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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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Neue Eigenmarke “Exquisit”: Kaufland kopiert Rewe “mit allen Sinnen”

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Wenn eine der aufstrebendsten Discountketten Deutschlands, ach was: Europas, nach dem Ableben ihr Denkwerkzeug der Nachwelt zur Von-Hagens’schen Plastination zur Verfügung stellt, wird das vermutlich so aussehen:

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Wie ein goldgetünchter Strickunfall.

Wie ein quadratisches Nest, an dem der langsamste Vogel der Welt so lange gebaut hat, dass Spinnweben zwischen den Zweigen gewachsen sind.

Wie das Logo der neuen Kaufland-Luxusmarke “Exquisit”, die Kunden seit vergangener Woche in kleine Türmchen hineinsortiert beim Einkaufswagen-Schieben im Weg steht.

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Diverse Fleischzubereitungen mit Frischkäseeinspritzung, Zutatenpürees im Glastöpfchen und eingelegtes Minigemüse im Mehrkammerplastiksarg ergänzen nun das bislang schon nicht ganz unüppige Sortimentsbouquet des selbst ernannten Großflächendiscounters, der pünktlich zu Ostern signalisiert, dass er jetzt auch gerne was vom “Deluxe”-Erfolg seiner Unternehmensschwester Lidl abhätte. Über 200 Produkte umfasst die neue Marke, mit der Kaufland endgültig von der Überzeugung abrückt, dass eine Eigenmarke ja wohl genug ist.

Bislang pappt die Kette einfach auf alle Produkte das Logo der wirklich außerordentlich selbst erfunden aussehenden Marke “K Classic”. (Und machte bloß bei “K Bio” eine Ausnahme.)

Der neueste Sortimentszugang heißt nun schlicht “Exquisit” (also nicht “K Exquisit”), und der Absender taucht bloß in einem kleinen Qualitätssiegel auf, in dem ein goldenes Kaufland-K die Aufforderung “Exquisit genießen” beschmückt.

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Womöglich müsste man dem Unternehmen dazu gratulieren, nur wenige Jahre nach allen anderen Großketten in der Eigenmarkenrealität des 21. Jahrhunderts angekommen zu sein. Wenn “Exquisit” nicht eine so unverschämte Kopie der Rewe-Eigenmarke “Feine Welt” wäre, die schon seit 2009 das künstliche Neonlicht der Supermarktwelt erblickte (siehe Supermarktblog). Und zwar genauso golden-weiß verpackt wie nun bei Kaufland.

Statt dem goldenen Rewe-Globus hat sich der Discounter für ein goldenes Nest im Logo entschieden. Der ganze Verpackungsrest sieht exakt so aus als hätten die Rewe-Designer ihr Skizzenbuch in der Straßenbahn liegen lassen und nachher im Kopierraum von Kaufland abholen müssen. Ebenso wie “die Genuss-Marke von Rewe” ist “Exquisit” nun “die neue Genuss-Marke von Kaufland”.

Rewe erklärt:

“Erfahrene Rewe-Experten haben überall auf der Welt erlesene Spezialitäten und außergewöhnliche Geschmacksvariationen für die neue Premium-Marke Rewe Feine Welt aufgespürt.”

Und Kaufland hat sich soufflieren lassen:

“Damit die Exquisit-Produkte höchsten Geschmacks- und Qualitäts-Ansprüchen gerecht werden, haben unsere Genussexperten Spezialitäten aus Ländern wie Frankreich, Italien, der Schweiz, Belgien und Österreich ausgewählt, verkostet, verfeinert.”

Nun braucht im Jahr 2015 niemand mehr zu glauben, dass Luxusmarken im Supermarkt noch mal komplett neu erfunden werden könnten. Aber wie schamlos Kaufland anstatt auszuwählen und zu verfeinern, einfach abpausen hat lassen, ist schon beachtlich und zeigt, wie wenig Kreativität bei einer der derzeit erfolgreichsten Lebensmittelketten Deutschlands, ach was: Europas, vorhanden ist.

Noch interessanter ist freilich, mit welchem Druck Kaufland die neue Marke in die Läden bringt. Abgesehen von den Papptürmchen in den Gängen sind zum Teil ganze Kühlmöbelregalenden für die Produkte freigeräumt.

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Klappschilder weisen den Weg zu luftgetrocknetem Rohschinken und Rinderfiletsteak vom Jungbullen. Und wenn obendrüber noch ein blinkendes Schild mit der Aufschrift: “Kaufen Sie das, es wär’ uns sehr wichtig” hängen würde, passte das auch ins Gesamtbild.

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Dafür stören die “Exquisit”-Produkte immer dann beachtlich, wenn sie dort ins Regal sortiert sind, wo sie sortimentstechnisch gesehen hingehören. Weil dann auffällt, wie wenig das ganze Goldgenestele und die Genießerbehauptungen zum billigen Kaufland-Design passen und im Kühlregal zwischen “Exquist genießen” und “Discount-billig” einerseits nur wenige Zentimeter, aber andererseits ganze Welten liegen. Nicht nur beim Preis.

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Es ist binnen weniger Wochen schon der zweite Marketing-Unfall, den eine Lebensmittelkette der Schwarz-Gruppe provoziert, um sich bei der Kundschaft endlich als hochwertige Supermarkt-Alternative zu positionieren, während zuvor Jahre darauf verwendet wurden, möglichst zweckmäßig und billig zu wirken. Mag ja sein, dass Kaufland und Lidl wirklich etwas daran liegt, auf einen Image-Wechsel hinzuarbeiten.

Aber warum das nicht (z.B.) mit einer langsamen Aufwertung der bisherigen Eigenmarken passiert, sondern mit der Brechstange, ist ein Rätsel.

Dank an Moritz!

Fotos: Supermarktblog


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