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Die große Ratlosigkeit der Bio-Fachhändler: Sind Supermärkte und Drogerien die erfolgreicheren Bioläden?

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Jedes Jahr treffen sich Hersteller, Händler und Förderer ökologisch erzeugter Lebensmittel Mitte Februar auf der weltweit größten Bio-Messe in Nürnberg, um über die Zukunft ihrer Branche zu diskutieren. Diesmal haben sie einen unübersehbaren Hinweis mit auf den Weg bekommen, wer künftig ebenfalls ein Wörtchen mitzureden wünscht: der deutsche Discount.

Während des Nürnberger Bio-Gipfeltreffens stellte Lidl einen ganzen Schwung zusätzlicher Eigenmarkenprodukte in Bio-Qualität ins Regal und informierte Kunden im Wochenprospekt, dass „über 120 Bio-Artikel dauerhaft im Sortiment“ zu haben sind – natürlich besonders günstig: „Bewusste Ernährung muss nicht teuer sein.“

Kurz zuvor hatten Aldi Nord und Aldi Süd bekannt gegeben, ihre Bio-Auswahl mit „über 60 zusätzliche[n] Artikel[n] in diversen Sorten“ zu erweitern, „sowohl im Standard- als auch Aktionssortiment“.

Auf Plakaten warb der Discounter mit „Bio-Vielfalt zum Aldi-Preis“ und hieß Kunden „Willkommen bei Deutschlands führendem Bio-Händler“ (weil man laut GfK im Vertriebsgebiet Nord den höchsten Umsatz mit Bio-Lebensmitteln erziele).

Der traditionelle Bio-Fachhandel schaut irritiert bis ratlos auf diese Initiativen. Seit Jahren versucht er Konsumenten zu erklären, warum es richtig und wichtig ist, Alternativen zur konventionellen Landwirtschaft zu stärken und mehr Bio zu kaufen. Das scheint vielen auch einzuleuchten.

Aber anstatt dafür in den Biomarkt um die Ecke zu gehen, bleiben viele dort, wo sie auch sonst hingehen: im Supermarkt, in der Drogerie, im Discounter.

Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN), der unabhängige kleine Bioläden und große Biomarktketten gleichermaßen vertreten soll, hat einen erstaunlichen Weg gefunden, mit dieser Entwicklung umzugehen: weggucken. Sie erkenne ein „Dilemma“, erklärte BNN-Geschäftsführerin Elke Röder in der vergangenen Woche zwar, bezog das aber nicht auf den Bio-Fachhandel. Sondern auf die stark wachsende Konkurrenz, die ein Problem habe: Im Supermarkt und Discounter sei Bio „trotz allem nur ein geringer Teil des Sortiments“. Das werde vielen Kunden auf Dauer nicht reichen. Röder glaubt:

„Die Konventionellen können zwar auf den Megatrend Bio aufspringen, aber sie können ihn nicht kapern.“

Doch. Genau das passiert gerade. Man muss sich nur die Zahlen, die der Bund Ökologische Lebensmittel (BÖLW) jährlich zur Entwicklung des Bio-Markts veröffentlicht, mal genau ansehen.

Auf den ersten Blick ist die gerade erschienene Bilanz hervorragend: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland mit Bio erstmals über 10 Milliarden Euro umgesetzt. Davon profitiert zweifellos auch der Fachhandel. Im klassischen Handel wächst Bio allerdings schneller. Sehr viel schneller. Das Umsatzwachstum lag dort 2017 bei 8,8 Prozent. 59,1 Prozent aller Bio-Umsätze laufen inzwischen über die Kasse im Supermarkt, in der Drogerie und im Discounter (PDF, S. 16). Drei Jahre zuvor waren es laut den Berechnungen des Arbeitskreises Biomarkt noch 53 Prozent (PDF, S. 9; basierend auf Zahlen von GfK, Nielsen, bioVista und der Kommunikationsberatung Klaus Braun).

Der Bio-Fachhandel schaffte im Vorjahr nur noch eine Steigerung um 2,2 Prozent. Sein Marktanteil liegt bei 29,0 Prozent. Das sind ganze 4 Prozentpunkte weniger als 2014. (Die übrigen Prozente verteilen sich u.a. auf Bäckereien, Metzgereien, Wochenmärkte, Abokisten usw.).

Kurz gesagt: Die Deutschen kaufen mehr Bio. Aber nicht zwangsläufig dort, wo es die Pioniere gerne hätten.

