen? Dass es vielleicht eine gute Idee wäre, Produkte im Laden nicht nur nach Sortimentszugehörigkeit einzusortieren, sondern testweise nach ihrem Social Impact.

2. Bio ist kein Trend, Wachstum kein Selbstzweck

„Geben wir als Bio-Unternehmer nur Besitz weiter an unsere eigenen Kinder? Oder nicht viel mehr Grundwerte und Know-How?“, fragte Andreas Eder, der die österreichische Bio-Hofbäckerei Mauracher mit seinen Schwestern selbst von den Eltern übernehmen wird – und mit dafür sorgt, dass die von Bio-Pionieren gegründeten Unternehmen in der nächsten Generation weitergeführt werden.

Dem Arbeitskreis Junge AöL (in der Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller) zufolge stehen alleine in diesem Jahr zigtausende solcher Nachfolgeregelungen an, vor allem im Mittelstand. Viele junge Bio-Unternehmer:innen sehen sich dabei mit enormen Herausforderungen konfrontiert: Sie wollen den Idealismus erhalten, mit dem die Eltern gegründet haben, müssen Betriebe und Arbeitsweise aber zugleich an die sich rasant verändernden Marktverhältnisse anpassen.

Lisana Hartl von Münchner Kindl Senf, der ursprünglich nur auf dem Münchner Viktualienmarkt verkauft wurde, sagte in Berlin: „Wir hatten lange quasi keinen Vertrieb und vor allem einen großen Abnehmer“ – der sich vor einigen Jahren jedoch zurückzog, was für massive Umsatzeinbußen sorgte. Gemeinsam haben Tochter und Vater und Töchter das Unternehmen auf neue Füße gestellt, Marketing und Produktdesign grundlegend verändert, neue Vertriebspartner gesucht – und den Betrieb von fünf auf 30 Mitarbeiter wachsen lassen. „Die Strukturen sind förmlich explodiert“, sagt Hartl.

Dass die Produkte inzwischen nicht nur im Biohandel, sondern auch in ausgesuchten Supermärkten verkauft werden, war quasi eine notwendige Konsequenz, auch um sich auf verändernde Gewohnheiten der Kund:innen einzustellen. In den Preiskampf der Discounter will sich Hartl aber wie viele ihrer Mitstreiter:innen nicht begeben, um keine Kompromisse bei der Qualität zu machen.

Akteuren, die auf „Fachhandelstreue“ pochen, mag das ein Dorn im Auge sein. Aber auch der konventionelle Handel darf sich nicht der Illusion hingeben, kleinere Hersteller ganz selbstverständlich für sich gewinnen zu können. Viele Bio-Jungunternehmer legen großen Wert darauf, Kund:innen „mehr als ein Produkt“ zu verkaufen, wie es Jasmin Maiwald von Govinda Natur in Berlin formulierte. Der Wille, die von den Eltern mit einer Marke verknüpften Werte zu erhalten, ist für viele Grundvoraussetzung. „Jeder Hersteller muss sich entscheiden, ob er Qualität oder Menge liefern will. Für uns ist die Entscheidung klar“, sagt Andreas Eder – und deutet damit das an, was vielen in der jungen Bio-Generation wichtig ist: dass Bio (für sie) kein Trend ist und Wachstum kein Selbstzweck.

Was lässt sich draus lernen? Dass sich der Handel darauf einstellen und seine Strukturen entsprechend anpassen muss, anstatt stur vorgegebene Mengen für bundesweite Listungen einzufordern. Selbstständige Kaufleute machen es mit individuellen Lösungen vor.

3. Kompliziertes muss einfach erklärt werden

2015 hat Dennree das Hofgut Eichigt nahe der Unternehmenszentrale im fränkischen Töpen übernommen und zum Bioland-Betrieb umgebaut. Seitdem agiert der Bio-Großhändler selbst als Landwirt. „Das lehrt uns, was es bedeutet, von der Erzeugung bis zur Vermarktung zu arbeiten“, erklärte Ralf Schwarz, Leiter Warenmanagement Dennree, in Berlin. Ein großer Teil der Erzeugnisse wird für Dennree-Eigenmarkenprodukte verarbeitet, die es z.B. in denn’s Biomärkten zu kaufen gibt. Für die Kund:innen im Laden ist das oft aber nicht ersichtlich. „Marketing ist kein vordergründiger Aspekt für uns“, erklärt Schwarz.

