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Channel: Peer Schader, Autor bei Supermarktblog
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“Mein Fest”: Penny gönnt sich auch mal was

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Ganz schön frech: Noch knapp drei Wochen sind’s bis Weihnachten, und Penny hat einfach schon die ersten Geschenke ausgepackt. Aber nur, damit Sie die rechtzeitig Ihren Liebsten servieren können.

Seit diesem Montag liegen die ersten Artikel der neuen Penny-Luxusmarke “Mein Fest” in den Filialen, und der Discounter ist ganz aus dem Häuschen wegen der “hochwertigen Produkte”, dieser “erlesenen Spezialitäten” für ein “Menü aus edlen Zutaten im feierlichen Ambiente”. 140 Überraschungen hat die Rewe-Tochter bis zum Aktionsende am 4. Januar 2014 für ihre Kunden parat: von der Reh-Rahm-Suppe aus der Dose (schon zu haben) übers Lachs-Carpacchio (ab 16. Dezember) bis zum Sushi (was läge näher zum 23. Dezember?). Nachtisch, bei dem die angeberische Verpackung wichtiger war als die appetitliche Präsentation, gibt’s natürlich auch.

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Vor allem ist “Mein Fest” aber eine ziemlich einfallslose Kopie der Luxusmarken-Strategie bei Aldi und Lidl, von deren Erfolg sich Penny auch ein Scheibchen abschneiden will.

Die beiden Aldis bieten in regelmäßigen Abständen “feinste Delikatessen für besondere Anlässe” unter dem Namen “Freihofer Gourmet” (Nord) bzw. neuerdings “Genuss der Saison” (Süd). Lidl feuert seit der vorvergangenen Woche aus allen Werbekanonen, um uns mit seinem Deluxe-Sortiment ein “Weihnachten für die Sinne” zu bescheren und wohltätig 1 Cent pro Produkt an “Ein Herz für Kinder” zu spenden.

Das ist natürlich großzügig, aber  vor allem von der Kundschaft, die nicht mehr bloß zum Discounter geht, um sich dort palettenweise die billigen Grundnahrungsmittel rauszutragen. Viele Leute sind gewillt, auch mal ein paar Euro mehr an der Kasse zu lassen, wenn der Familie zuhause dafür ein hübsch verpackter Damhirschbraten aus der Tiefkühltruhe präsentiert werden kann. Den Marktforschern der GfK zufolge schleppen immer mehr Kunden teurere Luxuslebensmittel aus den Billigläden, die sich damit als “preisgünstiges Feinkostgeschäft” präsentierten. Auch die Versonderpostung der Artikel, die stets nur vorübergehend im Sortiment sind, scheint dem nicht zu schaden.

Als Lidl rechtzeitig zum Osterfest “Deluxe”-Artikel in die Filialen kippte, stieg die Käuferreichweite um 150 Prozent (im Vergleich zum Jahr davor). Die Umsätze wurden laut GfK verdreifacht. Das liegt freilich auch an der Werbeakrobatik, mit der sich Lidl zum jeweils nächsten großen Fest aufschwingt.

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Gleich zwei Wochen nacheinander pflasterte die Disocunt-Kette ihre Deluxe-Artikel gerade vor tiefblauem Hintergrund aufs Titelblatt der wöchentlichen Prospektbeilage und drängte die knallbunten Sonderangebote damit erstaunlich weit an den Rand. In den Filialen ist das Sortiment unübersehbar: Von der Decke hängen Schilder mit Genuss-Schauspielern, die Tiefkühltruhen sind mit dem Sortimentslogo beklebt, in manchen Filialen wurde sogar die Kassenwand entsprechend verschönert. “Deluxe” muss ein ziemlich lohnenswertes Geschäft sein. So einen Aufwand treibt der Discounter sonst jedenfalls nur selten.

Und Penny kann da auch nicht mithalten: Im Wochenprospekt, der neuerdings auf Küchentischbreite ausklappbar ist, sind zwar sechs Seiten für “Mein Fest” reserviert, aber die wirken ziemlich blass (Foto oben).

In den (Berliner) Filialen muss man die Neueinführung fast schon suchen. Ein paar verstecken sich in der “Aus unserer Werbung”-Ecke in der Kühltheke, die meisten Artikel verschwinden in den Gittertischen auf der Wochenangebotsfläche und sehen auch nicht besonders nach Luxus aus. Das dezente “Mein Fest”-Logo mit dem blauen Schleifchen macht zwar einen modernen Eindruck, fast schon wie ein (Güte-)Siegel. Im Laden geht es aber völlig unter.

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Besonders breit scheint die Palette der Lebensmittel, die im deutschen Discount als “Premium” durchgehen, auch nicht zu sein. Unter all den eingedosten und weggefrorenen Wild-Variationen sowie haufenweise Saucen- und Dessert-Töpfchen sind sich nämlich viele Produkte der Konkurrenten ziemlich ähnlich.

Die Zimtstern-Eiscreme mit Apfelsorbet, die Penny derzeit unter “Mein Fest” für 1,59 Euro im Angebot hat, gibt’s zum selben Preis als “Deluxe” auch von Lidl. Die “Mein Fest”-Ricotta-Basilikum-Cappeletti sind dort sogar 10 Cent günstiger. Dafür ist die Meersalzbutter, ein echter “Deluxe”-Klassiker, bei Penny ein Schnäppchen, vielleicht wegen der fehlenden Zusatzverpackung. Das Lachs-Carpacchio hat jedoch einen dreiwöchigen Vorsprung vor der “Mein Fest”-Alternative (usw.).

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Viel spannender als die gegenseitige Kopiererei ist jedoch, warum so viele Kunden, die doch eigentlich zum günstigen Einkaufen in den Discounter kommen, plötzlich akute Preisblindheit befällt, sobald im Regal ein paar Verpackungen silbern schimmern. Das hat die GfK bisher leider nicht ermittelt.

Es wird also vorerst ein Mysterium des deutschen Lebensmittelhandels bleiben, dass Menschen, die heute noch begeistert Scheindelikatessen kaufen, obwohl sie bisher auch ohne Serranoschinken (“mindestens 11 Monate gereift”) und Belgische Leberpaté (“mit Preiselbeeren”) ausgekommen sind, nächstes Wochenende wieder für ein paar Cent Rabatt am “Super-Samstag” den Laden stürmen.

Fotos: Supermarktblog

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