An dieser Entwicklung ist auch der Bio-Fachhandel selbst schuld.

1. In ihrem Bestreben, sich einen möglichst großen Anteil an den Umsätzen mit Bio-Lebensmitteln zu sichern, bedienen sich insbesondere Bio-Supermarktketten inzwischen Wachstumstrategien, die sehr an die des konventionellen Lebensmitteleinzelhandels erinnern. Das macht es schwerer, sich als glaubwürdige Alternative zu positionieren.

2. Gleichzeitig unterscheiden sich Herangehensweisen und Ziele großer, mittlerer und kleiner Bio-Händler inzwischen so sehr voneinander, dass gemeinsame Interessen abnehmen. Der Bio-Fachhandel spricht – anders als er vorgibt – nicht mehr mit einer Stimme.

3. Manche Fachhändler erwarten, dass Hersteller ihre Marken ausschließlich bei ihnen verkaufen und auf Umsätze z.B. in klassischen Supermärkten und Drogerien verzichten. Das entzweit ehemalige Verbündete und lässt Kunden ratlos zurück.

4. Es wird komplizierter, Kunden zu erklären, warum Bio im Fachhandel besser sein soll als Bio im Supermarkt oder in der Drogerie – zumal die Strategien aus dem Fachhandel dort einfach abgeschaut werden.

Marktkonzentration

Im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel hat die Konzentration auf wenige, landesweit agierende Handelsketten in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich zugenommen. Kleinere Händler sehen immer weniger Chancen, sich gegen die Marktmacht der Großen durchzusetzen. Im Bio-Fachhandel scheint sich dieser Trend zu spiegeln.

Im Jahr 2012 zählten die beiden größten deutschen Bio-Supermarktketten – denn’s Biomarkt und Alnatura – zusammen 160 Filialen (89 denn’s-Märkte, 71 Alnatura-Läden). Sechs Jahre später betreibt allein denn’s nach eigenen Angaben „über 280 Filialen in Deutschland sowie Österreich“, Alnatura nennt 126 Filialen (macht zusammen 406).

Vor allem denn’s – eine Tochter des Bio-Großhändlers Dennree – ist nicht nur aus eigener Kraft gewachsen, sondern hat u.a. die Berliner Biomarktkette ViV Frische Markt übernommen und deren Läden ins eigene Netz integriert. Das Unternehmen strebt zunehmend auch Kooperationen mit kleineren Bio-Händlern an, die sich denn’s als Partner in ihr Geschäft holen (denn’s Grünkern in Ahrensburg bei Hamburg; siehe auch PDF-Handzettel zur Neueröffnung), Märkte nach dem Franchise-Prinzip betreiben (Biomarkt Fischer-Mühle in Backnang) oder ihren Laden ganz an denn’s abgeben (Ex-ProNatur in Wiesbaden).

In Berlin nistet sich die Kette in einem Lückenschlussbau nach dem nächsten ein und belegt Erdgeschossflächen, die Supermärkten oder Discountern zu klein wären.

Das Tempo der Neueröffnungen ist so hoch, dass in vielen Filialen gut ausgebildete Fachkräfte fehlen und auf Aushilfen zurückgegriffen werden muss, die wenig Ahnung vom Naturkostfachhandel haben und die Beratung, auf die der Bundesverband Naturkost Naturwaren gerne stolz verweist, gar nicht leisten können.

(Im Zweifel darf man als Kunde auch noch Tipps zur Kassenbedienung geben, weil offensichtlich nicht mal für eine grundlegende Einarbeitung Zeit war.)

In Berlin sowie NRW und Niedersachsen wollen die beiden Biomarktketten Bio Company (55 Läden) und SuperBioMarkt (nach der angekündigten Übernahme von zwei Düsseldorfer Ex-Temma-Filialen: 28 Läden) mit Regionalkompetenz punkten. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre hat die Beteiligungsgesellschaft Bio Development mit Sitz in der Schweiz wesentliche Anteile an beiden Ketten übernommen: 47 Prozent an Bio Company, und (gerade erst) 38 Prozent an SuperBioMarkt. Ziel von Bio Development ist es nach eigenen Angaben, „die unabhängige Bio-Nahrungsmittelbranche zu stärken und Bio-Unternehmen eine gesunde Kapitalgrundlage zur Verfügung zu stellen“.

Dafür soll eine „Verbundgruppe“ an Händlern gegründet werden, um mit den Großen mithalten zu können – an sich eine gute Idee. Sonst bleibt man aber eher vage (PDF).