Das ist angenehm unaufdringlich – und gleichzeitig ein Problem, wenn der konventionelle Handel alles unternimmt, um zu suggerieren, dass er quasi auf dem Schoß der in Werbekampagnen abgebildeten Bio-Landwirte sitzt.

Vor allem der Bio-Fachhandel hat dieses Problem viel zu lange unterschätzt: Wie erklärt man Kund:innen, die für den Lebensmitteleinkauf nur wenig Zeit eingeplant haben, am Regal, was Produkte auszeichnet und von anderen abhebt – zum Beispiel durch die Herkunft der Rohstoffe? Bislang im Zweifel: gar nicht. Dennree hat Eigenmarkenprodukte, um z.B. gestiegene Kosten durch veränderte Rohstoffbezugsquellen auszugleichen, im Preis angehoben – aber ohne dazu zu erklären, warum. „Wir müssen lernen, das dem Verbraucher auch transparent zu machen“, sagt Schwarz.

Idealerweise in Kooperation mit den Produzenten. Lisana Hartl von Münchner Kindl Senf sagt: „Unser Vorteil als kleiner Hersteller ist, dass wir über Social Media zeigen können, dass wir ganz nah dran am Produkt sind. Ich kann in die Produktion gehen, dort ein Video drehen und das auf Facebook direkt teilen.“

Was lässt sich draus lernen? Dass Händler sich völlig neue Wege überlegen müssen, Kund:innen davon zu überzeugen, sich auch im Laden über das zu informieren, was sie kaufen.

4. Landwirte wollen kein Regalschmuck sein

Erzeuger:innen treten im Handel bislang vor allem in Erscheinung, um freundlich vom Regal zu lächeln und für die regionale Verwurzelung des Händlers einzustehen. Viel Landwirte haben es aber satt, bloß Posterschmuck im Bioladen zu sein – und mischen sich ein, um zu erklären, wie ernst die Lage ist.

Jens Petermann, der einen Hof im Brandenburgischen Dannenberg betreibt und dort seit 2017 nach Demeter-Richtlinien wirtschaftet, mahnt: „Die Böden verlieren durch die [konventionelle] Landwirtschaft ihre Biologie. Das führt dazu, dass wir aus unserer Nahrung heute nur noch sehr wenige Informationen für unser Immunsystem erhalten. Es bedarf unendlich viel Zeit und Geld, diese Biologie wieder herzustellen.“ Petermann ist davon überzeugt, „dass wir uns noch nie so weit von der Natur weg befunden haben wie heute.“ Dazu trage auch der wirtschaftliche Druck bei, der auf vielen Landwirten laste. „Als konventioneller Landwirt kannst du zwar nachhaltiger wirtschaften, du kriegst am Ende aber denselben Preis wie alle anderen.“

Die Umstellung auf Bio-Landwirtschaft ist für viele ein langwieriger Prozess, mit hohen Investitionen verbunden – und ein Risiko, weil die Konsumenten im Laden zuerst den höheren Preis von Bio gegenüber konventionell erzeugtem Obst und Gemüse sieht, in deren Preise die Folgekosten für Umwelt- und Gesundheitsschäden nicht eingerechnet sind. „Viele Landwirte stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Petermann.

Sein Kollege Carlo Horn, der in Brandenburg dagegen kämpft, dass Landwirtschaftsflächen zu teurem Bauland umgewidmet werden, ist überzeugt: „Als Bio-Erzeuger probieren wir aus, was die Landwirtschaft der Zukunft sein muss“ – dabei fühlt er sich jedoch von der Politik ausgebremst, die es Landwirten vielfach mit komplizierten Rahmenbedingungen erschwere, neue Lösungen auszuprobieren. Gleichzeitig blockierten zum Beispiel Molkereien eine konsequente Bio-Umstellung, um den fragilen Milchmarkt nicht zu gefährden. Horn sagt: „Ich glaube auch, dass es für viele Landwirte ein Problem ist, dass es nur Bio oder Konventionelles gibt – aber nichts dazwischen.“

„Wir müssen dringend ins Gespräch mit unseren Kunden kommen und ihnen zuhören, was sie von uns erwarten“, glaubt Felix Prinz zu Löwenstein, Bio-Bauer seit 1992 und Vorsitzender des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der eine vollständige „Ernährungswende“ fordert. „In vielen Dingen sind die Verbraucher glaube ich schon viel weiter als der Berufsstand der Bauern.“

Was lässt sich draus lernen? Dass es höchste Zeit ist, direkter miteinander zu reden. Petermanns Tochter Skadi, die auf dem Hof ihres Vaters mitarbeitet, hat schon mal angefangen – als Bio-Influencerin: Auf Instagram dokumentiert sie den Hofalltag und beantwortet Fragen von Städtern, wie eigentlich die Arbeit von Landwirten funktioniert (@skadysfarmlife).

