Die Unternehmensberatung A.T. Kearney hat im vergangenen Frühjahr 2900 Leute in Deutschland, Österreich und der Schweiz gefragt, wie und warum sie Lebensmittel im Internet bestellen, und fast drei Viertel haben geantwortet:
Häh? Lebensmittel im Internet bestellen? (Sinngemäß.)
Das ist erstmal keine schlechte Nachricht, weil es umgekehrt bedeutet, dass gut ein Viertel (genauer gesagt: 27 Prozent) das schon mal getan hat. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2011 (damals nur in Deutschland) waren es erst 18 Prozent. Schlechte Nachrichten gibt es trotzdem: Dass immer mehr Leute schon mal den Kühlschrank übers Netz befüllt haben, bedeutet nämlich nicht, dass sie große Fans davon geworden wären. Gerade einmal 2 Prozent der Befragten lassen sich regelmäßig mindestens einmal im Monat mit Lebensmitteln beliefern. Der Rest hat mal zur Probe bestellt. Und es dann wieder gelassen.
In der Studie nennt A.T. Kearney auch ein paar Gründe, und die werden den meisten Händlern, die sich bereits darauf eingestellt haben, Kaffee, Pasta und Windeln nachhause zu liefern (siehe z.B. Supermarktblog), nicht begeistern. Weil sie am wichtigsten Grund nämlich nichts ändern können: 68 Prozent der Leute sind mit ihrer jetzigen Einkaufssituation schlicht und einfach – zufrieden.
(Es müssen wahnsinnig geduldige Menschen sein, die die beauftragten Universitäten da vor ihre Fragebögen gekriegt haben, oder die Kassenschlangen sind anderswo einfach immer kürzer als in Berlin.)
Dass der Online-Markt nicht so richtig in Gang kommt, liegt also erstmal nicht daran, dass die Händler so vieles falsch machen würden (was sie natürlich trotzdem tun), sondern daran, dass die nicht-virtuellen Läden offensichtlich ziemlich viel richtig machen. Die Befragten sehen einfach keinen ausreichenden Grund, sich umzugewöhnen. (Obwohl 38 Prozent zum Beispiel die Nachhause-Lieferung praktisch finden und 25 Prozent die Zeitersparnis schätzen.)
Dabei sind die Voraussetzungen ideal, hat A.T. Kearney gleich miterforscht. Nur wenige Befragte (8 Prozent) haben gesagt, dass Ihnen beim Online-Einkauf von Lebensmitteln Promotions, also Vergünstigungen, wichtig sind. Außerdem wurde in der 2011er-Studie bereits erfragt, ob die Leute bereit sind, für die Lieferung an die Kühlschranktür auch zu bezahlen. Ja, sind sie: Lieferkosten bis 5 Euro fanden mehr als die Hälfte damals in Ordnung, 17 Prozent würden sogar bis 10 Euro zahlen.
Eine Hürde ist in der Befragung dann aber doch aufgetaucht. Die Autoren schreiben:
“In der ‘Offline-Welt’ spielt der Faktor Frische für Verbraucher bei der Auswahl des Supermarktes eine entscheidende Rolle. Er folgt an zweiter Stelle hinter dem Preis-Leistungs-Verhältnis und vor der Nähe beziehungsweise Erreichbarkeit der Filiale.”
Die meisten Kunden wollen nicht nur sehen, was sie kaufen, sondern es bestenfalls auch anfassen. Das geht online aber nicht – und das ist der von den Befragten am zweithäufigsten genannte Grund, der gegen Lebensmittel aus dem Netz spricht (47 Prozent), ebenso wie die fehlende Überprüfbarkeit der Qualität (41 Prozent). Die Schweizer wünschen sich deshalb u.a., Produkte bei der Lieferung kontrollieren und ablehnen zu können.
Die Kunden seien “noch nicht bereit (…), diese Verantwortung an den Händler abzugeben”, schreiben die Unternehmensberater und schlussfolgern:
“Möchten Online-Food-Retailer zu einer ernsthaften Alternative zum stationären Handel werden, müssen sie das Vertrauen der Verbraucher insbesondere in den Frischekategorien gewinnen.”
Aber mal langsam: Wenn die Angst der potenziellen Kundschaft vor der Matsch-Aubergine doch so groß ist und den Leuten gleichzeitig die Vorteile der Online-Bestellung klar sind, warum verzichten sie dann nicht einfach darauf, frische Lebensmittel zu bestellen, sondern kaufen die weiter im Laden um die Ecke ein? Darauf gibt die Studie leider keine Antwort.
Vielleicht ist alles bloß ein großes Missverständnis – und die Online-Händler müssen gar nicht mit Superfrische protzen, sondern bloß erklären, dass es auch ok ist, sich bloß die Dosen liefern lassen, in die man auch im Laden nicht reingucken kann, den Saft im Tetrapack, die Nudeln, die eh immer gleich verpackt sind. Also Lebensmittel, die beim Transport sowieso viel leichter handzuhaben sind, weil sie nicht andetschen können und währenddessen nicht dauerhaft gekühlt werden müssen.
Auf 370 Millionen Euro wird der Umsatz mit Online-Lebensmitteln in Deutschland für 2012 geschätzt. Das sind gerade mal 0,3 Prozent des Gesamtmarkts. (In Großbritannien waren es 2011 immerhin schon 4,5 Prozent – das entsprach 5,5 Milliarden Euro.)
Aber wenn mit einem Schlag allen Deutschen bewusst würde, dass sie ihren Salat weiter dort kaufen dürfen, wo sie ihn bisher schon ausführlich testdrücken, und der Rest vom Lieferanten heimgebracht werden kann, lässt sich das bis nächste Woche ganz bestimmt verdoppeln.
Mindestens.
Quellen: “Online-Food-Retailing: Ein Markt im Aufschwung” (A.T. Kearney, Oktober 2013); “Online-Food-Retailing: Nischenmarkt mit Potenzial” (A.T. Kearney, März 2012).
Foto: Supermarktblog