Bemerkenswert ist, dass Bio Development aber zugleich an Bio-Herstellern und Bio-Großhändlern beteiligt ist: der Schweizer Demeter-Molkerei Biomilk, einem Milchpulver-Hersteller, einem hessischen Regionalgroßhändler und dem bedeutendsten Bio-Großhändler der Schweiz, Biopartner, der gerade mit dem Wettbewerber Seon und Somona fusioniert wird. Das Fachmagazin „Biopress“ schrieb dazu: „Mehr Konzentration im Schweizer Bio-Großhandel soll Unabhängigkeit der Bio-Branche garantieren“ – und vielleicht muss man Schweizer sein oder besonders überzeugt vom Wohlwollen des eigenen Handelns, um nicht zu merken, wie gruselig das klingt. (Und wie sehr nach den Methoden aus dem klassischen LEH; Edeka lässt grüßen.)

Über eine wachsende Markt- und Verhandlungsmacht verfügt das von der Schweiz aus aufgebaute Bio-Konglomerat allemal. Vor allem unabhängige Bio-Hersteller dürften genau beobachten, ob sie das künftig zu spüren bekommen.

Beim Anbauverband Demeter fragt man sich u.a.

„woher die Gelder der BDH AG kommen. Aus Privatvermögen oder aus Unternehmen der Privatwirtschaft? Und wer verdient eigentlich damit sein Geld?“

Partnerschaft oder Konkurrenz?

Will die Bio-Branche den klassischen Lebensmitteleinzelhandel als Freund oder Feind begreifen? Darüber herrscht längst keine Einigkeit mehr.

Die Nummer zwei unter den Bio-Supermarktketten, Alnatura, verfolgt spätestens seit dem Bruch mit dem langjährigen Partner dm (siehe Supermarktblog) eine Strategie, die sich grundlegend von der anderer Bio-Fachhändler unterscheidet.

Um die Verluste aufzufangen, die sich durch den Rauswurf der Alnatura-Produkte bei dm ergeben haben, mussten neue Partner gesucht werden. Bei Tegut, Globus und Hit war Alnatura zuvor schon in den Regalen vertreten; in der Schweiz arbeitet man eng mit dem Marktführer Migros zusammen. Und in Deutschland gibt es seit 2015 eine Allianz mit Edeka (siehe Supermarktblog), die das Bickenbacher Unternehmen noch stärker als bisher an den klassischen Lebensmitteleinzelhandel bindet (und von den dort erzielten Umsätzen abhängig macht).

Bei der Berliner Bio Company verfolgt Gründer und Geschäftsführer Georg Kaiser einen anderen Kurs: den der größtmöglichen Abgrenzung. Das klingt zunächst sinnvoll, hat aber drastische Konsequenzen – z.B. für Hersteller, die anders verfahren wollen.

Kaiser fordert (wie zahlreiche Verfechter der ursprünglichen Bio-Bewegung) kompromisslose „Fachhandelstreue“ von Bio-Herstellern, die bei Bio Company ins Regal wollen. Sie sollen sich quasi dem exklusiven Verkauf ihrer Markenprodukte im Bio-Fachhandel verpflichten. Als der Naturkostproduzent Davert vor zwei Jahren ausscherte und auch die Drogeriemarktkette dm belieferte (Foto unten), erklärte Kaiser in drastischer Wortwahl gegenüber bio-markt.info: „Damit ist die Marke für uns tot.“

Das Fachmagazin berichtete:

„[Kaisers] Konsequenz ist die weitgehende Substitution von Davert-Produkten. Mit einer Bevorzugung des Herstellers, z.B. durch Einlistung von Artikeln, die sich nicht so schnell drehen, sei es definitiv vorbei. Auch die Davert-Portraits sollen aus den [Bio Company] Filialen verschwinden.“

Aus Bio-Company-Sicht mag es konsequent sein, bevorzugt Produkte zu verkaufen, die Kunden nicht auch im regulären Supermarkt erhalten. Die Vehemenz, mit der Teile des Bio-Fachhandels derartige Strafaktionen androhen, wirft allerdings unweigerlich die Frage auf, um wen und was es den Akteuren in diesem Fall wirklich geht.

Den Interessen der Kunden scheinen Händler wie Bio Company jedenfalls keine Priorität beizumessen, wenn sie Marken auslisten, die nicht nach ihren Regeln spielen.