5. (Echte) Innovation ist anstrengend

Fast alle großen Händler geben sich gerne aufgeschlossen gegenüber Start-ups und deren Produktinnovationen – so lange das keinen allzu großen Mehraufwand für sie bedeutet. Wenn es darum geht, bisherige Herangehensweisen zu ändern, kommt die Ausprobierlaune aber schnell an ihrer Grenzen.

Der Einkauf in deutschen Handelsketten sei tendenziell „sehr konservativ“, hat Amelie Sperber als Mitgründerin des Start-ups Supernutural erfahren. Das junge Unternehmen baut Maschinen, mit denen sich Kund:innen frisches Nussmus selbst abfüllen können – direkt im Laden. „Aus der Schweiz, Großbritannien und Skandinavien hatten wir von Anfang an eine große Nachfrage“, sagte Sperber in Berlin. Inzwischen liefert Supernutural seine Maschinen in zwölf verschiedene Länder, in der Regel zur Miete, weil sich das für die Handelsketten leichter kalkulieren lässt als die einmalige Anschaffung. Auch Hotels böten ihren Frühstücksgästen frisches Nussmus als zusätzlichen Service an. Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel gehören die Maschinen aber bislang eher zur Ausnahme.

Manchmal halten sich Supermärkte auch zurück, weil sie Auswirkungen auf ihr bisheriges Angebot fürchten. Frederik Henn von der bio-veganen Gemüse-Genossenschaft PlantAge in Berlin/Brandenburg berichtet von Gesprächen mit Händlern, die ausschließlich mit pflanzlichen Düngemethoden erzeugtes Gemüse lieber nicht in ihren Läden verkaufen wollen, weil sich das auf die generelle Erwartungshaltung der Konsument:innen auswirken könnte – und damit auf den Verkauf des regulären Obst- und Gemüse-Sortiments.

Was lässt sich draus lernen? Dass es nicht damit getan ist, ein paar neue Produkte in ein Start-up-Regal zu stellen, um sich mit Innovationsbereitschaft zu schmücken.


Wie sehr sich der deutsche Lebensmitteleinzelhandel weiter schwer damit tut, einem nachhaltigen Wandel in der Landwirtschaft auf die Sprünge zu helfen, lässt sich an einem aktuellen Beispiel belegen: Vor wenigen Tagen gab Lidl bekannt, doch wieder Billig-Bananen verkaufen zu wollen – obwohl die Kette im Herbst des Vorjahres angekündigt hatte, in Zukunft ausschließlich Fairtrade-Ware anzubieten (wie es z.B. Sainsbury’s und The Co-Op in Großbritannien schon vor Jahren vorgemacht haben).

Dafür gab es – umstrittenes – Lob vom Entwicklungsminister. Und die Konkurrenz ließ sich nicht lange bitten, die Gelegenheit auszunutzen und niedrigere Preise gegenüber ihren Bananen-Lieferanten durchzudrücken, um günstiger als Lidl zu verkaufen (und den Wettbewerber dadurch zum Einlenken zu bewegen).

Was lässt sich draus lernen? Dass es mit der Glaubwürdigkeit des deutschen Handels in Sachen Bio und Nachhaltigkeit nicht weit her ist, wenn es vier Handelskonzernen, die einen Großteil des Markts beherrschen, nicht gelingt, sich gemeinsam über Jahrzehnte eingeübte Preisrivalitäten hinwegzusetzen, um wenigstens symbolhaft dafür zu sorgen, dass Erzeuger besser für ihre Arbeit entlohnt werden und Kund:innen leichter Lebensmittel einkaufen können, die besser für Natur und Gesellschaft sind.

Titelfoto [M]: Agence Producteurs Locaux Damien Kühn via Unsplash, Next Organic; Fotos im Text: Supermarktblog

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Der Beitrag 5 Dinge, die Händler und Kunden von der Start-up-Messe Next Organic über Bio (und sich selbst) lernen können erschien zuerst auf Supermarktblog.

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