In jedem Fall erinnern solche Verfahren sehr an Kämpfe, wie sie Edeka gerade mit Nestlé auszufechten versucht – auch wenn es nicht um günstigere Konditionen geht, sondern ums Prinzip. Der besonderen Sortimentsvielfalt, die der Fachhandel gerne für sich in Anspruch nimmt, schaden derlei Strafaktionen zusätzlich.

Einseitige „Treue“?

Dabei wird das Prinzip der „Fachhandelstreue“ gar nicht ausschließlich von Händlern vertreten. Auch Bio-Hersteller beteuern, daran festhalten zu wollen, so wie der Getreideprodukte-Produzent Spielberger Mühle und der Müsli-Hersteller Barnhouse Naturprodukte. Dessen Geschäftsführerin Sina Nagl ergänzte ihr Bekenntnis zur Exklusivität im Biomarktregal im vergangenen Jahr allerdings mit einer deutlichen Bitte für „eine stärkere gegenseitige Verbindlichkeit“ (PDF):

„[Wir halten] nicht nur die Fachhandelstreue für wichtig, sondern auch die leider oft fehlende Fachmarkentreue, die es uns Pionier-Marken sehr schwer macht, z.B. durch Trittbrettfahrer oder preisaggressive Handelsmarken unserer Großhändler, die uns kopieren und dann neben uns im Regal des Bioladens stehen.“

Nochmal ganz langsam: Teile des Fachhandels finden es inakzeptabel, dass Bio-Hersteller ihre etablierten Marken (zum Teil) auch im klassischen Lebensmitteleinzelhandel anbieten, weil das dem Alleinstellungsmerkmal der Bio-Märkte schadet. Gleichzeitig torpedieren Fachhändler das Alleinstellungsmerkmal der Marken, von denen sie diese Treue einfordern, mit Eigenmarken, die weniger kosten.

Im vergangenen Jahr, als die Debatte zum Thema schon eine Weile akut war, hätte ich mich gerne mit Kaiser darüber unterhalten. Die zuständige Presseagentur erklärte jedoch:

„Wir erhalten derzeit recht viele Anfragen dazu und können leider nicht allen begegnen.“

(Anders etwa als den Interviewanfragen zum „Erfolgsgeheimnis der Kette“ in Berliner Lokalzeitungen, für die sich Kaiser problemlos Zeit nimmt.)

Womöglich unterschätzt die Branche, wie widersprüchlich manche ihrer Entwicklungen auf Außenstehende wirken; umso wichtiger wäre es, dem mit größtmöglicher Transparenz zu begegnen. Und zwar nicht nur, wenn man sich gerade gegenüber dem konventionellen Handel profilieren möchte. (Die Münchner Biomarktkette Basic z.B. hat sämtliche Anfragen, die ich in den vergangenen Jahren für dieses Blog gestellt habe [u.a. hier], entweder nur rudimentär beantwortet oder gar nicht erst darauf reagiert – dagegen ist die Informationspolitik von Aldi und Lidl inzwischen geradezu vorbildlich; glücklicherweise gibt es auch Bio-Händler, die sehr viel offener kommunizieren.)

Unverwechselbarkeit schwindet

Um die eigene Unverzichtbarkeit herauszustellen, führen viele im Fachhandel immer wieder drei wesentliche Argumente an: mehr Sortimentsvielfalt, mehr Geschmack, mehr Verbandsware (d.h. von Anbauverbänden zertifizierte Produkte).

Das mit der Vielfalt gilt, wie beschrieben, bei einigen Händlern offensichtlich nur so lange, wie sich Hersteller einer einseitigen Exklusivität verpflichten.

Was den Geschmack betrifft, erzählt insbesondere Alnatura-Gründer Götz Rehn in Interviews immer wieder gerne sein Märchen der besonders ausgefeilten Rezepturen für Alnatura-Eigenmarken, über die ein externer Arbeitskreis entscheide.

„Nehmen Sie als Beispiel eine Marmelade. Man kann sie mit 30 Prozent Fruchtanteil oder mit 70 Prozent herstellen, so wie wir das tun. Aus einer hochwertigen Rezeptur ergibt sich der gute Geschmack“,

hat Rehn gerade der „Lebensmittel Praxis“ im Interview erklärt. Und betont, wie wichtig „Produkte aus Deutschland, aus kleinen Manufakturen, die unter guten Verhältnissen produzieren“ sind.

Das wirkt nicht nur deshalb anachronistisch, weil Alnatura von dm in den vergangenen zweieinhalb Jahren auf beeindruckende Art und Weise vorgeführt bekommen hat, wie kopieranfällig das Eigenmarkensortiment war (bei dem außer den Rezepturen vor allem die Preisgestaltung nicht ganz unwichtig ist).

Sondern auch, weil Alnatura nach wie vor darauf verzichtet, Kunden auf der Verpackungsrückseite der Produkte zu verraten, von welchem Hersteller sie denn kommen.

Bleibt noch die Verbandsware: Zu den unbestreitbaren Vorteilen des Fachhandels gehörte bislang, Bio-Produkte anzubieten, die nach den Kriterien von Anbauverbänden wie Bioland, Demeter und Naturland zertifiziert sind – eine Art „besseres“ Bio mit sehr viel höheren Anforderungen an die Produktion als es die EU mit ihren Bio-Mindeststandards vorgibt.

Auch dieser Vorsprung schrumpft allerdings drastisch zusammen, weil Supermärkte und Drogerien die Strategie kapern.Rewe rühmt sich, dass „immer mehr“ Rewe-Bio-Produkte“ die „strengen Naturland-Richtlinien erfüllen“. Und gerade hat dm bekannt gegeben, dass „viele“ Produkte der Eigenmarke dm Bio künftig ein neues Siegel des Demeter-Verbands tragen sollen, das dieser „eigens für Handelsmarken“ entwickelt hat.

Es ist ein ganz schöner Tanz, den Demeter aufführt, um zu erklären, wo die Unterschiede zwischen Produkten mit Logo und Siegel liegen (es gibt fast keine; bei Handelsmarken handele es sich um „ein anderes Produkt-Segment“, erklärt Demeter die Siegel-Einführung). Das könnte auch daran liegen, dass der aufgeregten Bio-Branche noch vor zwei Jahren versprochen worden war, es werde auf absehbare Zeit „keine Demeter-Ware bei dm“ geben. Im Vorjahr hat der Verband jedoch eine neue Vertriebsstrategie eingeführt, die festlegt, unter welchen Bedingungen Händler Demeter verkaufen dürfen – mit praktischen Ausnahmeregelungen für Drogeriemärkte.

Die Annäherung an den konventionellen Handel scheint jedenfalls unaufhaltsam. Man befinde sich „aktuell in Gesprächen mit Real“ (das jetzt schon Demeter-zertifizierte Marken verkauft) über den Abschluss eines Handelsvertrags, bestätigt Demeter auf Anfrage.

Ist ja auch kein Wunder: Genau wie die Hersteller sehen die Verbände, wie die Bio-Umsätze in Supermärkten und Drogerien stetig steigen. Sie müssen sich entscheiden, ob sie an diesem Wachstum teilhaben oder lieber stur an alten Prinzipen festhalten wollen.


Zeit zu handeln

Natürlich kann man sich wie BNN-Geschäftsführerin Röder einreden, es sei „keine Zeit für Besorgnis“. Und fest daran glauben, dass sich all diese Probleme für den Fachhandel schon irgendwie von alleine erledigen, wenn die Discount-Bio-Kunden irgendwann zu „richtigen“ Bio-Kunden konvertieren, sobald sie auf den Geschmack gekommen sind und sich nach größeren Sortimenten sehnen. Als Strategie, um gegen schwindende Alleinstellungsmerkmale zu kämpfen und gegenüber dem konventionellen Handel aufzuholen, der seine Bio-Sortimente stetig vergrößert, ist das aber erschreckend dürftig.

Im Moment sieht es so aus, als seien Supermärkte, Drogerien und Discounter ziemlich gut daran, den „Megatrend Bio“ für sich zu vereinnahmen.

Um dagegen zu halten, muss sich der Bio-Fachhandel womöglich grundlegend neu sortieren – und entscheiden, welche gemeinsamen Ziele er eigentlich noch verfolgt. Das kann gelingen: mit Glaubwürdigkeit, Transparenz in eigener Sache (wie sie manche Händler bereits pflegen) und guten Ideen. Nicht mit Billig-Bio, Undurchsichtigkeit und Abschottung.

Vor allem aber muss der Bio-Fachhandel seinen Kunden aber eine einfache Frage beantworten können: Geht es ihm in erster Linie darum, wie stets beteuert eine ökologischere Form der Landwirtschaft zu fördern – oder doch eher: sich selbst?

Fotos: Supermarktblog, Siegel-Abb.: Demeter"

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